Der Direktor des ifo-Instituts München, Hans-Werner Sinn, hat den entscheidenden Fehler im Stresstest der EZB herausgefunden. Er sagte Bloomberg: "Die EZB hat es vermieden, das Szenario einer Deflation für Südeuropa zu modellieren, wodurch sich erklärt, warum die Kapital-Lücke so gering für viele Banken ist."
EZB-Vizepräsident Victor Constâncio sagte auf der Pressekonferenz am Sonntag: "Es gibt kein Szenario einer Deflation, weil wir erwarten, dass es keine Deflation geben wird."
Tatsächlich gibt es bereits längst deflationäre Tendenzen in viele Staaten Europas, wie die Grafiken veranschaulichen. Der Finanzblog Zerohedge hat das Problem im Detail analysiert.
Das Handelsblatt resümiert: "Wir haben Angst vor sinkenden Preisen bei weniger Wachstum. Über genau dieses Szenario hat die EZB aber gar nicht erst nachgedacht. Sie handelt offenbar lieber frei nach dem Motto: Wer zahm prüft, erhält auch nur zahme Ergebnisse. Mit der Wirklichkeit hat das Ganze dann aber wenig zu tun."
Euro-Gruppenchef Jeroen Dijsselbloem frohlockte nach der Bekanntgabe bei Bloomberg bereits, dass die Banken-Krise in Europa mit diesem Stresstest überwunden sei. Er dürfte sich wundern, wenn er sich die Zahlen noch einmal ansieht: Mario Draghis ständige Beschwörungen einer Deflations-Gefahr, die letztlich auch der Grund dafür waren, dass die EZB mit ihrem höchst umstrittenen Ankauf von Kreditverbriefungen (ABS) begonnen hat, basieren nämlich auf viel realistischeren Zahlen als jene, die die EZB ihrem "worst case" unterlegt hat. Und anders als die Projektionen des Tests spiegeln diese Zahlen die harte Realität wider. Die Banken-Krise ist mitnichten vorüber. Die EZB redet sich die Lage schön. Das böse Erwachen ist unvermeidlich.