Unternehmen

Karlsruhe fordert stärkere Besteuerung von Firmen-Erbschaften

Lesezeit: 2 min
08.07.2014 17:00
Das Verfassungsgericht kritisiert die geltenden Steuer-Privilegien bei Firmen-Erbschaften. Bisher bekommen Erben die Steuer komplett erlassen, wenn sie die geerbte Firma weiterführen. Erben von Privatvermögen hingegen müssen einen großen Teil an den Staat abgeben.
Karlsruhe fordert stärkere Besteuerung von Firmen-Erbschaften

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Das Bundesverfassungsgericht zweifelt an den Steuerprivilegien für Unternehmenserben. In der mündlichen Verhandlung am Dienstag stellte der Erste Senat vor allem das Ausmaß der Verschonung infrage.

Gerichtsvizepräsident Ferdinand Kirchhof sagte, die seit 2009 geltenden Regelungen öffneten „einen breiten Raum für eine Steuervermeidung bis hin zur völligen Steuerbefreiung“. Mehrere Richter fragten zudem, ob der Gesetzgeber bei der Erbschaftsteuer nicht über das Ziel hinausgeschossen sei und man nicht von einer Überprivilegierung von Unternehmens-Erben gegenüber anderen Steuerzahlern sprechen könne.

Das Gericht muss entscheiden, ob die Besserstellung von Unternehmenserben gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung im Grundgesetze verstößt. Zu prüfen sei, ob Steuerpflichtige, die die Vergünstigungen nicht beanspruchen könnten, in ihrem Recht auf eine gleichmäßige und der Leistungsfähigkeit entsprechenden Besteuerung verletzt würden.

Das Urteil könnte im Herbst fallen. Die Entscheidung wird vor allem bei den rund drei Millionen Familienunternehmen in Deutschland mit großer Spannung erwartet. (Aktenzeichen: 1 BvL 21/12)

Erbschaften werden dann entlastet, wenn im Zuge des Betriebsübergangs die Arbeitsplätze weitgehend gesichert werden. Wer den Betrieb fünf Jahre lang fortführt und die Lohnsumme in dem Zeitraum weitgehend stabil hält, bekommt schrittweise 85 Prozent der Steuerschuld erlassen. Wer sieben Jahre schafft, muss am Ende keine Steuer bezahlen. Die Lohnklausel gilt allerdings nur für Unternehmen mit über 20 Beschäftigten.

Die Bundesregierung begründete in Karlsruhe die Entlastungen mit dem Erhalt von Arbeitsplätzen. Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, Michael Meister, sagte, der Gesetzgeber habe dabei seinen Gestaltungsspielraum genutzt. Es sei Ende 2008 bei der Schaffung der Regelung angesichts der damaligen Wirtschaftskrise darum gegangen, „die Arbeitsplatzbeschaffer in der deutschen Wirtschaft nicht weiter zu belasten“.

Meister verwies darauf, dass über 90 Prozent der Unternehmen in Deutschland in Familienbesitz sind. Es gehe gerade in Zeiten weltweiter Umbrüche um den Erhalt der deutschen Wirtschaftsstruktur. Die Erbschaftsteuer bringe dem Staat lediglich 4,5 Milliarden Euro im Jahr und damit weniger als ein Prozent des gesamten Steueraufkommens ein.

Der Erste Senat entscheidet über eine Vorlage des Bundesfinanzhofs, der die seit 2009 geltenden Regelungen für verfassungswidrig hält. Die weitgehende oder vollständige steuerliche Verschonung des Erwerbs von Betriebsvermögen sei eine unzulässige „Überprivilegierung“, meinten die Münchner Finanzrichter.

Das Verfassungsgericht prüft nun, ob die Privilegierung von Firmenerben mit dem Verweis auf das Gemeinwohl gerechtfertigt ist und eine stärkere Belastung tatsächlich Betriebe gefährden würde. Der Berichterstatter des Karlsruher Verfahrens, Michael Eichberger, wies auf einen weiteren zentralen Punkt hin: „Darf die Steuerverschonung ohne eine individuelle Prüfung gewährt werden, ob das Unternehmen überhaupt der Verschonung bedarf?“

Der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Markus Kerber, warnte: „Sollte die geltende Regelung gekippt werden, droht vielen Familienunternehmen ein Ausverkauf.“ So würden Familienunternehmen bei der Festsetzung der Steuer regelmäßig überbewertet. Erst die Verschonungsregelungen glichen diesen Nachteil aus. Sie dienten dem Erhalt von Arbeitsplätzen in den mittelständischen Unternehmen.

 


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Halbzeit Urlaub bei ROBINSON

Wie wäre es mit einem grandiosen Urlaub im Juni? Zur Halbzeit des Jahres einfach mal durchatmen und an einem Ort sein, wo dich ein...

DWN
Panorama
Panorama Fahrraddiebe nehmen vermehrt teure E-Bikes und Rennräder ins Visier
24.04.2024

Teure E-Bikes und Rennräder sind seit Jahren immer häufiger auf den Straßen zu sehen - die Anzahl von Diebstählen und die...

DWN
Finanzen
Finanzen Bundesbank-Chef sieht Zinssenkungspfad unklar und plädiert für digitalen Euro
24.04.2024

Spannende Aussagen von Bundesbank-Präsident Joachim Nagel: Ihm zufolge wird die EZB nach einer ersten Zinssenkung nicht unbedingt weitere...

DWN
Technologie
Technologie Boom bei Gründungen von KI-Startups in Deutschland
24.04.2024

Obwohl die Finanzierung von Jungfirmen allgemein ins Stocken geraten ist, entstehen in Deutschland gerade unzählige KI-Startups. Im...

DWN
Politik
Politik USA kündigen massive Waffenlieferungen in die Ukraine an - Selenskyj äußert Dank
24.04.2024

Der US-Kongress hat die milliardenschweren Ukraine-Hilfen gebilligt. Jetzt könnte es laut Pentagon bei der ersten Lieferung sehr schnell...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Preiskrieg in China: Volkswagen im harten Wettbewerb der Elektroauto-Branche
24.04.2024

Volkswagen, lange Zeit der unangefochtene Marktführer in China, sieht sich nun einem intensiven Wettbewerb um den Elektroautomarkt...

DWN
Finanzen
Finanzen Silber im Aufschwung: Das Gold des kleinen Mannes holt auf
24.04.2024

Silber hinkt traditionell dem großen Bruder Gold etwas hinterher. In den letzten Wochen hat der Silberpreis massiv zugelegt. Was sind die...

DWN
Technologie
Technologie Habeck sieht großes Potenzial in umstrittener CO2-Einlagerung
24.04.2024

Die Technologie "Carbon Capture and Storage" (CO2-Abscheidung und -Speicherung) ist in Deutschland ein umstrittenes Thema. Inzwischen gibt...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Frauen in Tech-Berufen: Deutliches Ungleichgewicht trotz wachsender Nachfrage
24.04.2024

Der Frauenanteil in Berufen in den Bereichen Bereich Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik ist laut einer Studie niedrig....