Politik

Flüchtlinge: Angela Merkel kämpft um den Deal mit Erdogan

Bundeskanzlerin Angela Merkel kämpft um den Flüchtlings-Deal mit der Türkei. Sie sagt, es seien wegen des Deals bereits jetzt Menschenleben gerettet worden. Die Opposition im Bundestag sieht das ganz anders und greift Merkel heftig an. Auch die EU-Kommission will keine Kompromisse bei den Grundrechten eingehen.
13.05.2016 02:34
Lesezeit: 2 min

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Bundeskanzlerin Angela Merkel hat das Flüchtlingsabkommen der Europäischen Union mit der Türkei verteidigt. Seit Jahresbeginn bis zum 20. März hätten rund 350 Menschen beim Überqueren der Ägäis von der Türkei aus das Leben verloren, seitdem seien es nur noch sieben gewesen, sagte Merkel am Donnerstag bei einem WDR-Europaforum in Berlin. Sie verwies darauf, dass lange Zeit Schmuggler und Schlepper bestimmt hätten, wer nach Europa komme und wer nicht. "Allein schon um die Menschenleben zu retten und nicht noch Leuten Geld in die Kasse zu spülen, lohnt eine solche Abmachung mit der Türkei", sagte die Kanzlerin.

Ziel sei der Schutz der Außengrenzen anstelle von nationalen Grenzschließungen und die Bekämpfung von Fluchtursachen, sagte Merkel weiter. Merkel räumte ein, dass sich Europa mit solchen Abkommen "in Abhängigkeiten" begebe. Europa sei aber "eingebettet in eine Weltgemeinschaft" und könne sich nicht einfach abschotten. "Das müssen wir jetzt lernen - mit der Türkei, mit Libanon, mit Libyen, in Zusammenarbeit mit vielen afrikanischen Ländern." Die Türkei habe gefordert, dass man sich die Lasten von drei Millionen syrischen Bürgerkriegsflüchtlingen fairer aufteile als zuvor. Die EU unterstütze die Türkei daher mit Hilfsgeldern und mit freiwilligen Kontingenten. Russland kritisiert den Deal - gerade wegen der Abhängigkeit der EU von der Türkei.

Bemerkenswert: Merkel spricht zwar immer allgemein von den Fluchtursachen, erwähnt jedoch den Krieg in Syrien als die zentrale Fluchtursache nie ausdrücklich. Der Krieg gegen die Regierung von Baschar al-Assad wurde von den Verbündeten des Westens aus den Golfstaaten vom Zaun gebrochen. Es geht in erster Linie um Pipeline-Projekte, zu deren Verwirklichung der Westen politischen Einfluss in Syrien gewinnen will.

Die Opposition im Bundestag kritisierte den Flüchtlingspakt in einer Aktuellen Stunde im Parlament scharf. Der Fraktionsvize der Linken, Jan Korte, sprach von einem "dreckigen Deal". Der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan sei nicht "Teil der Lösung" bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise, sondern unter anderem wegen der Kurdenverfolgung "selber eine Fluchtursache".

Die in dem Abkommen enthaltene Visafreiheit für Türken in der EU nannte die Grünen-Politikerin Claudia Roth "längst überfällig". Die Liberalisierung habe aber "überhaupt nichts mit der Flüchtlingsfrage zu tun" und werde "unzulässig" vermischt.

Kritik an der geplanten Visafreiheit übte in "Focus Online" Bundestagsvizepräsident Johannes Singhammer (CSU). Er verwies auf eine Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine von ihm gestellte Anfrage, wonach dann keine Kontrolle mehr möglich sei, welche türkischen Staatsbürger nach Deutschland einreisen und wie lange sie bleiben.

Beim Abschluss des Abkommens war verabredet worden, dass die Türkei für die Rücknahme der Flüchtlinge schon ab Ende Juni mit der Visafreiheit belohnt wird. Dafür muss die Regierung in Ankara eine Reihe von Bedingungen erfüllen.

Knackpunkt ist die EU-Forderung nach einer Reform der türkischen Anti-Terror-Gesetze. Die EU kritisiert die türkischen Gesetze als zu vage, weswegen sie als Instrument gegen Kritiker der Regierung eingesetzt werden könnten.

Gesetze, die in der EU als gerechtfertigt angesehen würden, würden im Fall der Türkei abgelehnt, sagte Erdogan dazu am Donnerstag in Ankara. "Ich sage offen, wie man das nennt: Heuchelei."

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker machte deutlich, dass die EU nicht zu Kompromissen bereit ist. "Wir haben Bedingungen gestellt was die Visa-Liberalisierung anbelangt", sagte Juncker in Berlin. Ohne deren Erfüllung werde es keine Visa-Freiheit geben. EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) rief die Türkei ebenfalls auf, ihre Zusagen einzuhalten. Die EU-Sprecherin Margaritis Schinas sagte in Brüssel, der Deal sei noch nicht tot - trotz der Weigerung aus Ankara, die Terror-Gesetze zu verändern. Eine Kompromisslinie ist allerdings noch nicht zu erkennen.

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