Politik

EZB: Niedrigzinsen sind Gefahr für Banken

Den Banken brechen wegen der Niedrigzinsen die Gewinne weg. Die EZB sorgt sich darüber. Doch die EZB selbst hält den Leitzins auf einem Rekordtief und warnt die Banken somit vor ihrer eigenen Politik.
23.02.2016 16:01
Lesezeit: 3 min

Die EZB-Bankenaufsicht sorgt sich wegen der anhaltend niedrigen Zinsen um die Gewinnsituation der Geldhäuser in der Euro-Zone, meldet Reuters. „Die geringe Profitabilität ist offensichtlich eine große Sorge für die Aktionäre der Banken“, sagte die oberste Bankenaufseherin der Europäischen Zentralbank (EZB), Daniele Nouy, am Dienstag laut Redetext in London. Längerfristig bedrohe dies den Zugang der Institute zu den Kapitalmärkten. „Mangelnde Profitabilität beeinflusst die Stabilität der Banken.“ In den vergangenen Tagen gerieten an den Börsen vor allem Finanzwerte massiv unter Druck.

Banken würden auf der Suche nach Rendite inzwischen wieder mehr Risiken auf sich nehmen. Dies berge die Gefahr einer abrupten Wende, warnte die Französin. Auch der Bundesbank macht die vergleichsweise niedrige Profitabilität der Institute Sorgen. Vor allem Häuser, die stark auf das Kreditgeschäft angewiesen sind, bereitet das Niedrizinsumfeld Probleme.

Doch die EZB hält den Leitzins bereits seit September 2014 auf dem Rekordtief von 0,05 Prozent. Der Einlagensatz liegt sogar inzwischen bei minus 0,3 Prozent. Banken müssen also Strafzinsen zahlen, wenn sie bei der EZB Geld parken.

Die Chefin der EU-Abwicklungsbehörde, Elke König, verlangt von den Geldhäuser ein Aufräumen ihrer Bilanzen. Sie sei zwar trotz der jüngsten Kursverluste „weit davon entfernt“, sich „grundsätzlich Sorgen um die europäische Bankenlandschaft zu machen“, sagte König dem Handelsblatt. Dennoch gebe es nach wie vor „strukturelle Defizite“ in der Finanzbranche, konstatierte die ehemalige Chefin der deutschen Finanzaufsicht Bafin. «“Der europäische Bankenmarkt ist nach wie vor überbesetzt, und wir haben das Thema der notleidenden Kredite.“

König fordert zudem, dass Banken Staatsanleihen mit Eigenkapital absichern müssen. „Um das Problem wirksam zu adressieren, sollte man darüber nachdenken, ob neben einer Kapitalhinterlegung für Staatsanleihen nicht auch eine Obergrenze für die Konzentration einzelner Länder in den Büchern der Banken sinnvoll wäre.“

Auch die Finanzaufsicht BaFin warnt vor den Folgen der Niedrigzinspolitik. Auf die deutschen Lebensversicherern kommen nach Ansicht ihres obersten Aufsehers in diesem Bereich deutlich höhere Sonder-Rückstellungen zu. „In diesem Jahr wird die Zinszusatzreserve sicher nicht sinken“, sagte Frank Grund, der seit Oktober 2015 amtierende Exekutivdirektor der BaFin-Versicherungsaufsicht, der Nachrichtenagentur Reuters. Er rechne vielmehr mit einem „signifikanten“ Anstieg. „2018 und 2019 kommt dann noch ein zusätzlicher Schub dazu.“ Die Versicherer müssten sich also auf eine lange Niedrigzinsphase einstellen. „Alles andere wäre fahrlässig.“

Die deutschen Lebensversicherer haben auf Geheiß der BaFin allein 2015 gut zehn Milliarden Euro zurückgestellt, um ihre Zinsversprechen aus Hochzinszeiten noch erfüllen zu können. Seit 2011 summiert sich diese Zinszusatzreserve auf 32 Milliarden.

Das bringt einige Versicherer allmählich an ihre Grenzen, wie Grund einräumt. „Als Medizin ist sie auch völlig richtig“, sagte er. Sie werde aber „zunehmend anspruchsvoll“ für die Versicherer. „Bei ihrer Einführung hätte niemand mit einer so langen Niedrigzinsphase gerechnet. Wir halten die Belastung noch für vertretbar, sehen uns das aber genau an.“ Locker lassen will Grund aber nur in Extremfällen: „Wenn ein Unternehmen es nicht mehr schafft, seine Verpflichtung vollständig zu erfüllen, kann die BaFin in begründeten Einzelfällen gegebenenfalls unterstützend eingreifen. Wir würden das aber nur machen, wenn es im langfristigen Interesse der Versicherten ist.“ Zunächst sei jede Gruppe selbst an der Reihe, ihren Lebensversicherer zu stützen - auch wenn das große Kraftanstrengungen koste.

Einige Lebensversicherer erwägen, die Reißleine zu ziehen, aus dem Neugeschäft auszusteigen und ihre Vertragsbestände zu verkaufen, wie es in Großbritannien seit Jahren gang und gäbe ist. Unter anderem die von der Hannover Rück und dem Finanzinvestor Cinven gegründete Heidelberger Leben lauert darauf, mehr solcher Bestände aufzukaufen. Das aber muss die Bafin genehmigen - die Frankfurter Leben des chinesischen Investors Fosun und der BHF-Bank warten noch darauf.

Grund sieht solche Pläne skeptisch: „Ich glaube, dass das in Einzelfällen eine Möglichkeit sein könnte, aber nicht für die ganze Branche. Ich halte es für fraglich, ob eine Konsolidierung durch Übernahme von Beständen die Probleme der Branche löst.“ Mehrere Bestände zusammenzuführen, sei zunächst sehr aufwändig, die erhofften Größenvorteile seien unsicher. Die Interessen der Versicherungsnehmer stünden für die Aufsicht an erster Stelle, betonte Grund, der lange selbst als Manager in der Branche tätig war. „Die BaFin kann nur Lösungen akzeptieren, bei denen kein Versicherter schlechter gestellt wird.“

Zunächst sollten die Firmen selbst an der Kostenschraube drehen. Die Kosten für den Abschluss einer Lebensversicherung, zu denen vor allem die Provisionen für die Vermittler gehören, müssten sinken - „und zwar signifikant“, forderte Grund. Das erwarte der Gesetzgeber und das liege auch im Interesse der Branche.

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