Der deutsche Pharmakonzern Bayer möchte für insgesamt 66 Milliarden Dollar den amerikanischen Saatguthersteller Monsanto übernehmen. 128 Dollar ist Bayer dabei jede Monsanto-Aktie wert. Die Übernahme bietet Bayer eine Reihe von Chancen, beinhaltet aber auch große Risiken.
Die beginnt bereits mit dem Übernahmeziel, welches in der Öffentlichkeit über keinen guten Ruf verfügt. Kein anderes Unternehmen in der Branche hat ein derart schlechtes Image. Wegen seiner aggressiven Geschäftspraktiken, seiner gentechnisch veränderten Produkte und des umstrittenen Pflanzenschutzmittels Glyphosat steht das US-Unternehmen seit Jahren in der Kritik. Die rechtlichen Risiken Monsantos seien Bayer „bekannt und bewusst“, sagte der Vorstandsvorsitzende Werner Baumann nach Ankündigung des Übernahmeversuchs.
Zudem würde die Verschuldung Bayers im Falle einer erfolgreichen Übernahme markant ansteigen. Ein Bankenkonsortium bestehend aus Bank of America, Credit Suisse, Goldman Sachs, HSBC und JPMorgan soll offenbar Brückenkredite im Gesamtvolumen von 57 Milliarden Dollar bereitstellen. Die Nettoverschuldung, die Ende des ersten Quartals bei etwa 16,3 Milliarden Euro lag, würde wahrscheinlich auf über 70 Milliarden Dollar ansteigen. Hinzu kämen noch die offenen Pensionslasten des Konzerns von derzeit 13,3 Milliarden Euro, wie das Finance Magazin in einem Artikel schreibt.
Notwendig ist außerdem eine massive Kapitalerhöhung im Umfang von 19 Milliarden Dollar – eine der größten Kapitalerhöhungen, die es in Deutschland je gegeben hat. Sie entspräche etwa einem Viertel der aktuellen Marktkapitalisierung Bayers von knapp 70 Milliarden Euro. Da der Kurs der Bayer-Aktie seit Bekanntwerden der Übernahmepläne von rund 110 Euro auf derzeit etwa 95 Euro gefallen ist, müssen rückblickend sogar noch mehr neue Aktien ausgegeben werden, als ursprünglich geplant.
Mit der im Fall einer erfolgreichen Übernahme gestiegenen Verschuldung hängt auch zusammen, dass Bayer seine Bonitätsbewertung wahrscheinlich nicht wird halten können. Dem Finanzchef des Unternehmens zufolge hat die Ratingagentur S&P nach einer vorläufigen Analyse des M&A-Deals und der geplanten Finanzierungsstruktur im Frühjahr mitgeteilt, dass das Bayer-Rating durch den Monsanto-Kauf „um nicht mehr als zwei Notches auf BBB fallen würde“, wie Finance Magazin schreibt. Dies hätte dem Magazin zufolge beträchtliche Auswirkungen, weil „die drei Hybridanleihen, die Bayer 2014 und 2015 im Gesamtvolumen von 4,5 Milliarden Euro zur Refinanzierung der Merck-OTC-Übernahme ausgegeben hat, ihren Investmentgrade-Status verlieren würden. Trotzdem erwägt Dietsch, auch zur Refinanzierung der Monsanto-Übernahme erneut Hybridanleihen auszugeben.“
Die Übernahmepläne stoßen nicht bei allen Bayer-Investoren auf Gegenliebe, weil sie den offenbar früher gemachten Versprechen des Konzerns an die Geldgeber zuwiderlaufen. So erklärte Finanzchef Dietsch nach dem Kauf der OTC-Medikamentensparte von Merck, dass nun die Schuldensenkung im Vordergrund stehe. „Zweitens hatte Baumann erst vor wenigen Wochen anlässlich seiner Berufung zum Konzernchef versichert, dass es mit ihm an der Spitze nur eine ‚Evolution‘ Bayers geben werde und 'keine Revolution'. Währenddessen brachte er die mit Abstand größte und umstrittenste Übernahme der Konzerngeschichte auf den Weg“, schreibt Finance Magazin.
Völlig ungewiss ist, ob die Übernahme von den Kartellbehörden überhaupt erlaubt wird. Analysten von Bernstein Research sehen eine Chance von 50 Prozent, dass der Deal abgelehnt wird. Andere Analysten taxieren diese Möglichkeit auf „nur“ rund 30 Prozent. „Wir glauben, dass der politische Widerstand gegen die Abmachung – die von unzufriedenen Farmern bis zu Vorbehalten gegenüber ein Abwandern Monsantos aus den USA reicht – beträchtliche Verzögerungen und Komplikationen bereitstellt“, schreibt Bernstein Research. Wird eine Übernahme von den US-Kartellbehörden abgelehnt, muss Bayer Monsanto übrigens 2 Milliarden Dollar zahlen.