Politik

EU-Wahl: Europa der Sanktionen statt Demokratie

Lesezeit: 12 min
18.02.2014 00:11
Vor der EU-Wahl zweifelt eine zunehmende Zahl an Bürgern an den demokratischen Qualitäten der EU. In vielen Bereichen gibt es Defizite, wie sie die EU bei einem Beitrittskandidaten niemals durchgehen lassen würde. Eine Polemik.

Die Schweiz hat sich in einer basisdemokratischen Abstimmung gegen eine ungezügelte Einwanderung ausgesprochen. Dafür wird sie von EU-Politikern verbal angegriffen und mit Sanktionen bedroht. Die EU dagegen verfügt nur über ein Pseudo-Parlament ohne Gesetzgebungskraft und ohne echte Opposition. Sie ist keine Demokratie, sondern ein selbstgerechtes Imperium.

In einem Interview mit dem „Wiener Kurier“ (19.02.2012) sagte die EU-Kommissarin, Viviane Reding: „Die Menschen dürfen nicht das Gefühl haben, völlig vergessen zu werden. 2013 wird das Europäische Jahr der Bürger.“ Also einmal in fünf Jahren erinnerte sich die EU-Kommission der Bürger – rechtzeitig vor dem EU-Wahltermin im Mai 2014. Dafür verschwendete die EU im Mai 2013 viele Millionen Euro für ganzseitige Anzeigen in fast allen Zeitungen europaweit. „Im Europäischen Jahr 2013 stellen wir die Unionsbürgerinnen und –Bürger in den Vordergrund“, war da zu lesen.

Doch bitte, sehr geehrte Frau Reding, die Frage muss erlaubt sein: „Für wie einfältig halten Sie eigentlich die Bürger Europas?“ Wie stand/steht es mit den Jahren vor und nach 2013 bzw. nach dem EU-Wahljahr 2014? Waren das keine „Jahre der Bürger? Werden es wieder Jahre der Lobbyisten sein, wie selbst im Jahr der Bürger, mit industriefreundlichen Verordnungen und Richtlinien, die gegen die Bürger Europas gerichtet waren?” Da werden auch wieder die allseits bekannten „Errungenschaften“ der EU, wie: „Wirtschafts- und Währungsunion, Friedenssicherung, Klima- und Verbraucherschutz, sowie Wohlstand“, mantraartig wiederholt.

Gleichzeitig wird ein Drohszenario aufgebaut, um noch mehr Macht nach Brüssel zu holen: „Ohne EU kein Frieden, ohne EU keine Demokratie, keinen Wohlstand und keine Reisefreiheit etc.“ Es nervt und entspricht nicht der Wahrheit. Oder doch? Sagte nicht Martin Schulz in einem FAZ-Interview vom 19.1.2013: „90% der Bürger teilen die faszinierende Idee gemeinsamer (EU) Institutionen.“ Frage: Wer hat da wohl Meinung geforscht? Waren es vielleicht nicht doch 99,99%, wie bei DDR-Wahlen? Menschen, die solcherart von Aussagen bezweifeln, die gar das “Erfolgsmodel EU” kritisieren, werden als Abweichler, Populisten, Deutsch-Nationale, Demagogen, Europaskeptiker, Europa-Hasser, Souveränisten, Rassisten, Scharlatane, reaktionäre Europagegner, nationale Egoisten oder schlicht als Anti-Europäer diffamiert. Doch von ihnen droht keine Gefahr. Die für die Demokratie in Europa wirklich gefährlichen Menschen sitzen an den Schalthebeln der Macht in Brüssel, Berlin oder Wien.

Und so gibt es auch kaum Anti-Europäer, dafür jedoch – aus gutem Grund - immer mehr Anti-EU-Europäer – selbst in Nicht-EU-Mitgliedsländern wie der Schweiz.

Als die Bürger der Schweiz sich in einer basisdemokratischen Abstimmung gegen eine ungezügelte Zuwanderung entschieden, wurden sie von einem Tsunami moralischer Empörung überrollt.

Die Schweiz, das  demokratischste Land Europas, musste sich von EU-Politikern, für die Ideologie wichtiger ist als Demokratie, gegen Verbal-Angriffe wie “geistige Abschottung” oder “Verblödung” wehren. “Das können wir nicht hinnehmen – es muss Sanktionen geben”, tönte es aus Brüssel. Tatsächlich hatte die Schweiz einen kapitalen Fehler begangen – sie hatte sich auf einen Vertrag mit dem Teufel, mit einem vertragsbrüchigen EU-Verein eingelassen.

Im Gegensatz zur Schweiz, sind Referenden  im deutschen Grundgesetz nicht vorgesehen. Tatsächlich ist Deutschland das einzige Land in Europa, in dem es noch nie Volksabstimmungen gab. In einer Umfrage der WamS vom 6.11.2011 87 sprachen sich jedoch 87 Prozent der Deutschen für Referenden aus. Doch bei den Koalitionsverhandlungen CDU/SPD (2013), gab es seitens beider Parteien ein striktes NEIN zu Volksentscheiden. Auch Bundespräsident Joachim Gauck, meinte: “...für Volksabstimmungen ist es zu früh”, quasi, die Bürger sind nicht reif genug – er, der einst sagte: “Wer einmal die Freiheit, die Demokratie, die Rechtssicherheit verloren habe, der wisse die rechtsstaatlichen Garantien des Grundgesetzes zu schätzen.“

Wenn Politiker in Brüssel und Berlin die Wörter Referendum oder Volksbefragung nur hören, verfolgen sie noch heute Albträume. Da kommen ihnen die Ergebnisse der gescheiterten Referenden in den Niederlanden, Frankreich und Irland hoch, aber auch  das NO der Dänen und Schweden zum Euro-Beitritt. Und so wird es in Zukunft keine Referenden mehr geben; die Bürger könnten ja mit NEIN stimmen.

Nur, was würden Referenden innerhalb von Nationalstaaten oder gar EU-weit, überhaupt bewirken? Die Antwort ist einfach: Wahrscheinlich gar nichts. Nicht, solange eine undemokratische EU Referenden, selbst wenn sie in einigen Mitgliedsstaaten im Verfassungsrank verankert wären, einfach nicht zur Kenntnis nimmt. Nein, falsch. Sie werden von der EU zur Kenntnis genommen … grummelnd, jedoch nicht akzeptiert. Siehe Frankreich, Niederlande oder Irland – bzw.  man lässt solange abstimmen, bis das Ergebnis der EU-Elite passt.

In Brüssel hat man offensichtlich Angst, von zu viel bürgerlicher Freiheit überrollt zu werden. Am 27.9.2013 berichtete die österreichische Kronenzeitung im Zusammenhang mit der Roma-Politik Frankreichs und den sozialistischen Präsidenten der Nationalversammlung zitierend: „Die Bürger haben die ´Nase voll´ von EU-Kommissaren, die nur ein Europa sähen; ein ´Europa der Sanktionen´. Ein Abgeordneter der konservativen Oppositionspartei UMP, Philippe Meunier, reagierte noch schärfer: ´Die Franzosen hatten sich 1945 nicht von der Besetzung Nazi-Deutschlands befreit, um nun ein ´Diktat´ der EU-Kommission zu erdulden.“

„Die EU ist so undemokratisch, dass sie sich selbst nicht als Mitgliedstaat akzeptieren würde. Sie erfüllt nicht die Mindeststandards einer modernen Demokratie“, schreibt das Bündnis: Mehr Demokratie e.V.

Nur 2% der EU-Bürger glauben (laut Infratest Feb. 2012), dass sie in der EU-Politik eine Möglichkeit der politischen Beteiligung haben und solange wir keine „gefühlten Bürger Europas“ sind, kann es auch keine europäische Demokratie geben, denn diese setzt auch die Beteiligung und das Interesse der Bürger an der Politgestaltung voraus. Bei nur 43% Wahlbeteiligung ist davon jedoch nicht auszugehen.

Neun Monate (September 1948 bis Mai 1949) hatte der Parlamentarische Rat (neben den Ministerpräsidenten der Länder, insgesamt 65 Frauen und Männer) am Grundgesetz gefeilt. Es waren honorige Politiker wie Konrad Adenauer, Kurt Schuhmacher, Heinrich von Brentano, Carlo Schmidt, Theodor Heuss und andere, die, noch nicht konsensverliebt wie unsere heutigen Politiker, tapfer für das Grundgesetz der Bundesrepublik mit den Siegermächten kämpften. Letztlich schufen sie eine der stabilsten, lebendigsten, tolerantesten und vorbildlichsten Demokratien der Welt, um die uns viele Völker beneiden.

Und diese Demokratie wird nun „Schritt für Schritt“ geopfert, für eine beinahe religiös erhöhte europäische Ideologie, die einfach so nicht funktionieren kann und die noch nicht einmal eine Verfassung besitzt.

Der Begriff Demokratiedefizit hat einen gewissen Charme und ist eigentlich eine sanfte Umschreibung für eine Diktatur. Denn zu einer lebendigen Demokratie gehört unter anderem auch eine Opposition - und die sucht man in Brüssel oder Straßburg vergebens. Folglich kann man bei der EU – abgesehen von weiteren Demokratiedefiziten - auch nicht von einem demokratischen Gebilde sprechen. Es gab - man erinnert sich - und es gibt Diktaturen, die kamen auf demokratischen Wege, also durch Wahlen zustande, und solche, wie die EU-Regierung (Kommission),  denen dieses demokratische Element fehlt.

Im EU-Parlament, also dort, wo Demokratie öffentlich stattfinden sollte, gibt es keine Opposition. Auch nicht durch die Präsenz zweier großer Blöcke, den Europäischen Volksparteien und der Allianz progressiver Sozialisten und Demokraten, denn die großen Parlamentsbeschlüsse werden von den Pseudodemokraten – wie in einem Einparteiensystem - meist fraktionsübergreifend im Sinne der EU-Kommission abgenickt. So findet die Funktion einer Quasi-Opposition im Dunkeln statt, ohne öffentliche Kontrolle in den Hinterzimmern der EU-Bürokraten, dort, wo flüsternd und zentralistisch die Fäden gezogen werden. Doch das ersetzt keine Opposition. In einer Demokratie stellt die Opposition die Kritiker der Regierung. Eine Opposition ist absolut lebenswichtig für eine Demokratie.

Dazu heißt es bei der EU: “Die Funktion einer Opposition wird in der EU durch das Einbinden der verschiedenen Institutionen gewährleistet, die sich gegenseitig (wie praktisch) kontrollieren und verschiedene Interessen vertreten.“

Doch welche der vielen Institutionen kontrolliert wen und was? Wessen Interessen werden vertreten? Wer ist für was verantwortlich? Etwa der Rechnungshof mit seinen korruptionsanfälligen Spitzenbeamten (siehe Kapitel 17), die vertragsbrüchige und demokratisch nicht legitimierte Kommission oder das wenig vertrauenerweckende EU-Parlament? Nein, die EU ist keine Demokratie. Es kann auch niemand zur Verantwortung gezogen werden, denn letztlich ist, wie in allen multinationalen Organisationen, egal ob UN, WHO, IWF, EZB oder dem künstlichen Eliten-Projekt EU, keiner verantwortlich.

„Es ist die Aufgabe der Opposition, die Regierung abzuschminken, während die Vorstellung noch läuft“, hatte der ehemalige französische Präsident Jaques Chirac einst gesagt.

„Nicht zuletzt übt das Europäische Parlament die demokratische Kontrolle über die Union und insbesondere die Europäische Kommission aus“, heißt es an anderer Stelle der EU. Doch die einzig halbwegs legitime EU-Institution wird bei den wichtigsten Beratungen und Entscheidungen, wie zum Beispiel bei den Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs, ausgeschlossen. Selbst als es im August 2012 um den „Masterplan“ einer vertieften Union ging, saßen zwar Van Rompuy, Draghi und Junkers zusammen, doch vom EU-Parlament (also der EU-Volksvertretung) war noch nicht einmal deren Präsident, Martin Schulz, zugelassen. Eine Pseudodemokratie mit einem Pseudo-Parlament.

Das EU-Parlament kann auch nicht, wie in einer wirklichen Demokratie üblich, Gesetze einbringen. Dieses Recht steht ausschließlich der EU-Kommission zu, jener Kommission, die kein Mandat der Bürger besitzt und sich nicht an Verträge hält. Dem EP steht ebenfalls nicht das Recht zu, eine Regierung zu wählen, wie beispielsweise im deutschen Bundestag.Die EU-Regierung (EU-Kommission) wurde bisher vom Europäischen Rat, also von den Regierungschefs ernannt. Jeder Mitgliedsstaat, egal wie hoch der Bevölkerungsanteil,  darf einen Vertreter in die Kommission entsenden. Die Kommission (Regierung) tagt hinter schalldicht verschlossenen Türen - nicht öffentlich, ähnlich wie bei den vielen Gipfeltreffen des Europäischen Rates. Wer dort was sagt, wer welche Position bezogen hat, wie sich 28 Staaten auf einen Kompromiss, oft auf den kleinstmöglichen gemeinsamen Nenner, einigen, bleibt geheim.

   Zum Demokratiedefizit trägt ferner bei, dass das demokratische Prinzip der freien Wahl, also „one man, one vote“, nicht gegeben ist. Es gilt ein ungleiches Wahlrecht. Je nach Herkunftsland besitzen die Stimmen im EP, in der EZB und der Kommission, gemessen an der Bevölkerung, unterschiedliches Gewicht. Besonders krass tritt dies bei Staaten wie Malta, Zypern oder Luxemburg zu Tage, die auf Grund ihres kleinen Bevölkerungsanteils in Kommission und anderen EU-Institutionen weit überpräsentiert sind. Die Stimme eines Luxemburgers beispielsweise zählt elf Mal so viel wie die eines Deutschen, in den Ministerräten ist das Stimmgewicht 24fach höher, im Rat der Regierungschefs, in der EU-Kommission und im EU-Gerichtshof ist Luxemburg sogar 164mal besser vertreten als Deutschland. Deutschland schneidet wieder einmal besonders schlecht ab. Fakt ist, die EU regiert Europa nicht demokratisch, eher wie ein selbstgerechtes  Imperium.

Die Klagen über den Demokratiemangel in der EU sind seit langem bekannt. Nur könnte dieses Demokratiedefizit in der aktuellen Euro/Verschuldenskrise für ganz Europa tatsächlich existenzbedrohend werden. „Technokratische Lösungen funktionieren da nicht mehr. Ohne tiefgreifende Demokratisierung ist die Union dem Untergang geweiht“, schrieb ein österreichisches Wochenmagazin.

   Nun, vielleicht nicht unbedingt wegen des Demokratiedefizits, das die meisten Menschen durch die subtilen Einflüsterungen von EU und devoten Medien gar nicht wahrnehmen. Letztlich wird es die Wirtschaft, also der Euro sein, der die Europäische Union in der jetzigen Form kollabieren lässt; denn wie sagte Bill Clinton während seines Wahlkampfes? “It´s the economy, stupid.“ Auch Friedrich Engels begriff: „Der Kern aller Geschichte ist die Wirtschaftsgeschichte.“

   Außerdem, gibt es wirklich ein Demokratiedefizit? „Nein“, meinte die Kommissarin für Justiz, Viviane Reding, eine der mächtigsten (Macht verführt zwar, hat jedoch selten mit Intelligenz zu tun) Frauen Europas, in einer ARD-Sendung mit Günter Jauch: „Weil die EU demokratisch ist, gibt es kein Demokratieproblem.“ So plapperte die offensichtlich anRealitätsverlustleidende Phrasendreschmaschine aus Brüssel vor sich hin – ohne Wenn und Aber. Der Präsident der französischen Nationalversammlung, Claude Bartolone, bezeichnete die Kommissarin gar als „Mutter mit der Peitsche“, die mit dafür sorge, dass die Bürger Europas die EU nicht mehr mögen (Sender Europe 1, 27.9.2013).

  Stellt sich noch einmal die Frage, wer kontrolliert nun wen oder was. Sind es die Institutionen, die sich gegenseitig (eine Krähe hackt der anderen bekanntlich kein Auge aus) kontrollieren oder ist es doch das EU-Parlament? Nein,  so funktioniert kein demokratisches, eher ein totalitäres  System. Das eigentliche Problem stellt sich jedoch – nach einer ordentlichen Gehirnwäsche in Brüsseler Amtsstuben und Cafehäusern – im EU-Parlament. Gewählt, um die Interessen ihrer Wähler, selbst die ihrer Regierung in den Nationalstaaten, zu vertreten, wenden sich EU-Abgeordnete heimatvergessen und sich dem EU-Korpsgeist total unterwerfend (bei vielen Abstimmungen evident) gegen ihre Wähler zuhause in Unterkrummbach oder Immekeppel. Von nun an vertreten sie überwiegend fremde Interessen. Sie tauchen ein in eine Welt mit eigenen Codes und Geheimnissen und werden abgeschliffen wie Gletschersteine. Sie denken und handeln - wenn nicht im eigenem Interesse - nur noch im Sinne der Eurokratie und Lobbyisten. EU-Parlamentarier sein heißt aber auch, die Aufgabe einer eigenen politischen Meinung. Das ist auch das Widersprüchliche am ganzen verkorksten EU-System. Die EU-Abgeordneten sollen ja die Sichtweite der EU bzw. das EU-Gesamtinteresse vertreten, nicht ihr Herkunftsland oder das ihrer politischen Partei. , doch darf ein Kommissar gem. Art. 17, Abs. 3 des Lissabon-Vertrages keiner Weisung seiner Regierung folgen, noch einholen oder entgegen nehmen. So läuft das.

   Ebenfalls interessant zu beobachten, dass  EU-Parlamentarier und Kommissare aus anderen Ländern, nicht so heimatvergessen agieren wie österreichische oder deutsche EU-Politiker. Gesamtgesehen ein total schizophrenes und seelenloses Konstrukt, eine böse Heuchelei, „oa total verlogene und verhunzte G´schicht“, wie der Bayer sagen würde, auch weil die EU-Kommission, also die Regierung in Brüssel, parallel zu den Regierungen der Nationalstaaten läuft – zudem mit widersprüchlichsten Interessen. Im von der Wirklichkeit abgeschirmten „Europäischen Dorf“ herrscht ein esprit de Corps. Die Loyalität der Kommissare und Abgeordneten gilt mehr den Standeskollegen aus anderen Ländern, als ihren Wählern daheim.

Damit der EU-Abgeordnete auch „richtig“ abstimmt, wird sein Abstimmungsverhalten genau überwacht (votewatch.eu). Nach  Prozenten wird aufgelistet, wie loyal sich ein Abgeordneter zur EU-Fraktion verhält. Kaum einer der MdEPs kommt auf Werte unter 95%. Man verhält sich nibelungentreu, selbst zur vertragsbrüchigen EU. Schließlich sägt kein EU-Abgeordneter am Ast auf dem er komfortabel sitzt. Das verhindert schon sein Selbsterhaltungstrieb, ein Urinstinkt.

Es wird also nicht nur der Bürger bevormundet, sondern auch die EU-Abgeordneten stehen - wir nähern uns weiter dem totalen Überwachungsstaat - unter genauester Beobachtung. Auch jeglicher Widerspruch oder leiseste Kritik wird als Illoyalität gegenüber der EU wahrgenommen.

Der EU-Kommission (ohne Mandat)  alleine steht das Recht zu Gesetze zu initiieren bzw. einzubringen (nicht etwa dem EU-Parlament, wie in einer Demokratie üblich).

   Das Fehlen einer europäischen Öffentlichkeit trägt zusätzlich zum Demokratiedefizit bei. Nun sollte man annehmen, da Opposition innerhalb des EU-Systems nicht vorgesehen ist, müsste Opposition wenigstens von außen, vielleicht von der vierten Gewalt im Staat, den Medien kommen. Doch aus dieser Richtung wird jegliche Kritik (Opposition) an den EU-Institutionen meist sofort als „Brüssel-Bashing“ aufgefasst und als Populismus gebrandmarkt. Deutsche Medien reden um den Bart und berichten lieber ausführlich über die Brüste von Anelina Jolie, als über das kranke System der EU. Politiker geben die Strategie vor und die gefügigen Medien folgen. Die vierte Gewalt im Staat, die Wächter für Demokratie und Freiheit, nimmt ihre publizistische Verantwortung, ihren gesellschaftlichen Auftrag, nicht wahr. So ist es. Selbst dummdreiste Lügen seitens der EU werden nicht hinterfragt

   Auch wenig erstaunlich, kommen doch mehrmals im Jahr die Verlagschefs der drei größten Medienhäuser zur Medienstrategie (zum Beispiel über die Euro-Krise) im Kanzleramt zusammen kommen. Was da besprochen wird, bleibt geheim. Nicht ganz so geheim war der Auftritt von EU-Kommissar Günther Oettinger als Gastredner vor dem Verband Deutscher Zeitschriftenverleger am 8.11.2012. Er appellierte an die Anwesenden, sich im Hinblick auf Londons Forderung, den EU-Etat 2014-2020 zumindest einzufrieren, sich eines „billigen Populismus zu enthalten.“ In einer weiteren Rede vor der Jungen Union am 16.11.2013 ließ er die Katze aus dem Sack und sprach aus, was im Grunde jeder interessierte Bürger ohnehin längst weiß: „Weltweite Investoren erwarten von uns den Zusammenhalt der Währungsunion.“ Nun, Herr Kommissar, wenn Konzerne, Spekulanten, das Großkapital und die Banken das erwarten – dann müssen Sie wohl! Doch was die Bürger erwarten, sollte Sie ebenfalls interessieren. Erschreckend, die immer unverblümteren Forderungen der Politik an die Medienkonzerne, wie und was zu berichten ist. Stimmt es also doch: Medien waren immer die devoten Diener der Regierungen.

Die Politik hat die meisten Medien fest im Griff, denn auch im Medienbereich gilt „Größe.“ Ein Schrumpfen der Meinungsvielfalt bedeutet jedoch eine weitere Gefahr für die Demokratie. Da überrascht es nicht mehr, wenn Deutschland 2012, geht es um Pressefreiheit, laut „Reporter ohne Grenzen“ auf den 17. Platz zurück fällt - vor Costa Rica und hinter Tschechien.

Bei der Kampagne „Ich will Europa bzw. Wir wollen Europa“ (siehe Kapitel 1) beteiligten sich 80 Medienunternehmen. Da fällt es schwer, noch von einer unabhängigen Presse zu reden. Haargenau ins Bild der EU-Medienzensur passt ein Bericht (ARD/Panorama, 26.11.2013) über das Freihandelsabkommen EU/USA (TTIP): Damit nicht kritisch darüber berichtet wird, schwört die EU-Kommission ihre Mitgliedstaaten in einem internen Schreiben darauf ein, den führenden Medien nur die positiven Seiten des TTIP zu vermitteln (mehr hier). Doch ein unabhängiger Journalismus, aber auch Vertragstreue, sind Grundpfeiler einer Demokratie.Ein Verfall der Demokratie führt zwangsläufig – die Geschichte beweist es – zu einer Renaissance der Extreme.

„Ein Verbund loser souveräner  Staaten ist schlimmer zu hüten als ein Sack voller Flöhe, da helfe nur die schichtweise Entziehung der Demokratie“, erkannte einst Carl Friedrich von Weizäcker. Es war eine Wahrheit, die wohl als Warnung verstanden werden sollte. Er sollte recht behalten – denn die „schrittweise Entziehung der Demokratie“ passiert derzeit in der EU. Anders als mit starker Hand, sprich Diktatur - lässt sich ein Staatenverbund mit über 500 Millionen Menschen wohl nicht regieren. Siehe Jugoslawien, siehe Irak, siehe UdSSR etc. Aber auch der Folgen sollte man sich erinnern.

Im Grunde befindet sich die EU bereits auf dem Weg zu einem internationalem Sozialismus, einer technokratischen Beamten- und Fiskaldiktatur. Die von der EU gewählte Formulierung - im Kontext mit dem Fiskalpakt - „zentralstaatlicher Haushaltsplanentwurf“ ähnelt bereits der ehemaliger Sozialistischer Staaten.

Und das war`s dann mit der Demokratie, wie wir sie einige Jahrzehnte erleben durften. Doch zu den Plänen der EU passt eben keine Demokratie. Wer das glaubt, glaubt auch, dass Zitronenfalter Zitronen falten oder Kulturbeutel mit Kultur zu tun haben.

Wirklich unabhängige, selbstbewusste Völker wie die Schweizer und Norweger, für die Demokratie keine leere Floskel ist, sagten „NO“ zum EU-Imperium. Aber mal ehrlich, würden Sie einem Verein beitreten, der bereits zu oft vertragsbrüchig wurde, in dem Verträge je nach Stimmungslage und politischem Befinden eingehalten werden oder auch nicht, bei dem einfach keine Rechtssicherheit besteht, der zudem eine verwirrende wirtschaftliche Situation geschaffen hat, die alle Beteiligten intellektuell überfordert und in dem Korruption und Vetternwirtschaft walten. Einem Verein ohne Verlässlichkeit kann man kein Vertrauen entgegen bringen. Kein hanseatischer Kaufmann würde mit einem Partner, der sich an keine Verträge hält, eine Geschäftsverbindung eingehen – und das hätte auch die Schweiz beherzigen sollen.

Der EU sei ins Stammbuch geschrieben; es gibt, wie gesagt, kaum „Antieuropäer“, dafür immer mehr Anti-EU-Europäer. Aber halt -  es gibt sie doch, die Antieuropäer. Sind es nicht jene, die mit ihren realitätsfernen Entscheidungen Europa ins wirtschaftliche und gesellschaftliche Chaos führen? Jene, die keine Bereitschaft zeigen, sich öffentlich kritischen Fragen zu stellen, und sich statt dessen – egal ob Medien, EU-Verantwortliche oder nationale Politiker – in Phrasen flüchten.  Nochmal: Berechtigte Kritik ist keine Hetze.

Auch sollte EU-Kritik nicht mit Ausländerfeindlichkeit gleichgesetzt werden (wie in einer Aussendung der Konrad-Adenauer-Stiftung, Dezember 2013 geschehen). Ja, wir haben eine Demokratie - solange keiner eine abweichende Meinung äußert. Doch Demokratie ist auch auf dem Modell der freien Meinungsäußerung aufgebaut. Generell gesagt, ist eine Demokratie auch dann in Gefahr, wenn eine (neoliberale) Wirtschaft nicht anerkennt, dass sie auch soziale Verantwortung trägt, wenn der Mittelstand wegbricht und wenn als Folge die Menschen den Glauben an die   Demokratie verlieren – ein Nährboden für Rattenfänger von rechts, aber auch von links.

Doch wie sollen EU-Bürger den Glauben an Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zurück erlangen, wenn auf all die Scheußlichkeiten, die allein nach den EU-Wahlen im Mai 2014 auf sie zukommen, der Deckel draufgehalten wird. Überdeutlich brachte  die groß angelegten EU-Täuschungsmanöver der französische Präsident Francois Hollande zum Ausdruck, als er, im Zusammenhang mit erneuten Rettungsschirmen und von IWF und EZB angedachten 10%igen Vermögensabgaben (Enteignungen) aller EU-Bürger, sagte: “Man solle die wirklich harten Themen erst nach den EU-Wahlen angehen.”

„Es ist ein gesamteuropäisches Problem geworden, dass niemand die Courage besitzt, den Menschen die Wahrheit zu sagen“, sagte  Karl Fürst zu Schwarzenberg (Ex-Außenminister von Tschechien) in einem Interview (Profil 14/2013).

 „Wer in der Demokratie schläft, wacht in der Diktatur auf.“ (Johann-Wolfgang von Goethe).

„Niemand ist hoffnungsloser versklavt als der, der fälschlicherweise glaubt frei zu sein.“ (Johann Wolfgang von Goethe)

Dieser Text ist ein Auszug aus dem eben erschienen Buch „Kurs halten, bis zum Untergang Europa. Unglaubliche Erfolgsgeschichten aus dem Brüsseler Tollhaus.“

Sven Kesch arbeitete viele Jahre als Top-Manager eines großen deutschen DAX-Unternehmens.

Das außerordentlich lesenswerte Buch kann hier bestellt werden.

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