Politik

Bargeld rationiert: Die raffinierteste Banken-Rettung seit langem

In Indien findet ein negativer Bank-Run statt: Die Kunden bringen ihr Geld zur Bank – und retten die Banken.
13.11.2016 01:00
Lesezeit: 2 min

+++ WERBUNG +++

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

In Indien ist es auch Samstag zu zahlreichen Prügeleien gekommen, weil die Inder in langen Schlangen warteten, um an die Schalter zu kommen, berichtet die Hindustan Times. Doch anders als vor einigen Jahren in Zypern oder Griechenland drängten die Leute nicht in die Banken, um ihr Geld abzuheben – sondern um es auf die Bank zu bringen.

Der negative Bank-Run ist die Folge einer Währungsreform, die die indische Regierung überraschend am Tag der US-Wahl verkündet hatte. Die 500 und 1.000 Rupienscheine wurden aus dem Verkehr gezogen. Das Timing war bewusst gewählt, um die nicht übermäßig die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit auf Indien zu lenken. Die Aktion lange geheim vorbereitet, wie indische Medien berichten. Premier Modi sagte am Samstag auf seiner Japan-Reise, die Geldautomaten seien absichtlich nicht vor der Einführung der neuen Geldscheine umgestellt worden, um die Aktion nicht ruchbar werden zu lassen.

Bloomberg berichtet, dass mit den über Nacht ungültigen Geldscheinen 86 Prozent des Bargelds, das in Indien im Umlauf ist, seinen Wert verloren habe. Allein die State Bank erhielt 7,1 Milliarden Dollar in Cash von ihren Kunden.

Die radikale Maßnahme wurde vordergründig als Kampf gegen Geldwäsche und Steuerhinterziehung dargestellt. Tatsächlich verlieren viele Inder nun über Nacht ihr Geld, weil sie es nicht versteuert haben. Sie können es nicht zur Bank bringen, weil ihnen ab einer gewissen Höhe Steuerstrafverfahren drohen.

Interessant ist, dass zugleich die Cash-Möglichkeiten der Inder beschränkt wurden: Die Hindustan Times berichtet, dass jeder Inder nur 4.000 Rupien gegen Vorlage eines Identitätsausweises erhält. Der Rest muss auf den Konten verbleiben. Auf den Bankomaten können die Kunden nur noch 30 Dollar abheben. Niemand weiß, wie lange die Maßnahmen anhalten. Auch die Flucht ins Gold wurde erschwert: Juweliere wurden nach Informationen der Deutschen Wirtschafts Nachrichten angehalten, alle Kunden an die Steuerbehörden zu melden, die größere Beträge in Gold umtauschen wollten. Den Juwelieren wurde gedroht, man werde die Überwachungskameras in den Läden nutzen, um die Kunden auszuforschen, sollten sich die Händler weigern, die Kunden zu melden. Auch das Abheben vom Konto und die Ausstellung von Schecks sind mit 10.000 Rupien begrenzt, berichtet die Hindustan Times. Diese Begrenzungen sollen zunächst bis zum 24. November gelten.

Tatsächlich ist der Zwangsumtausch in Kombination mit der effektiven Rationierung von Bargeld die raffinierstete Banken-Rettung seit langem: Denn das Geld muss auf der Bank bleiben – und damit können die Banken einen Kollaps vermeiden. Die Zeitung Mint berichtet, dass die indischen Banken auf faulen Krediten in Milliarden-Höhe sitzen. Der IWF hat ermittelt, dass 8,6 Prozent der gesamten Kreditsumme der indischen Banken als Non-Performing-Assets qualifiziert werden müssen. Indien liegt damit auf Platz 7 der am meisten gefährdeten Staaten der Welt. Besonders betroffen sind die staatlichen Banken. Laut Mint sind ihre NPA mit 11 Prozent deutlich höher als die der privaten Banken mit 3,2 Prozent. Die Lage hat sich bei den staatlichen Banken im Jahr 2016 dramatisch verschlechtert. Mint berichtet, dass sich die Lage bei allen indischen Banken im September zugespitzt habe.

Mit dem Zwangsumtausch erhalten die Banken etwas Luft. Eine dauerhafte Lösung ist die Maßnahme nicht. Denn die Wirtschaft wird mindestens sechs Monate unter einer Depression im Konsum leiden, schreibt die Financial Times. Laveesh Bandhari vom Think Tank Indicus erwartet „massiv negativen Einfluss für mindestens drei Monate“. Vor allem kleine Unternehmen, die ihr gesamtes Geschäft auf Bargeld aufgebaut haben, werden betroffen sein.

Die „Schadenfreude“ der „kleinen Leute“, von der die FT berichtet, sie habe sich eingestellt, als die Müllabfuhr ganze Geldsäcke mit wertlosem Geld gefunden habe, dürfte nur ein Nebeneffekt sein.

Denn vor allem die „kleinen Leute“ sind von der brachialen Maßnahme betroffen. Die Hindustan Times schreibt, dass der Obst- und Gemüsemarkt in Dehli erwägt, den Betrieb einzustellen – weil die Leute kein Bargeld mehr haben. In Mumbai haben sich die Preise für Salz über Nacht verzehnfacht.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Die gemäßigte Haltung der US-Notenbank (Fed) verhilft XRP zu einem Kurs von 3,20 US-Dollar. DOT Miners bieten Anlegern stabile Renditen.

Institutionelle Fonds treiben die XRP-Preise in die Höhe. Das Green Mining von DOT Miners bietet Anlegern einen neuen Weg für stabile...

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Finanzen
Finanzen Nvidia-Aktie: Eine Sache darf jetzt nicht scheitern
26.08.2025

Die Nvidia-Aktie hat Anlegern Traumrenditen beschert – doch das Wachstum muss anhalten, um die Bewertung zu rechtfertigen. Drohen...

DWN
Politik
Politik Bürgergeld statt Vollzeitarbeit: Ehrliche Arbeit lohnt sich nicht mehr in Deutschland - Warum eine Reform überfällig ist
25.08.2025

Bürgergeld-Bezieher haben laut einer Studie im Schnitt 500 Euro weniger im Geldbeutel als jemand, der in Deutschland Vollzeit arbeitet....

DWN
Finanzen
Finanzen Fed-Zinsentscheid: Jerome Powell signalisiert erste Bereitschaft zu Zinssenkung
25.08.2025

Die US-Notenbank sendet neue Signale: Arbeitsmarkt schwächt sich ab, Trumps Zölle treiben die Preise – Fed-Chef Jerome Powell deutet in...

DWN
Politik
Politik Polens Machtkampf: Präsident und Premier prioriseren die Stellung Polens, der drittgrößten Streitkräfte innerhalb der NATO, neu
25.08.2025

Polen gehört zu den größten Unterstützern der Ukraine – doch in Washington blieb der Platz der Nation leer. Während Präsident...

DWN
Technologie
Technologie Social-Media-Sucht: Minister setzt auf differenzierte Maßnahmen statt Verbote
25.08.2025

Angesichts wachsender Sorgen über die intensive Nutzung digitaler Medien durch Kinder und Jugendliche hat NRW-Medienminister Nathanael...

DWN
Panorama
Panorama US-Amerikaner wegen mutmaßlicher Spionage für China in Koblenz angeklagt
25.08.2025

Die Bundesanwaltschaft hat Anklage gegen einen US-Staatsbürger erhoben, der auf einem Militärstützpunkt in Deutschland tätig war. Dem...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft IG Metall: Kündigungswelle bei Porsche-Batterietochter Cellforce droht
25.08.2025

Bei der Porsche-Tochter Cellforce stehen zahlreichen Mitarbeitern nach Angaben der Gewerkschaft IG Metall Kündigungen bevor. Die Schreiben...

DWN
Politik
Politik Grünes Licht für umstrittene Atommülltransporte durch NRW
25.08.2025

Nordrhein-Westfalen bereitet sich auf eine der umfangreichsten Straßen-Atommülltransporte seit Jahrzehnten vor: Das Bundesamt für die...