Politik

Zwangslizenzen: EU hebelt den Patentschutz im Namen der Sicherheit aus

Die EU will künftig zentral über die Vergabe von Zwangslizenzen entscheiden – ein tiefer Eingriff in das Patentrecht, der die Pharmaindustrie aufschreckt. Droht Europa eine Investitionsflaute?
23.06.2025 16:03
Lesezeit: 1 min
Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..
Zwangslizenzen: EU hebelt den Patentschutz im Namen der Sicherheit aus
Mit Zwangslizenzen will Brüssel künftig europaweit Zugriff auf Patente in Krisenzeiten zentral steuern. (Foto:dpa) Foto: Marek Majewsky

EU will Zwangslizenzen für Schlüsselprodukte zentral steuern

Die Europäische Union plant einen weitreichenden Eingriff in den Patentschutz, um in künftigen Krisen die Versorgung mit kritischen Produkten sicherzustellen. Eine entsprechende Verordnung, die das bisher auf nationaler Ebene geregelte Zwangslizenzsystem zentralisiert, wurde politisch bereits abgestimmt. Die endgültige Bestätigung steht jedoch noch aus.

Zwangslizenzen erlauben die Nutzung von Patenten ohne Zustimmung der Rechteinhaber – etwa bei Engpässen von Medikamenten oder Ausrüstung. Während der Corona-Pandemie war ein internationaler Streit über Patentlockerungen entbrannt. Besonders Deutschland hatte sich damals gegen die Freigabe von Impfstoffpatenten gesperrt.

Industrie will Entschädigungen sichern

Die EU will sich mit dem neuen Gesetz besser auf grenzüberschreitende Krisen vorbereiten. Anders als beim vorübergehenden Patentschutzverzicht im Pandemiekontext bleiben bei Zwangslizenzen Entschädigungen für die Inhaber bestehen. Diese sollen den wirtschaftlichen Wert und den sozialen Nutzen berücksichtigen.

Die Pharmaindustrie sieht den Vorstoß dennoch kritisch. Zwangslizenzen dürften nur das letzte Mittel sein, so der europäische Verband EFPIA. Freiwillige Vereinbarungen zwischen Rechteinhabern und Herstellern hätten Vorrang. Die EU betont, dass Produkte wie Gas, Chips oder Rüstungsgüter vom Gesetz ausgenommen bleiben.

Zentrale Vergabe über Brüssel

Künftig könnte die Kommission Zwangslizenzen EU-weit erteilen, sobald ein Notstand festgestellt wird. Die Verhandlungen darüber liefen zuletzt im sogenannten Trilog zwischen Parlament, Rat und Kommission. Die Details sind bislang nicht vollständig öffentlich.

Umstritten bleibt insbesondere die Entschädigungshöhe. Ein ursprünglich vorgesehener Deckel von vier Prozent des Umsatzes wurde gestrichen. Stattdessen soll die Kommission die Zahlungen je nach Krisensituation flexibel festlegen.

Bedenken aus der Pharma-Branche

Die Industrie fürchtet negative Folgen für Europas Innovationsklima. Zwangslizenzen könnten zu Handelskonflikten und Investitionsunsicherheit führen, warnen Pharmaunternehmen. Laut EFPIA erschwert insbesondere die unklare Definition von Notfällen die Planbarkeit.

Während der Pandemie hätten über 300 freiwillige Produktionspartnerschaften bewiesen, dass Kooperation besser funktioniere als staatliche Eingriffe, argumentiert die Branche. Die Gefahr: Eine zu geringe Entschädigung könnte Forschung und Entwicklung künftig unattraktiver machen.

Bedeutung für Deutschland

Auch Deutschland ist als bedeutender Pharmastandort direkt betroffen. Die hiesige Industrie befürchtet, dass eine übergriffige Zwangslizenzregelung das Investitionsklima verschlechtert – zumal gerade deutsche Unternehmen während der Pandemie bei Impfstoffentwicklungen führend waren. Die Debatte über den Patentschutz zeigt, wie sehr wirtschaftliche Souveränität und Krisenvorsorge in der EU künftig miteinander ringen.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Turbojet-Drohne: Polen präsentiert universelle Technologieplattform
06.09.2025

Polen präsentiert die Turbojet-Drohne – eine universelle Technologieplattform für Militär und Zivil. Für Deutschland stellt sich die...

DWN
Panorama
Panorama Boot kaufen: Was Sie dabei unbedingt beachten sollten
06.09.2025

Mit einer frischen Meeresbrise im Gesicht das eigene Boot über die Wellen zu steuern, ist für viele Menschen ein Traum – doch dieser...

DWN
Immobilien
Immobilien Indexmiete: Eine gute Wahl?
06.09.2025

Wenn Mieter einen neuen Vertrag unterschreiben, fällt ihnen vielleicht ein ganz spezielles Wort im der Vertragsüberschrift auf: der...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Grönländischer Schlamm: Vom Zufallsfund zum Milliardenprojekt
06.09.2025

Grönländischer Schlamm soll Ernten steigern und CO2 binden. Investoren wittern Milliardenpotenzial – und Deutschland könnte davon...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Verarbeitete Lebensmittel: Wie Konzerne Gesundheitsrisiken herunterspielen
06.09.2025

Coca-Cola, Kraft und Mondelez gewinnen einen Prozess zu verarbeiteten Lebensmitteln. Doch Studien zeigen deutliche Gesundheitsgefahren –...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Russland und China üben Druck aus – NASA plant Mond-Reaktor bis 2030
06.09.2025

Die NASA will bis 2030 einen Mond-Reaktor bauen – im Wettlauf mit China und Russland. Hinter der Technik stehen geopolitische...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Strengere Homeoffice-Regeln: Eine Bank geht den entgegengesetzten Weg
06.09.2025

Während viele Banken strengere Homeoffice-Regeln einführen, setzt eine Bank auf maximale Flexibilität – ein Modell, das auch für...

DWN
Unternehmensporträt
Unternehmensporträt Zeigt her eure Schuhe! Wie die Heute Maschinenfabrik im 21. Jahrhundert erfolgreich bleibt
05.09.2025

Die Schuhputzgeräte der Heute Maschinenfabrik mit rotierenden Bürsten sind weltweit im Einsatz. Im Laufe der über 100jährigen...