Während Handelsaufträge an der Börse früher noch von Menschen per Handzeichen in Auftrag gegeben wurden, haben heute längst Computer die Vormachtstellung am Finanzmarkt übernommen. Mittels spezieller Algorithmen werden Aktienkäufe – und -verkäufe innerhalb von Bruchteilen von Sekunden durchgeführt. Zunächst boten Glasfaser-Kabel dabei die schnellste Möglichkeit der Datenübertragung. Nun hat ein regelrechtes Wettrüsten begonnen und die Hochfrequenzhändler stellen auf Mikrowellen-Technologie um.
„Es kommt darauf an, die eigene Position zu verteidigen. Wenn eine Gruppe auf Mikrowellen setzt, dann hat sie einen entscheidenden Vorteil, weshalb andere Firmen auch auf Mikrowellen setzen müssen, um ihre relative Geschwindigkeit beizubehalten. Es ist wie bei Radrennfahrern, die darum kämpfen, in der vordersten Gruppe mit dabei zu sein“, zitiert Bloomberg Peter Nabicht, ehemaligen Technologie-Chef der Hochfrequenz-Händler „Allston Trading LLC“.
Die Firma Jump Trading aus Chicago kauft seit einiger Zeit ausgediente Sendemasten des Militärs auf. Das Unternehmen wurde von ehemaligen Aktienhändlern gegründet und hat sich auf den Hochfrequenzhandel spezialisiert. Ihr jüngster Coup ist ein 240 Meter hoher Mikrowellen-Funkmast der Nato in Belgien. Der militärische Sendemast befindet sich in Westflandern unweit des Ärmelkanals. Die USA nutzten den Sendemast unter anderem zur Übermittlung von Nachrichten aus dem Nahen Osten, so auch beim Selbstmord-Attentat auf einen US-Stützpunkt im Libanon 1983, bei dem Hunderte Soldaten ums Leben kamen. Die Nato hat den Sendemast jedoch seit Jahren nicht mehr benutzt und ihn 2006 zum Verkauf angeboten.
Jump Trading will den Sendemast für die Übermittlung von Handelsaufträgen nutzen. Dazu hat sie zunächst viel Geld in die Modernisierung der Anlage investiert. Durch die Übertragung der Daten per Mikrowellen-Technologie erhofft sich das Unternehmen einen Zeitvorteil beim Handel von Finanzprodukten. In den USA läuft mittlerweile mehr als die Hälfte des gesamten Aktienvolumens über die „Blitzhändler“. Auch in Europa ist der Anteil zwischen 2009 und 2013 von 25 auf 41 Prozent gestiegen, wie die Beratungsfirma Aite Group LLC ermittelt hat.
Die Firma Custom Connect´s aus Amsterdam verwaltet seit März 2013 das erste Mikrowellen-Netzwerk, das die Haupthandelsplätze Europas miteinander verbindet und von Händlern gemietet werden konnte. Das Netzwerk besteht aus 13 Sendemasten in Europa, darunter auch der Nato-Mast von Jump Trading. Custom Connect´s kürzte die Übertragungszeit zwischen Frankfurt und London um 50 Prozent auf 4,43 Millisekunden. Das Unternehmen bietet die Infrastruktur gegen Gebühr an Börsenhändler aus aller Welt an. Mittlerweile nutzen 25 Firmen das Netzwerk.
Mit Mikrowellen können Daten doppelt so schnell übertragen werden, wie über Glasfaserkabel. Die Handelsaufträge lassen sich mit nahezu Lichtgeschwindigkeit von Frankfurt nach London senden. Der dadurch entstehende Zeitvorsprung – oft nur wenige Millisekunden – reicht aus, um aus winzigen Preisunterschieden bei Vermögenswerten noch genügend Profite herauszuschlagen. Allerdings hat die Technologie auch Nachteile: So ist die Bandbreite geringer als bei Glasfaserkabeln. Zudem kann die Übertragung durch schlechtes Wetter beeinträchtigt werden.
Hochfrequenzhändler analysieren in Bruchteilen einer Sekunde, wo gerade welches Finanzprodukt gehandelt wird. Im selben Moment greifen sie mit eigenen Handelsaufträgen ein und manipulieren so den Kurs von Aktien kurzeitig nach oben oder unten, noch bevor der Auftrag ausgeführt wurde. Insider behaupten, das ganze System diene nur der Manipulation der Kurse (mehr hier).
Hinzu kommt, dass der Hochfrequenzhandel das Finanzsystem hochgradig anfällig für Crashs macht, so geschehen im Jahr 2010. Beim sogenannten „Flash Crash“ stürzte der Dow Jones binnen weniger Minuten um 1.000 Punkte ab, wie Deutsche Welle berichtet. Auch der Dax verlor in Folge dessen binnen 400 Millisekunden mehr als 200 Punkte, bevor der Handel ausgesetzt wurde. Mittlerweile wird gegen führende Finanzinstitute wegen ihrer Verwicklung in den Hochfrequenzhandel ermittelt. In den USA laufen dzudem Klagen gegen die Bank of America, JPMorgan, Citigroup und Morgan Stanley. Es wird vermutet, dass die Banken bevorzugt Handelsdaten erhalten und so Anleger weltweit betrogen haben (hier).
Auch in Europa wird deshalb gegen führende Finanzinstitute ermittelt, darunter auch die Deutsche Bank und die Schweizer UBS. Doch die Aufsichtsbehörden sind bei der Jagd nach den Hochfrequenzhändlern stets einen Schritt zu spät. Ihnen fehlen schlicht die Mittel, um ihre Aufgaben zu erfüllen, so der Chef der Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (hier). Es ist also nicht zu erwarten, dass die Regulierungsbehörden den nächsten „Flash-Crash“ verhindern können.