Politik

Neuwahl in Österreich: Innenminister will OSZE-Beobachter einsetzen

Österreich will sich mit einem Mittel helfen, mit dem in den jungen Demokratien Osteuropas oder in Staaten Lateinamerikas oder Afrikas die Sicherheit von Wahlen gewährleistet werden soll: Wahlbeobachter der OSZE sollen den Wahlhelfern bei der Wiederholung der Bundespräsidentenwahl auf die Finger schauen.
02.07.2016 17:32
Lesezeit: 2 min

Innenminister Wolfgang Sobotka will nun zusammen mit Außenminister Sebastian Kurz (beide ÖVP) dafür sorgen, dass in den Bezirken, die Fehler gemacht hatten, Wahlbeobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) eingesetzt werden. Ob es in den Behörden personelle Konsequenzen geben werde, sei noch unklar, meinte Sobotka.

Der früheren Außenminister Peter Jankowitsch bezeichnet diese Idee in der Kronen-Zeitung "als eine ziemliche Fehleinschätzung". Dieses Instrument sei für junge Demokratien in Osteuropa gedacht gewesen, sagte Jankowitsch. Auch für Abstimmungen oder Wahlen in instabilen Regionen in Lateinamerika oder in Afrika hatten diese Missionen einen Sinn, so Jankowitsch, der vor einem Vierteljahrhundert selbst als Wahlbeobachter unter anderem in Chile, Nicaragua oder in Namibia im Einsatz war.

Bundeskanzler Kern hält den Einsatz von OSZE-Beobachtern auch für keine gute Idee, weil er der Reputation der Republik schaden würde. Kern zur Kronen-Zeitung: "Es geht jetzt um den Ruf unseres Landes. Es sind Formfehler passiert. Aber es ist gut, dass der Verfassungsgerichtshof in seiner Entscheidung und in seinen Empfehlungen so klar war. Auf diese formalen Aspekte werden wir reagieren. Wir werden die eigenen Ansprüche penibel umsetzen. Denn es geht jetzt um die Reputation der Republik Österreich in der Welt."

Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hob am Freitag in einem bisher einmaligen Vorgang die Stichwahl vom 22. Mai wegen zahlreicher formaler Fehler auf. Damit kommt es im Herbst zu einem erneuten Duell zwischen dem von den Grünen unterstützten Alexander Van der Bellen und dem FPÖ-Kandidaten Norbert Hofer.

Der Vorgang dürfte EU-weit einmalig sein. Es ist kein Fall bekannt, in dem eine landesweite Wahl in einem EU-Mitgliedsstaat wegen Unregelmäßigkeiten wiederholt werden musste. Das Urteil diene dem Ziel, «das Vertrauen in unseren Rechtsstaat und damit in unsere Demokratie zu stärken», sagte VfGH-Präsident Gerhart Holzinger.

Bei der Auszählung der Stimmen der Briefwähler war es Holzinger zufolge zwar nicht zu einem Wahlbetrug gekommen, aber Vorgänge wie das vorzeitige Öffnen und vorschriftswidrige Lagern der Kuverts sowie das teilweise Auszählen durch Unbefugte seien Grund genug für eine Neuauflage. Das Wahlgesetz sei streng auszulegen.

Die Amtsgeschäfte von Bundespräsident Heinz Fischer, der am 8. Juli aus dem Amt scheidet, übernimmt bis zur Neuwahl das Präsidium des österreichischen Parlaments, des Nationalrats. Zu diesem Präsidium gehört auch FPÖ-Kandidat Hofer.

FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache spricht von einem «heilsamen Schock». Grund für Jubel gebe es aber trotzdem nicht. Nur weil keine Manipulationen der Stimmen festgestellt wurden, heiße es nicht, dass es keine gegeben habe.

FPÖ-Kandidat Hofer war nach der Auszählung der Briefwahlstimmen Van der Bellen nur um 31 000 Stimmen unterlegen. Es war das knappste Wahlergebnis in der Geschichte der Alpenrepublik. Die FPÖ hatte das Ergebnis Anfang Juni angefochten und Unregelmäßigkeiten in 94 der 117 Wahlbezirken moniert.

Nun starten beide Lager erneut in den Wahlkampf: Van der Bellen zeigte sich bereits siegessicher. «Wenn ich es einmal geschafft habe, kann ich es auch ein zweites Mal schaffen», so der 72-jährige Wirtschaftsprofessor. Bei der Finanzierung setze er auf private Spenden. Auch die FPÖ habe sich bereits vorbereitet: «Aber wir wollen die österreichische Bevölkerung nicht mit einem Dauerwahlkampf plagen», sagte FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl.

Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) erklärte, man dürfe die Situation nicht überbewerten. Die Anfechtung der FPÖ nahm er in Schutz. Es wäre «grundfalsch, denjenigen, der auf den Missstand aufmerksam macht, Schuld zuzusprechen».

Bundespräsident Fischer, der zwölf Jahre an der Spitze Österreichs gestanden hat, lobte die Richter. «Die Demokratie hat eine Bewährungsprobe bestanden.» Er sei stolz auf die Entscheidung. Die Neuauflage der Wahl wird den Steuerzahler laut Innenministerium rund zehn Millionen Euro kosten. Der Urnengang werde vermutlich Ende September oder Anfang Oktober stattfinden. Die Regierung will kommende Woche darüber beraten.

Zur Klärung der FPÖ-Vorwürfe hatte der VfGH an mehreren Verhandlungstagen 67 Zeugen aus den Wahlbezirken angehört. Zahlreiche Wahl-Verantwortliche räumten bei Befragungen Regelverstöße bei der Auszählung der Briefwahlstimmen ein. Demnach wurden etliche Vorschriften verletzt.

Das Gericht untersagte auch die vorzeitige bundesweite Weitergabe von Teilergebnissen der Bundespräsidenten-Stichwahl an Medien und Forschungsinstitute. Dieser Vorgang sei einer der Gründe für die bundesweite Aufhebung der Stichwahl, sagte Holzinger. «Diese Veröffentlichung verstößt gegen den Grundsatz der Freiheit der Wahl», so der Präsident. Es sei nicht ausgeschlossen, dass die Weitergabe an ausgewählte Empfänger von Einfluss auf das Ergebnis sein konnte.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Geldanlage: Mit einem Fondsdepot mehr aus dem eigenen Geld machen

Wer vor zehn Jahren 50.000 Euro in den Weltaktienindex investiert hat, kann sich heute über mehr als 250.000 Euro freuen! Mit der...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Spotify: Musikstreaming-Anbieter legt starke Zahlen vor - Aktie im Aufwind
04.02.2025

Spotify hat für das vierte Quartal im letzten Jahr starke Zahlen vorgelegt und kann immer mehr Nutzer von seinem Angebot überzeugen -...

DWN
Immobilien
Immobilien Anmeldung einer Wohnung: Die Krux des Meldewesens und wie Vermieter am Immobilienmarkt herumtricksen
04.02.2025

Es gibt eine neue Initiative namens „Anmeldung für alle“, die das polizeiliche Meldewesen als letzte Hürde des ungebremsten Zuzugs,...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Rheinmetall-Aktie nach Großauftrag mit Auf und Ab an der Börse
04.02.2025

Die Bundeswehr beschert dem Rüstungskonzern Rheinmetall einen Großauftrag in Milliardenhöhe. An der Börse ist mächtig Bewegung drin....

DWN
Politik
Politik Erste Wahlumfrage nach Migrationsdebatte: So schneidet CDU/CSU ab
04.02.2025

Die CDU/CSU ist mit der gemeinsamen Abstimmung mit der AfD im Bundestag hohes Risiko gefahren. Doch wie macht sich das in der Wählergunst...

DWN
Finanzen
Finanzen Wall-Street-Analyse: Börsenprofis ziehen Parallelen zum Platzen der Dotcom-Blase
04.02.2025

Das effizientere KI-Modell des chinesischen Start-ups DeepSeek hat vergangene Woche hoch bewertete KI- und Technologieaktien erschüttert....

DWN
Panorama
Panorama Altkanzler Schröder mit Burnout in Klinik
04.02.2025

Altkanzler Gerhard Schröder hat sich zur Behandlung eines schweren psychischen Leidens in klinische Behandlung begeben. Laut seinem Arzt...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Darum verkauften Brauereien 2024 so wenig Bier wie noch nie
04.02.2025

Der langfristige Rückgang des Bierkonsums in Deutschland setzte sich auch im vergangenen Jahr fort – trotz der...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Fachkräftemangel in Deutschland: Babyboomer gehen in Rente - wie füllen wir die Lücke?
04.02.2025

Die deutsche Wirtschaft hat viele hausgemachte Probleme, aber ein großes Problem kommt unausweichlich auch auf das Land zu - die...