Politik

Erdogan tobt: Türkei droht Russland offen mit Krieg

Lesezeit: 3 min
15.02.2016 15:53
Die Türkei hat Russland indirekt als Terror-Organisation bezeichnet und mit militärischen Angriffen gegen russische Einheiten in Syrien gedroht. Das Problem der Türkei: Die Russen sind im Kampf gegen den Terror nicht mit markigen Sprüchen zu bezwingen. Die von Russen und Amerikanern unterstützten Kurden operieren offenbar ebenfalls entschlossen und erfolgreich.
Erdogan tobt: Türkei droht Russland offen mit Krieg

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoglu schickte am Montag einige markige Worte in Richtung Moskau. Er sagte, sollte sich „Russland weiter wie eine Terrororganisation verhalten und Zivilisten zur Flucht zwingen, werden wir eine extrem entschlossene Antwort geben“. Das berichtet die AFP. Russland und „andere Terrororganisationen“ verübten „zahlreiche Verbrechen gegen die Menschlichkeit“. Davutoglu warnte zudem, die Türkei werde nicht zulassen, dass die kurdischen Milizen die Stadt Azaz im Nordosten Syriens erobern. „Wir werden Azaz nicht fallen lassen“, sagte Davutoglu laut dem Sender NTV. „Die YPG werden nicht den Euphrat nach Westen überschreiten können und nicht östlich von Afrin (vorrücken).“

Russland konterte verbal eher routiniert und warf der Türkei ihrerseits wegen ihrer Angriffe auf kurdische Rebellenmilizen und syrische Regierungstruppen Unterstützung des „internationalen Terrorismus“ vor.

Das Problem der Türkei: Die Regierung Erdogan wird die Russen nicht mit markigen Sprüchen stoppen können. Die Zeitfenster für einen türkischen Einmarschg schließt sich nämlich rasch. Der türkische Verteidigungsminister Ismet Yilmaz hatte am Sonntag gesagt, dass die Türkei Stellungen der Kurden-Milizen der YPG in Syrien weiterhin im Rahmen der Rules of Engagement (RoE) beschießen werde.

Doch ein Einmarsch komme nicht in Frage, zitiert die BBC Yilmaz. Die regierungsnahe türkische Zeitung Takvim berichtete in ihrer Printausgabe am Montag, dass am Wochenende 90 türkische Elite-Soldaten vorübergehend in Syrien einmarschiert seien, um eine Operation gegen die Kurden-Miliz der YPG durchzuführen. Dabei seien etwa 315 YPG-Milizkämpfer getötet worden, so die Online-Zeitung T24. Damit würden sich die Angaben der Syrer bestätigen: Die Regierung in Damaskus hatte zuvor gemeldet, dass etwa 100 türkische Kämpfer am Samstag mit schwerer Bewaffnung in Syrien eingedrungen sein sollen.

Militärisch haben die türkischen Angriffe bisher offenbar nichts gebracht: Trotz Artilleriebeschuss rückten die Kurden in der Provinz Aleppo weiter vor. Die Kurden-Milizen in Syrien stehen nach Informationen der Nachrichtenagentur Anadolu kurz davor, in die Rebellenhochburg Tal Rifaat einzudringen, die etwa 20 Kilometer von der Grenze zur Türkei entfernt liegt. Die Türkei möchte die Eroberung der Städte Tal Rifaat und Azaz verhindern, um einem kurdischen Korridor entlang ihrer Grenzen vorzubeugen. „Die Elemente der YPG wurden gezwungen, die Gegen um Azaz zu verlassen. Wenn sie es nochmal versuchen sollten, dort einzudringen, werden sie die härteste Reaktion erhalten. Wir werden es nicht zulassen, dass Azaz fällt“, zitiert The Daily Sabah den türkischen Premier Ahmet Davutoğlu.

Al-Masdar News berichtet, dass die Eroberung von Tal Rifaat durch die Kurden-Milizen den automatischen Verlust von Azaz nach sich ziehen würde, da Tal Rifaat einen direkten Zugang nach Azaz hat. Über die Autobahn sind es von Tal Rifaat nach Azaz lediglich 15,8 Kilometer weit, die mit dem Auto in 21 Minuten zurückgelegt werden können. Der Führer der Kurden in Nordsyrien, Salih Muslim, sagt, dass die Türkei nicht das Recht habe, sich in die inneren Angelegenheiten Syriens einzumischen.

Die syrische Armee (SAA) bereitet eine Großoffensive auf das Viertel Layramoun in Aleppo vor, so Al-Masdar News. Layramoun befindet sich derzeit unter der Kontrolle der Rebellen. Das Viertel galt vor dem Konflikt als Industriegebiet mit zahlreichen Fabriken. Die SAA bisher hat mit russischer Luftunterstützung die gesamte Küstenregion Syriens zurückerobert. Ein Zugang der Rebellen zum östlichen Mittelmeer ist damit nicht mehr möglich. Aktuell arbeitet die SAA darauf hin, die Rebellen von den Versorgungswegen aus der Türkei abzuschneiden.

Interessant ist in diesem Zusammenhang die Einschätzung des von der US-Regierung finanzierten Washington Institute for Near East Policy. Dessen Direktor Soner Çağaptay, sagte Voice of America, dass sich die Türkei mit dem Abschuss eines russischen Jets einen schweren militärischen Nachteil eingehandelt habe: „Insgesamt können wir festhalten, dass die Türkei durch den Abschuss des Jets mehr verloren als gewonnen hat (…) Früher konnte die Türkei bestimmte Rebellengruppen sehr leicht unterstützen und sie sogar per Luft versorgen. Doch nun ist es unmöglich, nur einen einzigen türkischen Jet im syrischen Luftraum auszumachen. Faktisch gesehen hat Russland eine Flugverbotszone in Syrien eingerichtet, die die Türkei zuvor immer gefordert hatte. Allerdings richtet sich diese Flugverbotszone explizit gegen die Türkei. Das ist wohl der größte Verlust für die Türkei.“

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat in diesem Zusammenhang eine Geste in Richtung der Türkei gesandt: In einem Interview mit der Stuttgarter Zeitung sagte Merkel: „In der jetzigen Situation wäre es hilfreich, wenn es dort ein Gebiet gäbe, auf das keine der Kriegsparteien Angriffe fliegt - also eine Art Flugverbotszone. Wenn es gelänge, zwischen der Anti-Assad-Koalition und den Assad-Unterstützern eine solche Vereinbarung zu treffen, wäre das hilfreich.“ Bisher hatte die Bundesregierung von der Türkei geforderte Schutzzonen für Flüchtlinge in Syrien abgelehnt. Merkel unterstützt die Türkei, weil sie hofft, dass die Regierung von Erdogan für die EU das Flüchtlingsproblem löst.


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Die Edelmetallmärkte

Wegen der unkontrollierten Staats- und Unternehmensfinanzierung durch die Zentralbanken im Schatten der Corona-Krise sind derzeitig...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Bürokratieabbau: Ministerin fordert mehr Widerstandsfähigkeit und Effizienz
26.04.2024

Rheinland-Pfalz ist ein mittelständisch geprägtes Land. Gerade kleinere Betriebe hadern mit zu viel bürokratischem Aufwand.

DWN
Politik
Politik Hybride Bedrohungen: Drohnen-Flüge und psychologische Kriegsführung
26.04.2024

Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius hat eindringlich vor hybriden Bedrohungen in Deutschland gewarnt. Gegen den Einsatz von...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Gallup-Studie: Globale Führungsbewertung 2024 - wie Deutschland unter Großmächten abschneidet
26.04.2024

Die Gallup-Studie 2024 zeigt die Stabilität und Herausforderungen in der globalen Führungsbewertung für Länder wie USA, Deutschland,...

DWN
Politik
Politik Habeck kontert Kritiker: „Energiekrise gemeistert und Strompreise gesenkt“
26.04.2024

Nach Kritik an Atomausstieg: Habeck und Lemke bestätigen, die Energieversorgung sei gesichert und nukleare Sicherheit gewährleistet.

DWN
Immobilien
Immobilien Commerzbank-Studie: Immobilienpreise könnten weiter fallen
26.04.2024

Deutsche Wohnimmobilien verlieren weiter an Wert. Die Commerzbank sieht ein Abwärtspotenzial von 5 bis 10 Prozent, abhängig von...

DWN
Technologie
Technologie Künstliche Intelligenz: Wie sich Deutschland im internationalen Rennen positioniert
26.04.2024

Die Deutsche Industrie macht Tempo bei der KI-Entwicklung. Das geht aus einer kürzlich veröffentlichten Analyse des Deutschen Patent- und...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Tarifrunde der Chemieindustrie: Gewerkschaft fordert mehr Lohn
26.04.2024

Im Tarifstreit in Ostdeutschlands Chemieindustrie fordert die Gewerkschaft IG BCE eine Lohnerhöhung von 7 Prozent. Arbeitgeber warnen vor...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Automesse China 2024: Deutsche Autohersteller im Preiskrieg mit BYD, Xiaomi und Co.
25.04.2024

Bei der Automesse in China steht der eskalierende Preiskrieg bei Elektroautos im Vordergrund. Mit hohen Rabatten kämpfen die Hersteller...