Politik

EU-Milliarden für Gaza: Niemand weiß, wo das Geld geblieben ist

Lesezeit: 3 min
13.11.2017 00:36
Die EU zahlt Milliarden an korrupte Palästinenser-Behörden. Doch die leidgeprüfte Bevölkerung sieht nichts von dem Geld.
EU-Milliarden für Gaza: Niemand weiß, wo das Geld geblieben ist

Mehr zum Thema:  
Europa >
Benachrichtigung über neue Artikel:  
Europa  

+++Werbung+++

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Die Idee eines Nachkriegs-Marshall-Plans für die im Gaza lebenden Palästinenser, ähnlich dem Zweiten Weltkrieg nach Europa, entstand erstmals nach dem Oslo-Abkommen, einem 1993 unterzeichneten israelisch-palästinensischen Friedensabkommen. Nach zwei Intifadas, vier Zyklen des Krieges mit Gaza und Milliarden von verschwendeten Euros, die in Gaza investiert wurden, taucht sie wieder als eine mögliche Lösung für dieses leidgeprüfte Stück Land auf. Doch 25 Jahre nach dem ersten Vorschlag scheint es noch weniger wahrscheinlich zu sein, dass es wirklich dazu kommt.

Erst vor wenigen Tagen erklärte ein hochrangiger Vertreter eines europäischen Landes, nach Informationen der Deutschen Wirtschafts Nachrichten eines wichtigen Geberlandes, in einer Klausurtagung in Israel: „Vergessen Sie den Marshall-Plan für Gaza: Wir oder andere ernsthafte Geber werden keine weitere nutzlose Investition tätigen, bevor es eine echte politische Einigung in dieser Region gibt. Wir waren dort, haben das getan und die Lektion gelernt. Nie wieder!“

Diese unmissverständliche Aussage kam als Antwort auf ein kürzlich von einem angesehenen israelischen Institut für nationale Sicherheitsstudien veröffentlichtes Papier, in dem ein "Marshall-Plan" zur Rettung des Gazastreifens vorgeschlagen wurde.

Yossi Beilin, einer der Architekten des Oslo-Abkommens, der an diesem Treffen teilnahm, sagte den Deutschen Wirtschafts Nachrichten, dass der Begriff Marshall-Plan für Gaza nur „israelisches Wunschdenken“ sei. Niemand werde in den Gaza investieren, wo Menschen wie auf einer Zielscheibe leben."

Die unverblümte Aussage des hochrangigen europäischen Vertreters muss im Zusammenhang mit den in Gaza investierten ausländischen Hilfsgeldern betrachtet werden, oder besser gesagt mit den Milliarden Dollar, die dort völlig nutzlos vergeudet wurden. Sie wurden fast nie zum Wohle der Bevölkerung eingesetzt.

Das Geld fiel der Korruption der Hamas-Führung zum Opfer oder wurde zum Tunnelbau für den Angriff auf Israel oder für die regelmäßigen Kriege zwischen Israel und der Hamas, die zu einer weiteren massiven Zerstörung des Gazastreifens führen, verwendet.

Israelische Interventionen und Sanktionen, die von der Palästinensischen Autonomiebehörde gegen das von der Hamas regierte Gaza verhängt wurden, unterbrachen den Fluss von Geldern, um die dringendsten Bedürfnisse in Gaza zu befriedigen.

Das Geld, das in dieses Fass ohne Boden fließt, kommt aus verschiedenen Quellen: EU-Geberländer, UNWRA und andere internationale Institutionen, NGOs, arabische Nationen und europäische Länder. Nach Angaben von INSS stellen die EU-Mitgliedstaaten jährlich durchschnittlich eine Milliarde Euro für die palästinensische Bevölkerung bereit. Das palästinensische Volk profitiert kaum von diesem Geld. Neben den Investitionen der Regierung gibt es UNRWA, Europäische Kommission, Weltbank, Nichtregierungsorganisationen und private Investitionen sowie Nicht-EU-Staaten wie die Türkei. Deutschland ist die fünftgrößte Geberregierung und hat 2015 knapp 55 Millionen Dollar allein an UNRWA gespendet. Die Gesamtzahl der Regierungsgelder für die UNWRA lag in diesem Jahr bei fast 1,5 Milliarden US-Dollar.

Seit Mitte der 1990er Jahre hat die US-Regierung den Palästinensern mehr als fünf Milliarden Dollar an bilateraler Wirtschaftshilfe gewährt, womit die Palästinenser die weltweit größten Pro-Kopf-Empfänger internationaler Hilfe sind. Die Hilfe wird sorgfältig überprüft, da befürchtet wird, sie könnte auf palästinensische Terrorgruppen umgeleitet werden. Neben den direkten Hilfen sind die USA der größte einzelstaatliche Geber für die UNRWA-Flüchtlingsvereinigung.

Genaue Daten aller Spenden und Hilfsgüter in Gaza sind schwer zu finden. Riesige Summen gehen verloren, während die Lebensbedingungen von fast zwei Millionen Palästinensern – den offiziellen Empfängern dieser Hilfe – immer schlechter werden. Sie Milliarden von Dollar, die von Amerika oder Europa gezahlt wurden, um die Demokratie in Gaza zu fördern, haben ihr Ziel nicht erreicht. Das Geld scheint zu verdunsten. Laut einem 2013 vom Europäischen Rechnungshof durchgesickerten Bericht wurden zwei Milliarden Euro, die zwischen 2008 und 2012 nach Palästina geschickt wurden, für Korruption verwendet, falsch ausgegeben oder haben nie ihre beabsichtigten Ziele erreicht. Der Bericht wurde nie fertiggestellt.

Wenn man all dies in Betracht zieht, bleibt der Marschall-Plan für Gaza nur eine abstrakte Idee, weit entfernt von einem Programm, das umgesetzt werden kann. Die politische Aussicht ist nicht ermutigender. Palästinenser lehnen das israelische Konzept des „wirtschaftlichen Friedens“ ab, das dem politischen Frieden vorangeht. Hochrangige Palästinenser sagten kürzlich zu Beilin: „Israel will uns einen Gefallen tun, indem es den Marshall-Plan einleitet. Das ist aber nicht das, was wir wollen. Wir können es selbst tun, wenn Israel uns erlaubt, nach dem Erdgas zu graben, das wir haben – genau wie Israel.“ Vor diesem Hintergrund dürfte der Traum, der von Arafat und Peres vor fast 25 Jahren definiert wurde – „Gaza in ein Singapur zu verwandeln“ – auf absehbare Zeit nicht Realität werden.

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..


Mehr zum Thema:  
Europa >

DWN
Politik
Politik Vor 20 Jahren: Größte Erweiterung der Nato - eine kritische Betachtung
29.03.2024

Am 29. März 2004 traten sieben osteuropäische Länder der Nato bei. Nicht bei allen sorgte dies für Begeisterung. Auch der russische...

DWN
Technologie
Technologie Viele Studierende rechnen mit KI-Erleichterungen im Joballtag
29.03.2024

Vielen Menschen macht Künstliche Intelligenz Angst, zum Beispiel weil KI Arbeitsplätze bedrohen könnte. In einer Umfrage stellte sich...

DWN
Politik
Politik Verfassungsgericht stärken: Mehrheit der Parteien auf dem Weg zur Einigung?
28.03.2024

Das Verfassungsgericht soll gestärkt werden - gegen etwaige knappe Mehrheiten im Bundestag in aller Zukunft. Eine Einigung zeichnet sich...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Deutschlands maue Wirtschaftslage verhärtet sich
28.03.2024

Das DIW-Konjunkturbarometer enttäuscht und signalisiert dauerhafte wirtschaftliche Stagnation. Unterdessen blieb der erhoffte...

DWN
Politik
Politik Corona-Aufarbeitung: Lauterbach will RKI-Protokolle weitgehend entschwärzen
28.03.2024

Gesundheitsminister Karl Lauterbach hat angekündigt, dass einige der geschwärzten Stellen in den Corona-Protokollen des RKI aus der...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Brückeneinsturz in Baltimore trifft Importgeschäft der deutschen Autobauer
28.03.2024

Baltimore ist eine wichtige Drehscheibe für die deutschen Autobauer. Der Brückeneinsturz in einem der wichtigsten Häfen der...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft „Made in Germany“ ist wieder gefragt - deutsche Exporte steigen deutlich
28.03.2024

Der Außenhandel in Deutschland hat wider Erwarten zu Jahresbeginn deutlich Fahrt aufgenommen. Insgesamt verließen Waren im Wert von 135,6...

DWN
Finanzen
Finanzen Der Ukraine-Krieg macht's möglich: Euro-Bonds durch die Hintertür
28.03.2024

Die EU-Kommission versucht, mehr Macht an sich zu ziehen. Das Mittel der Wahl hierfür könnten gemeinsame Anleihen, sogenannte Euro-Bonds,...