Erste Etappe: Bundeshaushalt muss ins Kabinett
Am neunten Tag im Amt war Finanzminister Lars Klingbeil bereits in Paris, Kiel und Brüssel, besuchte zwei Parteitage und ordnete die Spitze seiner SPD neu. Jetzt beginnt die eigentliche Arbeit: Die Steuerschätzung zählt zu den zentralen Terminen im Jahresverlauf – eine erste echte Probe für den Vize-Kanzler, der bislang eher außerhalb der Finanzwelt aktiv war.
Klingbeil ist bewusst, dass gerade er, als neuer Kopf im Bundeshaushalt, keine Zeit für langes Einlesen hat. Die zentralen Vorhaben zur Stabilisierung der Konjunktur liegen nun in seiner Verantwortung. Der Haushalt zählt dabei doppelt. Er habe „mit Minute eins loslegen“ wollen, sagte der 47-Jährige. Zum Start hilft die Expertise im Ministerium. Vorgänger Jörg Kukies und leitende Beamte haben für den Neustart vorgesorgt.
Seit beinahe fünf Monaten agiert die Bundesregierung mit einer vorläufigen Haushaltsführung. Zwar funktioniert das weitgehend störungsfrei, doch neue Projekte aus dem Koalitionsvertrag lassen sich so kaum umsetzen. Für den Bundeshaushalt 2025 drängt daher die Zeit. Am 25. Juni soll Klingbeil den Entwurf im Kabinett präsentieren, im Bundestag vor der Sommerpause erstmals beraten. Der endgültige Beschluss ist für September vorgesehen.
Es ist ein sehr ehrgeiziger Zeitplan. Nach der aktuellen Steuerschätzung kennen die Haushälter nun zwar die zu erwartenden Einnahmen. Aber erst jetzt beginnt das Ringen: Gerade zum Start einer Legislatur suchen Ministerinnen und Minister nach Profilierung. Finanzminister Klingbeil wird lernen müssen, auch mal „nein“ zu sagen – trotz hoher Kreditrahmen klaffen im Bundeshaushalt Lücken, die Wunschlisten kürzen erfordern.
Zweiter Stresstest: Der schwierigere Haushalt
Auch den Haushalt für 2026 will Klingbeil noch vor der Sommerpause aufstellen – dieser gilt als deutlich komplizierter. Der Bundeshaushalt soll bis Jahresende verabschiedet sein. Jetzt muss der Finanzminister zeigen, dass er ohne die Vorarbeit des Vorgängers bestehen kann. Denn nun beginnen die wirklichen Kämpfe ums Geld.
Hinter jedem neuen Projekt aus dem Koalitionsvertrag steht ein Finanzierungsvorbehalt. Heißt konkret: Nicht alle Maßnahmen lassen sich gleichzeitig bezahlen. Finanzminister Klingbeil muss mit seinen Kolleginnen und Kollegen im Kabinett klären, was Vorrang hat – und was gestrichen wird.
Warum fehlt überhaupt Geld, obwohl Berlin erst kürzlich die Schuldenbremse bei Rüstungsausgaben gelockert und einen 500 Milliarden Euro schweren Infrastruktur-Fonds genehmigt hat? Ein Punkt: Laut Koalitionskompromiss dürfen die Mittel nur für zusätzliche Investitionen genutzt werden. So wird Klingbeil wohl öfter schlechte Nachrichten überbringen müssen.
Investitionsversprechen: Wird das Sondervermögen genutzt?
Bereits am ersten Amtstag erklärte der SPD-Politiker, er wolle „Investitionsminister“ sein. Das könnte sich rächen, denn beim Einsatz des Sondervermögens hapert es. Zwar wird das Gesetz zum Fonds ab Juni im Bundestag diskutiert. Doch Fachleute warnen: Der Plan könnte gegen EU-Regeln verstoßen, insbesondere den Stabilitäts- und Wachstumspakt.
Deutschland hatte sich bei der Reform dieser Regeln noch für mehr Haushaltsdisziplin starkgemacht. Nun braucht Klingbeil wohl Nachsicht in Brüssel. Bei seinem Antrittsbesuch dort sagte der Finanzminister, seine Kollegen begrüßten den deutschen Ansatz. Viel Optimismus schwingt mit – doch die Umsetzung bleibt fraglich. Selbst wenn alles klappt, bleibt das Problem: Auch bewilligte Gelder müssen tatsächlich abfließen – und das war zuletzt oft ein Problem.
Konjunkturpakete: Aufschwung für die Wirtschaft
„Mein Anspruch ist es, dass wir Deutschland wieder auf Wachstumskurs bringen“, sagt Klingbeil. Die Konjunktur zu stärken ist ein zentrales Ziel. Noch vor dem Sommer soll das Finanzministerium Gesetzesvorschläge vorlegen: zur Senkung der Energiekosten und zur Verbesserung von Abschreibungsmöglichkeiten. Im Koalitionsvertrag ist vorgesehen, dass 30 Prozent Sonderabschreibung auf Investitionen in Ausrüstung als „Investitions-Booster“ wirken sollen.
Für andere Maßnahmen dagegen fehlt noch finanzieller Spielraum im Bundeshaushalt – etwa für die ab 2028 vorgesehene Unternehmenssteuerreform oder eine neue Einkommenssteuerstruktur. Auch die steuerliche Entlastung älterer Arbeitnehmer, die länger arbeiten wollen, ist derzeit noch offen.
Weichenstellung 2029: Klingbeils große Ambition
Dass Lars Klingbeil heute Bundeshaushalt und Finanzministerium verantwortet, liegt vermutlich eher an der strategischen Bedeutung des Ressorts als an klassischer Finanzpolitik. Unter seiner Leitung ist das Ministerium auch das zweite Machtzentrum – ein Vize-Kanzleramt. Nach der Wahlniederlage der SPD im Februar nutzte Parteichef Klingbeil die Gunst der Stunde. Nicht jeder in der Partei war über seine Alleingänge erfreut. Doch durch gezielte Personalentscheidungen hat Klingbeil sich abgesichert: Er installierte Vertraute in Partei, Fraktion und Ministerium. Er bestimmt die Richtung. Jetzt muss der 47-Jährige beweisen, dass das Vertrauen gerechtfertigt war.
Es wird zwar nicht offen ausgesprochen, doch längst arbeitet Klingbeils Team auf ein Ziel hin: die Kanzlerkandidatur 2029. Altkanzler Scholz zeigte bereits, dass der Bundeshaushalt ein Sprungbrett ins Kanzleramt sein kann. Trotz parteiinterner Kritik wirkt Klingbeils Strategie erfolgreich. Im aktuellen Ranking des Insa-Instituts für die "Bild"-Zeitung belegt der Neu-Finanzminister schon Platz zwei – hinter Boris Pistorius.