Die kleinen Fluggesellschaften in Europa geraten zunehmend unter Druck – sowohl die, die als Privat-Unternehmen gegründet wurden, als auch diejenigen, die früher als Staats-Unternehmen fungierten (zum Beispiel die Air Serbia) und aus EU-wettbewerbsrechtlichen Gründen nicht mehr subventioniert werden dürfen.
Der Airline-Berater und ehemalige Boeing-Pressesprecher Heinrich Großbongardt (Hamburg) sagte den Deutschen Wirtschaftsnachrichten: „Das Fluggeschäft ist brutal skalengetrieben – im Grunde benötigt eine Airline eine Flottengröße von mindestens 100 Flugzeugen. Doch das ist bei den meisten kleinen Playern nicht der Fall – viele von ihnen verfügen noch nicht einmal über 50.
Mit einer so geringen Stückzahl kann man auch keine ausreichenden Reserven an Maschinen vorhalten, was jedoch notwendig ist, weil immer wieder Teile ausfallen, zum Beispiel eine Hydraulikpumpe oder eine elektrische Komponente – ein Flugzeug ist nun mal ein technisch sehr komplexes System.
Bedenken muss man auch, dass die Luftfahrt ein äußerst saisonales Geschäft ist. In der warmen Jahreszeit wird natürlich mehr geflogen als in der kalten. Um über den Winter zu kommen, benötigt eine Airline Liquidität, braucht sozusagen ´Speck´. Darüber verfügen die Kleinen in der Regel nicht.
Es macht auch einen gewaltigen Unterschied, ob ich als große Gesellschaft 30 oder 40 neue Flugzeuge in Auftrag gebe oder als kleine drei oder vier. Bei einem Großauftrag kann ich natürlich viel bessere Konditionen aushandeln. Das gleiche gilt selbstverständlich auch, wenn ich die Maschinen nicht fertigen lasse, sondern lease (die größte Flugzeug-Leasinggesellschaft Europas ist die niederländische „AerCap“ mit rund 1.500 Flugzeugen im Bestand. Anm. d. Red.).
Eine Ausnahme stellt übrigens die Condor dar (die Airline mit Sitz in Frankfurt verfügt über 53 Maschinen. Anm. d. Red.). Als Tochtergesellschaft von ´Thomas Cook´ verfügt sie über ihren eigenen Vertriebskanal – deshalb ist sie von den typischen Branchen-Problemen nicht betroffen.
Eins steht fest: Die Konsolidierung in der Branche geht unaufhörlich weiter. Es ist wahrscheinlich, dass in näherer Zukunft weitere Gesellschaften ihren Betrieb einstellen müssen.“
Angesichts der Probleme auf dem europäischen Markt hat sich die indische Airline „IndiGo“ dazu entschlossen, ihre schon so gut wie feststehende Expansion nach Europa auf unbegrenzte Zeit zu verschieben. Unterdessen geht der Kampf der kleinen europäischen Gesellschaften ums Überleben weiter. Der zu erwartende Abschwung der Weltwirtschaft stellt in dieser Situation ein weiteres Problem dar. Jetzt müssen die Airlines darauf hoffen, dass die Kerosin-Preise nicht steigen. Luftverkehrs-Experte Carlo Sporkmann (Berlin) sagte den DWN: „Anders als die großen Airlines sind die kleinen Gesellschaften nur bedingt in der Lage, in Niedrigpreis-Phasen große Mengen an Kerosin aufzukaufen und zu lagern.“ Der Markt-Beobachter Cord Schellenberg (Hamburg) sagte den DWN: „Wenn beides zusammenkommt, eine Rezession und ein Ansteigen der Kerosin-Preise, wird die Situation für die kleinen Airlines höchst ungemütlich.“