Bisher hat die CDU stets davon profitiert, sich hinter Angela Merkel verstecken zu können. Mit der historischen Niederlage (15,9 Prozent) in Hamburg dürfte sich in der Partei das Unbehagen regen, ob die Strategie der Ein-Frau-Partei wirklich die richtige ist. Zwar sagt die Parteizentrale, Hamburg sei eine regionale Wahl gewesen. Doch in Zeiten des Krieges (Ukraine) und der Krise (Euro) spielen überregionale Themen immer auch eine Rolle bei einer regionalen Wahl.
Es wird beklagt, dass der Spitzenkandidat Dietrich Wersich zu blass ist. Sein Auftritt nach der Wahl (siehe Video am Anfang des Artikels) bestätigt dies sicher.
Allerdings werden sich nun möglicherweise einige in der CDU fragen, wie es denn so weit kommen könnte: Tatsächlich hat die CDU alle kantigen Politiker abmontiert. Widerspruch in der Euro-Politik? Es gibt ihn nicht. Abweichende Meinungen in der Ukraine-Politik? Noch nie gehört. Egal, welches Thema man anfasst: In der CDU herrscht ein gespenstischer Gleichklag. Politiker mit eigenen, möglicherweise von der Partei-Linie abweichenden Meinung haben in der CDU keine Chance mehr. Daher müssen Leute wie Wersich ran – wer wundert sich, dass solche Politiker nicht gewählt werden?
Zugleich haben FDP und AfD der CDU in Hamburg das Wasser abgegraben. Das war nicht einmal besonders schwer: Für Liberale ist die CDU nicht offen genug. Für Konservative ist sie nicht rechts genug. Die Mitte wird für die CDU zum Niemandsland.
Zugleich etabliert sich links von der Mitte ein Block aus SPD, Linken und Grünen, die zusammen das bürgerliche Lager aus der Regierung drängen könnten. Der Sieg der Syriza in Griechenland, der Aufstieg von Podemos in Spanien – auch aus Europa weht der Wind den Konservativen ins Gesicht.
Angela Merkel wirkt seit einigen Wochen müde, gealtert. Vertraute schildern, dass die One-Woman-Show an ihren Kräften zehrt. Erst kürzlich erlitt sie einen Schwächeanfall. Sie hat sich, um andere von der Macht fernzuhalten, zuviel zugemutet. Das ist nicht verwunderlich.
Die CDU muss sich nach dem Hamburger Debakel fragen, wer eigentlich nach Merkel kommen wird. Viele starke Persönlichkeiten kommen einem da nicht in den Sinn. Denn Merkel hat auch ihre Nachfolge so geregelt, wie sich an der Macht hält: Stromlinienförmig müssen die Mitarbeiter sein. Das erleichtert ihr das Leben. Für die CDU ist diese Entwicklung äußerst gefährlich. Auch die schlechte Wahlbeteiligung in Hamburg ist kein gutes Zeichen: Fast jeder zweite hat nicht gewählt. Der politische Elfenbeinturm wird zur Insel.
In Hamburg wird Rot-Grün regieren, in Europa bilden sich immer neue linke Allianzen. In anderen Ländern wie in Frankreich übernehmen die Rechten die Rolle der Konservativen.
CDU-Generalsekretär Peter Tauber meinte am Sonntagabend: «Diese Wahl zeigt, wie schwer es ist, einmal verlorenes Vertrauen wieder zurückzugewinnen.» Diese Erkenntnis könnte schon bald weit über Hamburg hinaus gelten. Angela Merkels Götterdämmerung hat begonnen.