Deutschland

Der Mauer-Öffner: Günter Schabowski ist tot

Lesezeit: 2 min
01.11.2015 16:37
Er war einer der letzten Überlebenden aus der politischen Führung der DDR. Mit einem Satz von ihm fiel das SED-System wie ein Kartenhaus zusammen. Nun ist auch Günter Schabowski tot.
Der Mauer-Öffner: Günter Schabowski ist tot

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Der berühmte Satz fiel beiläufig, manche dachten an einen Versprecher: Am 9. November 1989 sorgte der damalige SED-Spitzenfunktionär Günter Schabowski für die Öffnung der Grenze. „Das tritt nach meiner Kenntnis... ist das sofort... unverzüglich“, stotterte er auf der Pressekonferenz in Ost-Berlin auf die Frage, ab wann denn die soeben vorgestellte neue DDR-Reiseverordnung gelte, nach der künftig Reisen in den Westen erlaubt sein sollten. Der Strom an den Grenzübergängen zum Westen war danach nicht mehr aufzuhalten. „Niemand konnte sich die Konsequenz der Maueröffnung vorstellen“, sagte Schabowski später zu der Weltsensation, die er auslöste. Am Sonntag ist er im Alter von 86 Jahren gestorben.

Das frühere SED-Politbüromitglied bekannte nach der friedlichen Revolution immer wieder, er trauere der DDR nicht nach. Als erster Politiker aus der SED-Spitze hatte Schabowski Abgesandte der Bürgerbewegung „Neues Forum“ empfangen und versucht, die Wende mitzugestalten. Doch viele nahmen ihm seine persönliche Wandlung nicht ab. Bei der großen Demonstration auf dem Alexanderplatz am 4. November 1989 wurde er lautstark ausgepfiffen. Für die SED-Nachfolgepartei PDS, die ihn im Januar 1990 ausschloss, fand Schabowski nur harte Worte. Er bekenne sich zu Mitverantwortung und moralischer Schuld, hatte der einstige Hardliner gesagt. „Die DDR ist an sich selbst zugrunde gegangen, weil sie ein untaugliches System darstellte.“

Als ihm neben dem letzten DDR-Staats- und Parteichef Egon Krenz vor dem Berliner Landgericht der Prozess gemacht wurde, räumte er ein, nichts könne rechtfertigen, dass auch nur ein einziger Flüchtling, „der uns den Rücken kehren wollte, dafür mit dem Leben bezahlen musste“. Damit ging er im Politbüro-Prozess auf Distanz zu Krenz. Er fand es „einfach peinlich“, dass bei seinem einstigen Parteichef kritische Einsichten fehlten. Im Gegensatz zu Krenz räumte er auch eine Mitschuld dafür ein, dass Menschen an der innerdeutschen Grenze bei Fluchtversuchen erschossen wurden.

Das Berliner Landgericht verurteilte Schabowski 1997 wegen Totschlags zu drei Jahren Haft. Die Richter urteilten, dass auch Schabowski zu den Verantwortlichen des menschenverachtenden Grenzregimes zwischen Ost und West gehörte. Er akzeptierte das Urteil. Krenz bekam sechseinhalb Jahre und ging dagegen vor.

Doch der Bundesgerichtshof bestätigte 1999 die Urteile. Schabowski wurde im September 2000 begnadigt und nach weniger als einem Jahr aus dem offenen Vollzug aus dem Berliner Gefängnis Hakenfelde entlassen. Krenz, dessen Beschwerden sowohl vom Bundesverfassungsgericht als auch vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte abgelehnt wurden, kam erst im Dezember 2003 vorzeitig frei.

Schabowksi, im vorpommerschen Anklam als Sohn eines Klempners geboren, hatte eine steile SED-Karriere hinter sich. 1978 übernahm er die Leitung der Parteizeitung „Neues Deutschland“. 1984 gelang dem Absolventen der Moskauer KP-Parteihochschule der Aufstieg ins SED-Politbüro, das höchste DDR-Machtgremium. 1985 wurde er Chef der Berliner SED-Bezirksleitung. Den Posten als Chefredakteur gab er auf. Kurz vor der Wende wurde er neben Krenz auch als Nachfolger des greisen Erich Honecker gehandelt.

 

 

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Halbzeit Urlaub bei ROBINSON

Wie wäre es mit einem grandiosen Urlaub im Juni? Zur Halbzeit des Jahres einfach mal durchatmen und an einem Ort sein, wo dich ein...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Automesse China 2024: Deutsche Autohersteller im Preiskrieg mit BYD, Xiaomi und Co.
25.04.2024

Bei der Automesse in China steht der eskalierende Preiskrieg bei Elektroautos im Vordergrund. Mit hohen Rabatten kämpfen die Hersteller...

DWN
Technologie
Technologie 3D Spark: Ein Hamburger Start-up revolutioniert die Bahnbranche
25.04.2024

Die Schienenfahrzeugindustrie befindet sich in einem grundlegenden Wandel, in dessen Verlauf manuelle Fertigungsprozesse zunehmend...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Lieferdienste in Deutschland: Bei Flink, Wolt und anderen Lieferando-Konkurrenten geht es um alles oder nichts
25.04.2024

Getir, Lieferando, Wolt, UberEats - das Angebot der Essenskuriere ist kaum noch überschaubar. Wer am Markt letztlich bestehen wird,...

DWN
Politik
Politik Bericht: Habeck-Mitarbeiter sollen Kritik am Atom-Aus missachtet haben
25.04.2024

Wichtige Mitarbeiter von Bundesministern Habeck und Lemke sollen laut einem Bericht interne Zweifel am fristgerechten Atomausstieg...

DWN
Finanzen
Finanzen Feiertagszuschlag: Was Unternehmer an den Mai-Feiertagen beachten sollten
25.04.2024

Feiertagszuschläge sind ein bedeutendes Thema für Unternehmen und Arbeitnehmer gleichermaßen. Wir werfen einen genauen Blick auf die...

DWN
Finanzen
Finanzen Teurer Anlegerfehler: Wie der Blick in den Rückspiegel fehlgeht
25.04.2024

Anleger orientieren sich an den Renditen der vergangenen drei bis zehn Jahre, um Aktien oder Fonds auszuwählen. Doch laut Finanzexperten...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Kommunikation im Wandel – Was es für Unternehmen in Zukunft bedeutet
25.04.2024

In einer Ära schneller Veränderungen wird die Analyse von Trends in der Unternehmenskommunikation immer entscheidender. Die Akademische...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Familienunternehmer in Sorge: Land verliert an Wettbewerbsfähigkeit
25.04.2024

In einer Umfrage kritisieren zahlreiche Familienunternehmer die Politik aufgrund von übermäßiger Bürokratie und Regulierung. Besonders...