Politik

Elon Musk: Der stille Umbau der USA in ein Tech-Regime

Nie zuvor in der modernen Geschichte der USA hat ein einzelner Unternehmer derart tief in den Staat eingegriffen. Elon Musk, offiziell ohne Amt, kontrolliert mit dem sogenannten Department of Government Efficiency (Doge) zentrale Hebel der US-Verwaltung. Für Historiker ist seine Macht nicht nur ein Tabubruch – sondern ein Angriff auf die demokratische Ordnung.
17.05.2025 05:51
Lesezeit: 3 min
Elon Musk: Der stille Umbau der USA in ein Tech-Regime
Musk, Bezos, Zuckerberg: Die Superreichen des digitalen Zeitalters rücken näher an die Staatsspitze als je zuvor. (Foto: dpa) Foto: Alex Brandon

„Doge“: Schattenregierung unter Musks Kontrolle

In den Reihen hinter Donald Trump, bei seiner Amtseinführung, saßen nicht einfach Gäste – sie symbolisierten eine neue Machtarchitektur. Musk, Bezos, Zuckerberg: Die Superreichen des digitalen Zeitalters rücken näher an die Staatsspitze als je zuvor. Für den amerikanischen Historiker Niels Bjerre-Poulsen ist dies kein Zufall – sondern ein gezielter Bruch mit der US-Verfassung.

„Trump hat eine Struktur aufgebaut, die einer Oligarchie gleicht. Musk ist ihr Speerspitze“, sagt der Professor von der Universität Süddänemark. Der Technologie-Milliardär sei keine symbolische Figur, sondern eine reale Exekutivkraft – ohne demokratische Kontrolle.

Innerhalb von 100 Tagen nach seiner Gründung entließ Doge über 120.000 Staatsbedienstete. Offiziell ist Elon Musk nur ein „Berater“. In der Praxis jedoch, so Politikwissenschaftler, handelt es sich um eine faktische Parallelstruktur zur Regierung – ohne formelle Ernennung, ohne Kongressanhörung, ohne Kontrolle. Damit wird ein Grundpfeiler der US-Verfassung – das Prinzip der „Checks and Balances“ – systematisch untergraben.

Bjerre-Poulsen zieht den Vergleich zu Russland: Eine informelle Machtelite, die durch wirtschaftliche Verflechtungen und politische Gefälligkeiten die Gewaltenteilung aushöhlt. „So etwas gab es in der amerikanischen Geschichte noch nie“, betont er.

Der stille Staatsstreich durch Bürokratieabbau

Hinter der angeblichen Effizienzagenda von Doge verbirgt sich ein systematischer Umbau des Staates: Behördenschließungen, eingefrorene Budgets, Aushebelung demokratischer Beschlüsse. Trumps Vorgehen erinnert dabei an seine erste Amtszeit, als er Gelder für die Ukraine blockierte – ein Vorgang, der 2019 in einem Amtsenthebungsverfahren mündete. Mit Doge geht er nun weiter: Er friert Haushaltsmittel ein, die der Kongress bewilligt hat, indem er vorgibt, sie seien durch Doge obsolet geworden.

Oligarchie statt Demokratie: Die Broligarchie

Beobachter sprechen von einer „Broligarchie“ – einer Mischung aus „Bro“ und „Oligarchie“ –, in der Trump und seine Tech-Milliardäre die Institutionen der Republik entkernen. Der Kongress wird marginalisiert, Gerichte durch Klagefluten überlastet. Über 200 Verfahren laufen aktuell gegen die Doge-Struktur.

Die Strategie: Zeit gewinnen. Trump setzt auf den Supreme Court, wo sechs der neun Richter von republikanischen Präsidenten, drei von ihm selbst, ernannt wurden. Dort könnten zentrale Entscheidungen zu Gunsten seiner Parallelregierung fallen.

Interessenkonflikte in Milliardenhöhe

Musk profitiert währenddessen massiv. SpaceX erhielt Aufträge im Wert von 38 Milliarden Kronen von der US Space Force. Starlink versorgt Militärs, Regierungen und Kriegsgebiete mit Infrastruktur. Die Interessenkonflikte sind evident – doch kein Gremium überprüft sie, da Musk offiziell keine Regierungsposition innehat.

Ein Mann entscheidet mit über Krieg und Frieden

Die Professorin Rebecca Adler-Nissen warnt vor den außenpolitischen Implikationen. Starlink in der Ukraine, militärische Nutzung durch die US-Navy, geopolitische Einmischung durch Musks öffentliche Äußerungen – der Unternehmer sei längst ein sicherheitspolitischer Akteur mit globaler Reichweite. Seine Rolle bei der Eskalation von Handelskonflikten, seine massive Einflussnahme auf politische Kampagnen und sein Zugriff auf kritische Infrastruktur wie KI, Cloud-Dienste und Supercomputer machen ihn zur systemrelevanten Figur der westlichen Welt.

„Nicht nur Europa ist abhängig – auch die USA sind verwundbar geworden gegenüber der Macht einzelner Konzerne“, so Adler-Nissen.

Der digitale Raubritter unserer Zeit

Für Historiker ist Elon Musk das moderne Pendant zu den „Raubrittern“ des Gilded Age: Rockefeller, Carnegie, JP Morgan – Namen, die heute noch mit monopolistischer Macht, politischer Einflussnahme und sozialer Ungleichheit assoziiert werden. Auch damals reagierte die Bevölkerung – mit der progressiven Bewegung, die Kartelle zerschlug und soziale Mindeststandards durchsetzte.

Bjerre-Poulsen sieht eine Wiederholung der Geschichte: „Wenn die Bevölkerung erkennt, dass Musks und Trumps Zölle, Kürzungen und Machtspielchen vor allem die unteren Einkommensschichten treffen, wird es zu einer politischen Gegenbewegung kommen.“

Der stille Umbau der USA in ein Tech-Regime

Mit Elon Musk als grauer Eminenz und Doge als Schattenministerium droht die Aushöhlung der amerikanischen Demokratie – durch eine Allianz von Kapitalmacht und Exekutivgewalt. Die wirtschaftliche Konzentration in den Händen weniger Akteure hat längst sicherheits- und außenpolitische Konsequenzen.

Die Vereinigten Staaten stehen erneut an einem historischen Wendepunkt. Die Frage ist nicht mehr, ob einzelne Unternehmer Einfluss nehmen – sondern, ob sie bald mehr Macht haben als gewählte Repräsentanten. Die Antwort auf diese Entwicklung wird, wie schon vor 140 Jahren, nicht aus den Vorstandsetagen kommen – sondern von der Straße.

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