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Gröhe: Minister ohne Erfahrung muss Gesundheitswesen sanieren

Jede zweite Klinik schreibt rote Zahlen. Der designierte Gesundheitsminister Hermann Gröhe muss die Strukturfehler in der Klinik-Organisation beheben. Die Kosten für die Krankenhäuser steigen konstant. Gröhe bringt für seinen Job keinerlei Erfahrung mit: Er hat den Minister-Posten vor allem als Belohnung für den erfolgreichen CDU-Wahlkampf bekommen.
05.01.2014 01:57
Lesezeit: 3 min

Rechtsanwalt und CDU-Politiker Hermann Gröhe übernimmt das Erbe des scheidenden Gesundheitsministers Daniel Bahr (FDP). Der in dem Gesundheitsressort unerfahrene Gröhe will die Herausforderungen des deutschen Gesundheitssystems annehmen. Dazu gehört der Umbau der Kliniklandschaft.

Jede zweite Klinik schreibt rote Zahlen. Im Jahr davor waren es noch jede dritte (31%). Ob der neue Gesundheitsminister durch Verhandlungen und Reformen dazu im Stande ist, die Kosten im Rahmen zu halten, kann über die Existenz vieler Kliniken entscheiden.

Nach einer Umfrage der Bayerischen Krankenhausgesellschaft (BKG) schreiben derzeit 45 bis 47 Prozent der Kliniken rote Zahlen. Damit sei die Finanzlage In Bayern genauso angespannt wie im Bundesschnitt, sagte der BKG-Geschäftsführer, Siegfried Hasenbein. Es sei deshalb zu erwarten, dass einzelne Krankenhäuser aufgeben oder Abteilungen dicht machen.

Gröhe wird sich mit Finanzminister Schäuble anlegen müssen, wenn er finanzielle Hilfe beim Bund, beispielsweise für die Hochschulmedizin, aushandeln will. Auf Länderebene muss Gröhe auch Fingerspitzengefühl beweisen, wenn es darum geht, deren regionale Planungshoheit zugunsten der Kliniken zu beeinflussen.

Aber nicht nur mehr Geld ist von Nöten. Die Krankenhäuser müssen auch selbst wirtschaftlicher werden. „Mit den Kliniken unmittelbar und mit der Selbstverwaltung, insbesondere dem Bundesausschuss, wird sich Gröhe anlegen müssen, wenn es um Fragen der Qualitätstransparenz gehen wird“, berichtet die Ärztezeitung.

Erste Ansätze dieses Streits zeichnen sich bereits ab: „Krankenhäuser müssen von der Politik in die Lage versetzt werden, ohne die Erbringung von Mehrleistungen tariflich gebundene Gehälter an ihre Beschäftigten zahlen zu können, ohne negative Jahresabschlüsse hinnehmen zu müssen“, sagte Jochen Brink, Präsident der Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen (KGNW), auf dem KGNW-Forum in Neuss. Brink fordert die Anhebung der Investitionsmittel der Länder um 50 Prozent.

„Wir können unseren Mitarbeitern in den Krankenhäusern einfach nicht länger zumuten, dass Tariferhöhungen in der Pflege über Stellenabbau und weitere Arbeitsverdichtung refinanziert werden müssen“, sagte Brink einem Bericht im Ärzteblatt zufolge.

Selektivverträge destabilisieren Klinik-Infrastruktur

Zudem sprach sich Brink deutlich gegen Selektivverträge aus, die den Kassen die Möglichkeit gäben, zugelassenen Krankenhäusern die Kostenübernahme für Patien­tenbehandlungen zu verweigern. „Selektivverträge destabilisieren die Kranken­haus­infrastruktur und machen langfristige Investitionsentscheidungen und Verpflichtungen für Weiterbildungen unmöglich“, so Brink.

Über die medizinische Regelversorgung hinaus können Krankenkassen mit Leistungserbringern (zum Beispiel Krankenhäusern) Selektivverträge über die Bezahlung bestimmter Dienstleistungen abschließen. Andere Dienstleistungen können in solchen Verträgen, in die die Vertragspartner freiwillig eintreten, auch ausgeschlossen werden. Das entlastet die Krankenkassen bei bestimmten Risiken, kann aber auch zum Wegfall bestimmter Leistungen in den Krankenhäusern führen.

Ulrike Elsner, Vorstandsvorsitzende des Verbandes der Ersatzkassen (VdEK), forderte, Selektiv­verträge nicht grundsätzlich auszuschließen, da diese die Qualität insbesondere bei den Behandlungen von komplizierten Erkrankungen garantieren könnten. Insgesamt müsse es in der Krankenhauslandschaft mehr Transparenz über die Qualität der einzelnen Kliniken geben. „Wir messen die Qualität der Krankenhäuser seit vielen Jahren, ziehen daraus aber keine Konsequenzen“, so Elsner.

Fusionen und Kliniksterben

Finanzschwache Kliniken sind in ihrer Existenz bedroht oder müssen fusionieren. In Hessen wollen ab 2015 drei Kliniken in Form einer „strategischen Dachgesellschaft“ zusammengehen. In vielen anderen Krankenhäusern seien Unternehmensbereiche als Tochtergesellschaft mit anderen Tarifen  ausgelagert worden, berichtet die FR.

Kommunale Kliniken stehen mit privaten im Wettbewerb. Ein landesweiter Ansatz für ein gemeinsames Vorgehen ist nicht vorhanden. Das gefährdet sowohl die Anzahl als auch die Qualität von Arbeitsplätzen. „Nach aktuellen Prognosen werden in den nächsten Jahren 15 bis 20 Prozent der Krankenhäuser verschwinden“, heißt es in einem Leitfaden für den Zusammenschluss von Kliniken des hessischen Sozialministeriums. Vor allem die kommunalen Träger würden dem „zunehmenden Wettbewerbsdruck“ nicht standhalten können.

Die Kliniklandschaft in Deutschland unterzieht sich einem Wandel. Im September übernahm der Fresenius-Konzern 43 Kliniken und 15 medizinische Versorgungszentren der Rhön-Klinikum AG. Fresenius kann nun als erster Konzern eine flächendeckende Versorgung anbieten. Rhöns Großaktionär B. Braun Melsungen hat mit dem Ziel Klage gegen den Verkauf eingereicht, „die Wettbewerbsvielfalt im Klinikmarkt zu erhalten”, so der hessische Medizintechnikhersteller.

Fresenius will die Rhön-Kliniken mit seiner eigenen Krankenhaussparte Helios zusammenführen. Der Umsatz von Rhön schrumpft dadurch auf etwa ein Drittel zusammen. In der Firmenzentrale in Bad Neustadt will das Unternehmen daher 130 bis 150 Verwaltungsjobs abbauen.

Während die Große Koalition die Eckpunkte ihres Vertrages ausgehandelt hat, hat sich die Kliniklandschaft in Deutschland bereits grundlegend verändert. Mit der Festlegung der Ressorts ist die Regierung nun wieder handlungsfähig.

Gesundheitsminister Hermann Gröhe muss schnell Strukturreformen auf den Weg bringen. Die Politik kann jedoch nur Impulse setzen zwischen der Qualität der medizinischen Versorgung und der Wirtschaftlichkeit der Kliniken in einem dynamischen Gesundheitssystem.

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