Politik

Nach EU-Deal: Flüchtlinge in Türkei und Griechenland ohne Menschenrechte

Lesezeit: 2 min
21.05.2016 17:08
Die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl erhebt schwere Vorwürfe gegen Angela Merkel wegen des Flüchtlingspakts zwischen der EU und der Türkei. Sowohl in Griechenland als auch in der Türkei würden Flüchtlinge und Migranten systematisch entrechtet.
Nach EU-Deal: Flüchtlinge in Türkei und Griechenland ohne Menschenrechte

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Die Organisation Pro Asyl beklagt schwere Menschenrechtsverletzungen der Türkei gegenüber Flüchtlingen und fordert eine sofortige Aussetzung des EU-Pakts mit dem Land. «Die Kanzlerin hat die Menschenrechte von Flüchtlingen geopfert für diesen Deal», sagte Pro-Asyl-Geschäftsführer Günter Burkhardt der Deutschen Presse-Agentur kurz vor dem anstehenden Türkei-Besuch von Kanzlerin Angela Merkel. «Die Erfahrungen der vergangenen Wochen übertreffen unsere schlimmsten Befürchtungen.» In der Türkei, aber auch in Griechenland würden Flüchtlinge systematisch entrechtet.

Merkel wird am Sonntag zu einem Kurzbesuch in die Türkei reisen, um dort an einem UN-Nothilfegipfel in Istanbul teilzunehmen. Auch ein Treffen mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan ist geplant. Der Flüchtlingspakt der EU mit der Regierung in Ankara - den Merkel maßgeblich vorangetrieben hat - sieht unter anderem vor, dass Flüchtlinge, die illegal aus der Türkei auf griechische Inseln übersetzen, zurückgeschickt werden.

Pro-Asyl-Mitarbeiter waren in den vergangenen Wochen sowohl in der Türkei als auch in Griechenland unterwegs, um sich ein Bild von der Umsetzung des Flüchtlingspakts zu machen. Die Organisation finanziert auch mehrere Rechtsanwälte in beiden Ländern, die sich um die Belange von Flüchtlingen kümmern sollen, und hat unter anderem zahlreiche Befragungsprotokolle von Asylsuchenden in Griechenland einsehen können, die später in die Türkei abgeschoben wurden.

Burkhardt beklagte mit Blick auf die Unterlagen, in Griechenland werde die Schutzbedürftigkeit von Flüchtlingen nicht wirklich geprüft. Individuelle Fluchtgründe und persönliche Umstände würden zum Teil schlicht ignoriert. Außerdem hätten die Flüchtlinge so gut wie keine Möglichkeit, gegen eine Entscheidung der dortigen Behörden juristisch vorzugehen. «Das ist einfach nicht möglich, wenn wie auf Lesbos 3000 Flüchtlinge inhaftiert sind und es keine Anwälte für sie gibt.» Es seien auch bereits 13 Flüchtlinge von Griechenland in die Türkei abgeschoben worden, ohne dass ihre Asylanträge vorher überhaupt geprüft worden seien.

In der Türkei würden viele Flüchtlinge dann wieder in Haftanstalten gesteckt, beklagte Burkhardt. Mehrere Betroffene hätten berichtet, dass sie dort zur «freiwilligen» Ausreise in ihre Heimat gezwungen worden seien - mit der Drohung, dass sie andernfalls monatelang in Haft bleiben müssten. «Die Türkei missachtet die Menschenrechte von Flüchtlingen», kritisierte er. «Europa lässt sich einlullen von Aussagen der Türkei, dass alles rechtsstaatlich abläuft.» Mit Pro-Forma-Verfahren werde kaschiert, dass großes Unrecht geschehe.

Pro Asyl habe die Bundesregierung bereits mehrfach über Missstände und mehrere brisante Einzelfälle informiert, sagte Burkhardt. Allerdings sei das folgenlos geblieben. «Man hat den Eindruck, dass Europa die Augen verschließt - auch die Bundeskanzlerin.» In Deutschland schwinde generell die öffentliche Aufmerksamkeit für das Thema, seitdem die Flüchtlingszahlen hier nach unten gegangen seien.

«Wenn es so weitergeht mit diesem Deal, dann wird das individuelle Recht auf Asyl in ganz Europa ausgehebelt», mahnte er. «Dann gibt es kein individuelles Asylrecht mehr, sondern nur noch die Aufnahme weniger ausgesuchter Flüchtlinge.»


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Halbzeit Urlaub bei ROBINSON

Wie wäre es mit einem grandiosen Urlaub im Juni? Zur Halbzeit des Jahres einfach mal durchatmen und an einem Ort sein, wo dich ein...

DWN
Technologie
Technologie Der Chefredakteur kommentiert: Kleiner Blackout - kein neuer Strom mehr in Oranienburg! Echt jetzt?
19.04.2024

Liebe Leserinnen und Leser, jede Woche gibt es ein Thema, das uns in der DWN-Redaktion besonders beschäftigt und das wir oft auch...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Städtereisen neu entdeckt: Easyjet läutet Renaissance der Rollkoffer ein
19.04.2024

Vor genau 20 Jahren eroberte Easyjet mit seinen günstigen Flügen das Festland der EU. Der Start in Berlin-Schönefeld begann...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft G7-Außenministertreffen: Israel-Iran Konflikt überschattet Agenda
19.04.2024

Nach israelischem Angriff auf Iran: G7-Außenministertreffen auf Capri ändert Agenda. Diskussionen zu China und Cyber-Sicherheit werden...

DWN
Politik
Politik Forsa-Zahlen: Die Grünen unterliegen den Fliehkräften der Abwärtsspirale
19.04.2024

Und schon wieder eine Etage tiefer. Der Sog verstärkt sich und zieht die Partei Bündnis 90/Grüne immer weiter hinab in der Wählergunst....

DWN
Technologie
Technologie Sehnsuchtsort Mond – Wettlauf um Macht und Rohstoffe
19.04.2024

Forscher, Technologiefirmen und ganze Staaten streben nach neuen galaktischen Ufern. Der Mond lockt mit wertvollen Rohstoffen und dient...

DWN
Politik
Politik Ukraine-Krieg: So ist die Lage
19.04.2024

Nach neuen Angriffen: USA und NATO erhöhen Unterstützung für Ukraine, während Russland seinen Machtanspruch verstärkt.

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Trotz Exportbeschränkungen: Deutsche Ausfuhren in den Iran gestiegen
19.04.2024

Deutsche Exporte in den Iran trotzen geopolitischen Spannungen: Anstieg trotz EU- und US-Sanktionen. Welche Kritikpunkte gibt es in diesem...

DWN
Immobilien
Immobilien Wie viel Immobilie kann ich mir 2024 leisten?
19.04.2024

Wie günstig ist die aktuelle Marktsituation für den Erwerb einer Immobilie? Auf welche Haupt-Faktoren sollten Kaufinteressenten momentan...