Die globale Liquiditätsschwemme entsprechend der „quantitativen Lockerung“ durch die US-Notenbank und anderer Zentralbanken hat einen sprunghaften Anstieg der Emissionen von Staatsanleihen und Unternehmen in den Schwellenländern (auch Emerging Market, EM, genannt) ausgelöst. Investitionen in diese Anleihen waren zwar schon vor der Finanzkrise 2008 und 2009 zu beobachten, wurden jedoch anschließend durch die Suche nach immer höheren Renditen beschleunigt.
Das Volumen der Verschuldung der Schwellenländer stieg nach Angaben der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) von 650 Milliarden US-Dollar im Jahr 2001 auf nahezu 6,9 Billionen US-Dollar Ende 2013.
Zuletzt waren Staatanleihen der BRICS-Länder: Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika ein Hort für internationale Anleger jedweder Couleur.
Die meisten Käufer dieser Staats-Schulden waren sogenannte „Echt-Geld“-Investoren, also Pensionsfonds, Versicherungsgesellschaften, Staatsfonds und sogar Zentralbanken – im Gegensatz zu Hedgefonds, die eher „heißes Geld“ investieren; also Kapital, das von einem Land zum anderen fließt, um kurzfristig Gewinn zu schöpfen oder aus Wechselkurs-Spekulationen Profit zu generieren. (Es wird auch deshalb als „heißes Geld“ bezeichnet, da sich die spekulativen Kapitalströme schnell in die Finanzmärkte und wieder heraus bewegen; was zur Instabilität der Märkte führt.) Hedgefonds haben dagegen, wie die Financial Times berichtet, nur in früheren Jahren in BRICS-Staatsanleihen investiert.
Nun gibt es Befürchtungen, dass die sogenannten „Echtgeld-Investoren“, die gut mit Liquidität ausgestattet sind, Anleihen von Schwellenländern kaufen, die sie normalerweise nicht kaufen würden.
„Diese Investoren sind quasi wegen des ständigen Gelddruckens der Zentralbanken gezwungen, zu kaufen“, erläuterte Elbek Muslimov, Leiter des „EM“-Kredithandels bei der Citi-Bank. „Manchmal sind sie sogar gezwungen, gegen ihren Willen zu kaufen. Sie bekommen Zuflüsse in ihre Fonds, die sie als Portfoliomanager investieren müssen, und deshalb kaufen sie auch riskantere Vermögenswerte“. Aber wie und ob sie in Zukunft wieder aus den Anleihen herauskämen – das sei ein immenses Wagnis, meldet die FT.
Analysten warnen indessen vor einer Eskalation auf den EM-Märkten, insbesondere auf dem Sekundär-Markt, wo bereits ausgegebene Staatsanleihen gekauft und verkauft werden. Im Hinblick auf die starke Volatilität (Schwankungen) könnte ein plötzlicher, ungeordneter Verkauf der Anleihen stattfinden, zumal es derzeit wieder Spekulationen gibt, dass die Zinsen für US-amerikanische Staatsanleihen ansteigen.
„Der globale, langfristige Zinssatz hat für die Geldpolitik der Schwellenländer jetzt viel mehr Bedeutung als noch vor einem Jahrzehnt“, erklärt noch im Februar die BIZ in einem Arbeitspapier.
Dies steht im Widerspruch zu den weit verbreiteten Behauptungen, die Schwellenländer seien von der Straffung der Geldpolitik durch die US-Notenbank-Politik nicht betroffen, da sie in der Vergangenheit mit ihren eigenen Währungen Schulden gemacht und riesige Devisenreserven angehäuft hätten.
Der Lenkungsausschuss des IWF mahnte vor kurzem, ein Ausstieg aus der extrem lockeren Geldpolitik der Notenbanken dürfe nicht zu einer Destabilisierung der Schwellenländer führen. Dagegen müssten umgehend „Schutzmaßnahmen“ eingeführt werden.
Die Mahnung verhallte ungehört.
Indessen verlagert sich der Fokus auf die sogenannten „Fragile Five", also auf die fünf Wackelkandidaten der Schwellenländer. Dies sind die Türkei, Indien, Indonesien, Südafrika und Brasilien.
Aktuell macht diesen fünf Ländern der Anstieg des Ölpreises schwer zu schaffen. Denn ansteigende Preise für Energie verteuern die Importe der „Fragile Five“. Und die meisten dieser Staaten importieren mehr, als sie exportieren. Deshalb sind sie von ausländischem Kapital abhängig, um die Lücke in ihrer Leistungs- bzw. Zahlungsbilanz zu schließen. Doch steigende Energiepreise dürften die Inflation beschleunigen, was in der Regel Investitionen abstößt.
Die Schlussfolgerung: Investoren befürchten eine gefährliche Schieflage in diesen Staaten, was eine abermalige Kapitalflucht zur Folge hätte.
Anleger gehen davon aus, dass die jüngste Schwäche an den Aktien- und Devisenmärkten einen neuen Ausverkauf auch in anderen Schwellenländern freisetzt. Wichtigstes Augenmerk dabei ist, ob die Preise für Öl weiter ansteigen, ein weiterer Indikator wäre eine veränderte Geldpolitik der Fed.
Die Rohölsorte Brent, Indikator für die Preise am Ölmarkt, hat sich seit dem 10.Juni, als die „ISIS“ die irakischen Städte Mossul und Tikrit besetzten, um mehr als 5 Prozent verteuert. Sollte die Krise in der Region anhalten, dürften die Ölpreise noch weiter anziehen – mit verhängnisvollen Auswirkungen auf die Schwellenländer.