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BMW: „Das vollautomatische Auto haben wir frühestens in 20 Jahren“

Lesezeit: 7 min
27.04.2015 12:59
Die Entwickler von BMW zeigen sich skeptisch, was die Entwicklung von vollautomatischen Autos betrifft. Es gibt kaum eindeutige Situationen im Straßenverkehr. Daher sind Rechts-Streitigkeiten unausweichlich. Um diese zu führen, müsse die Gesellschaft einen Konsens entwickeln, wann der Fahrer für einen Fehler verantwortlich gemacht werden soll und wann die Technik.
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Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Wenn die Autos denn dürften wie sie schon könnten- wie selbstständig würden Fahrzeuge heute bereits fahren?

Werner Huber: Wir proben heute bereits komplett autonom fahrende Technik, allerdings immer unter Beobachtung eines Testfahrers, um rechtlich auf der sicheren Seite zu sein. Das ist allerdings noch Forschung. In Serie sind wir teilautomatisiert, vor allem im Stau kann das Auto bereits komplett die Steuerung übernehmen – aber auch da muss der Fahrer bisher weiter auf das Auto aufpassen. Die nächste Stufe wird sein, das Lenken, Bremsen und Gas gegeben so zu automatisieren, dass der Fahrer das Auto gar nicht mehr kontrollieren muss und seine Fahrzeit für andere Dinge nutzen kann.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Diese Idee verfolgen ja auch immer mehr IT-Unternehmen und drängen wie Google und Apple in den Auto-Markt: Ist das mehr Inspiration oder Bedrohung?

Werner Huber: Wenn Google mit seinem kürzlich vorgestellten Fahrzeugkonzept in der Vorstadt herumfährt ist das natürlich durchaus von der Herangehensweise interessant, allerdings nicht aus einer Autobauer-Perspektive, Autos bringen wir schon seit Jahrzehnten auf die Straße, da nehmen wir als old economy in Anspruch, das auch besser zu können. Dennoch zeigen die IT-Unternehmen mit ihrem technologischen Know How und ihrer ganz anderen Herangehensweise neue Wege auf, wie man denken kann. Das erkennen wir hoch an, zumal wir selbst seit Jahren den Software-Bereich stärken und IT-Prozesse in die Firma holen. Das wird in Zukunft noch viel stärker. Autonomes Fahren ist ganz klar ein Software-Projekt, daher müssen wir von den Software-Experten lernen, um aus einem guten Auto einen rollenden Roboter zu machen.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Was ist bei der nächsten Stufe der Automatisierung die größte Herausforderung?

Werner Huber: Das Auto war immer so gebaut, dem Fahrer zu dienen. Assistenzsysteme von Einparkhilfen bis zur Servolenkung basierten bisher immer darauf, dass über allen Systemen der Fahrer als Kontrollinstanz steht. Jetzt fällt diese Rückfallebene komplett weg und das heißt vor allem: Das Auto muss in der Lage sein, sein eigenes Fehlverhalten, seine eigenen Betriebsgrenzen, seine eigenen technologischen Fähigkeiten zu kennen und genau einschätzen können, ob es noch in der Lage ist eine Situation zu kontrollieren oder nicht. Momentan führt die Automatisierung nämlich dazu, dass wir aus Sicherheitsgründen vieles doppelt ausführen müssen, damit es automatisch und manuell funktioniert: Gibt es beispielsweise ein Problem mit der Lenkautomatik, muss das Auto trotzdem steuerbar sein, das geht zum Beispiel indem man die entsprechenden Räder auf einer Seite bremst und so das Fahrzeug auch ohne Lenkrad manövriert. Priorität ist es, wenn etwas ausfällt, immer trotzdem in einen sicheren Zustand zurück zu kommen, und sei es durch Halten am Straßenrand - eine sichere Übergabe an den Fahrer muss immer gewährleistet sein.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Doppelte Böden einbauen klingt, als könne man der Maschine allein doch noch nicht ganz vertrauen: Die aktuelle Diskussion um die bereits weitgehend automatisierte Flugbranche zeigt, Menschen vertrauen einem Menschen trotz aller Unberechenbarkeiten immer noch mehr als einer Maschine. Was müsste passieren um das zu ändern?

Werner Huber: Vertrauen in die Automatisierung erlangt man nur durch eine schrittweise Einführung. Wir starten mit vermeintlich einfachen Funktionen in beherrschbaren Situationen, also etwa Stauszenarien auf der Autobahn, da ist die Dynamik niedrig, alle fahren in die gleiche Richtung, es gibt keine Kreuzungen und keine Fußgänger. Bei so einem Stop-and-Go-Szenario bis 60 km/h sind wir inzwischen so sicher automatisiert, dass wir keinen Fahrer mehr brauchen, der eingreifen muss. Hier ist im Gegenteil die Maschine im Vorteil, da sie bei monotonen Situationen nicht die Aufmerksamkeit verliert und etwa einschläft oder sich ablenken lässt. In Situationen, die darüber hinaus gehen, erfolgt dann eine Übergabe an den Fahrer. Das ist ein Einstieg, der ein Automatisierungsvertrauen schafft. Der Kunde lernt dabei: Einen Teil macht das Auto, einen Teil macht der Fahrer. Ganz wichtig bleibt dabei auch im Automatikmodus aber die Möglichkeit für den Fahrer, zu übernehmen. Auch das schafft Vertrauen, das wir brauchen, um den Kunden zu überzeugen.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Wenn der Fahrer sich entscheiden kann, nicht zu fahren – kann er dann immer noch Schuld sein, wenn es zu einem Unfall kommt?

Werner Huber: Das ist eine sehr schwierige, aber berechtigte Frage, und wir müssen noch vor dem ersten Unfall wissen, wie wir mit ihr umgehen. Als Hersteller haftet man natürlich immer für fehlerhafte Produkte. Aber darüber hinaus müssen wir zunächst einmal Technologien entwickeln, die zulassungsfähig sind. Danach kommt das Verhaltensrecht: Schuld ist, wer gegen die Regeln verstößt. Wer das alles sein könnte und welche Antworten es gibt, das klären wir derzeit in verschiedenen Arbeitskreisen.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Versicherer haben als Antwort die Programmierer ins Spiel gebracht: Könnten die Software-Entwickler bei Unfällen mit hochautomatisierten Autos haften?

Werner Huber: Wenn dieser Fall eintritt, dann wird kein Entwickler ein automatisches Fahrzeug je zur Zulassung geben und das Thema autonomes Fahren wird sich sofort von selbst erledigen.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Wenn die Entwickler aber nicht haftbar sind, und die Fahrer ebenso wenig - wer bleibt übrig?

Werner Huber: Übrig bleibt eine Gesellschaft, die etwa einen Fonds gründen müsste, aus dem Schäden bezahlt werden. Das könnte ähnlich funktionieren wie heutige Versicherungsfonds für Impfschäden: Impfen ist für die Gesellschaft grundsätzlich von Vorteil, daher bezahlt sie den einen Impfschaden, der unter hunderttausend Fällen auftritt in der Regel aus einem entsprechenden Fond, den die betroffene Branche für solche Fälle eigens gegründet hat. Das ist noch nicht ausdiskutiert, aber in diese Richtung könnte man denken. Es kann jedenfalls nicht sein, dass die negativen Folgen der Automatisierung auf den Entwickler abgeschoben werden, die positiven Wirkungen aber, also die allgemein erhöhte Sicherheit im Verkehr, gerade von den Versicherern einfach so einkassiert werden.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Es könnte auch so aussehen, dass die Automatisierung das Fahren nur bequemer macht, auf Kosten der Sicherheit.

Werner Huber: Das darf natürlich nicht passieren. Es ist jedoch denkbar, dass eine neue Art von Unfällen entsteht, wo eine Situation, die ein Fahrer ganz gut im Griff gehabt hätte, von einem automatisierten Fahrzeug falsch interpretiert wird und es dadurch zum Unfall kommt. Aber unser derzeitiges Nutz-Szenario macht den Verkehr immer sicherer: Im Stau beispielsweise funktioniert die Automatisierung im Gegensatz zum Fahrer sicher. Das Auto kann die Situation beherrschen. In der gleichen Situation passiert es bei Fahrern immer mal, dass sie unaufmerksam werden, dass sie nicht aufpassen, falsch bremsen, beim Stop-and -Go einschlafen, all das kann dem Roboter nicht passieren. Auch der Sekundäreffekt für die Sicherheit ist enorm: Das automatisierte Auto ist voll mit Sensoren und Technik. All diese Warnsysteme helfen ja auch dann, wenn sie nicht vollautomatisch fahren. Eine 360 Grad Rundum-Erfassung des Fahrzeugs etwa kann immer unterstützend wirken, und etwa Unfallrisiken durch ansonsten tote Winkel senken.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Es gab kürzlich so einen spektakulären Fall, ein BMW-Erlkönig mit Kamera-basiertem Assistenz-System krachte in einen Polizeibus, angeblich weil er das Blaulicht nicht erkannte – wer war denn da schuld?

Werner Huber: Da war natürlich der Fahrer schuld, denn bei den Assistenzsystemen ist ja immer der Fahrer schuld. Deswegen heißt es Assistenz- und nicht Kontrollsystem: Man darf sich nie auf den Assistenten verlassen. Genau das ist der Unterschied: Assistenz muss nicht alles können, Automatik schon, da reicht es auch nicht mehr, nur 95 Prozent der Szenarien zu beherrschen. Um das zu gewährleisten finden wir derzeit neue Methoden.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Kann die Automatik heute denn beispielsweise ein Blaulicht an einer Kreuzung erkennen und darauf reagieren?

Werner Huber: Heute noch nicht, bisher programmieren wir nur Situationen für die Autobahn. An der Kreuzung die Polizei zu erkennen war bisher noch nicht in der Anforderungsliste für die Entwickler. Auf der Autobahn gib es keine Kreuzungen, sondern Einfädelspuren.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Es gibt auch gefährliche Verkehrs-Situationen, die von Fahrern keine logische, sondern eine ethische Entscheidung verlangen: Weiche ich dem Fahrradfahrer aus, aber krache dadurch womöglich in den Fußgänger, oder bremse ich - und gefährde damit den Fahrer selbst oder seinen Hintermann – wie kann eine Maschine solche Entscheidungen treffen?

Werner Huber: Nach dem ersten Gesetz der Roboter-Ethik beschützt der Roboter immer zunächst seinen Eigentümer. Wenn er sich darüber hinaus entscheiden muss, wen er schädigt, ist das eine Frage der Regeln, die ich ihm mitgebe. Diese Regeln brauchen gesellschaftliche Bewertungsmaßstäbe und diese wiederum Messdaten. Hat der Radler zum Beispiel einen Helm auf, und damit höhere Überlebenschancen, oder ist der Fußgänger schon älter und der Radfahrer ein Kind – das sind schwierige aber berechtigte Fragen, die sich die Gesellschaft stellen muss. Ich würde dieses Maßstab-System nicht aufbauen wollen, ehrlich gesagt. Aber wenn wir eine solche Situation programmieren wollen, werden wir am Ende nicht darum herum kommen, Kriterien zu schaffen. Das ist ein altes Problem, das auch die Ärzte bei großen Katastrophen haben – wer wird als erstes versorgt? Wer als erstes gefunden wird oder wer die größten Überlebenschancen hat? Solche Entscheidungen werden tagtäglich getroffen. Wenn wir so ein Punktesystem nicht wollen oder keine Bewertung vornehmen können, dann könnten wir uns auch entscheiden, gar keine Regeln mitzugeben und die Entscheidungen dem Zufallsgenerator überlassen – das Auto weicht dann einmal nach links aus, im nächsten Fall vielleicht nach rechts.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Stellen sich diese Fragen bei der Programmierung im Moment?

Werner Huber: Das wird derzeit noch nicht programmiert, weil wir auch die Infos dazu schlicht noch nicht haben. Noch können wir beispielsweise nicht erkennen, welcher Radler einen Helm trägt oder nicht. Irgendwann werden wir es aber erkennen können, dann könnte es auch zum Entscheidungskriterium werden. Solche strategischen Fragen werden aber erst auf den höheren Ebenen der Software-Entwicklung programmiert. Zunächst muss man mit diesem Thema auf gesellschaftlicher Ebene umgehen. Für das hoch automatisierte Fahren gibt es genau aus den bisher genannten wichtigen Gründen auch eine Arbeitsgruppe beim VDA, in der diverse Automobilhersteller vertreten sind, um unter anderem auch die ethischen Fragen zu diskutieren. Denn dieses Thema betrifft nicht nur einen Hersteller, sondern alle zusammen.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Für wen werden diese automatischen Autos gebaut? Bleiben sie ein Luxus für gut betuchte ältere Kunden?

Werner Huber: Wir wollen derzeit kein Modell, mit dem man nur noch automatisch fahren kann. Wir wollen da eine Funktion anbieten die jeder brauchen kann: Derzeit ist jeder, der Autobahn fährt, ein potentieller Kunde für automatisiertes Fahren. Wer auf die Autobahn fährt, drückt künftig einen Knopf, und dann fährt der BMW ihn, und wenn er wieder auf den Knopf drückt, fährt er wieder seinen BMW. Der Fahrer soll selbst wählen können, ob er automatisch fährt, dabei vielleicht etwas länger braucht weil die Geschwindigkeit nicht über 130 km/h steigt, aber dafür die Fahrzeit sinnvoll nutzen kann, indem er während der Fahrt seine Präsentation vorbereiten kann, seine Emails checken oder Kaffee trinken. Oder ob er lieber mit 160 km/h fahren will, um schneller anzukommen, sich dafür aber auch komplett auf die Fahraufgaben konzentrieren muss.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Bis wann kommt der Knopf, mit dem das Auto auch in der Stadt übernimmt?

Werner Huber: Bis das Auto uns komplett vollautomatisiert durch die Stadt fährt, mit allem drum und dran, den Fahrer an seinem Ziel absetzt und dann allein einen Parkplatz sucht – das dauert schätzungsweise noch 20 Jahre.

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