Die EU-Kommission wird bei Gesetzesvorhaben von so genannten Expertengruppen beraten, die dadurch einen entsprechenden Einfluss auf die EU-Politik ausüben können. Wie eine neue Studie des europäischen Netzwerks Allianz für Lobby-Transparaenz und ethische Regeln (ALTER-EU) zeigt, bilden jedoch Großunternehmen die überwiegende Mehrheit in den Expertengruppen und können dadurch ihre Lobby-Arbeit entsprechend verstärken.
Die ALTER-EU-Studie hat 83 Expertengruppen der Generaldirektion Unternehmen und Industrie, die Bereiche wie Lebensmittel, Gesundheit und Automobile beinhaltet, untersucht. 34 Expertengruppen sind den nationalen Regierungen und Behörden sowie der EU-Kommission vorbehalten. In 49 dieser Gruppen sind Vertreter aus Unternehmen, Wissenschaft oder Nichtregierungsorganisationen beteiligt. Wie die Studie zeigt, verfügen aber in 32 der 49 Gruppen besonders die Großunternehmen oder ihre Verbände über die Mehrheit der Sitze, die nicht Regierungsvertretern zugeschrieben sind: also in zwei Drittel dieser Expertengruppen.
So nehmen in diesen Expertengruppen insgesamt 482 Berater aus Großunternehmen einen immens großen Einfluss auf die EU-Politik. Dem stehen aber lediglich 255 Berater aus kleinen und mittleren Unternehmen (44), Wissenschaft und Forschung (124), Nichtregierungsorganisationen (66) und Gewerkschaften (11) gegenüber. Entsprechend deutlich geringer ist ihre Möglichkeit zur Einflussnahme auf die EU-Politik.
Im Oktober 2011 das EU-Parlament hatte aus dieser Problematik heraus Teile des Kommissions-Budgets für die Expertengruppen eingefroren, um neue Regeln für die Zusammensetzung der Expertengruppen zu erreichen. EU-Binnenmarkt-Kommissar Michel Barnier hat in den vergangenen Jahren bereits mehrere dieser unverhältnismäßig besetzten Expertengruppen aufgelöst. Aber noch immer sind die Zustände äußerst fragwürdig. Zwar verstoße die Kommission bereits jetzt mit dieser unausgewogenen Besetzung der Expertengruppen gegen geltende Regeln, so ALTER-EU, diese „sind allerdings äußerst weich gehalten“.
„Es darf nicht sei, dass durch die unausgewogene Besetzung derart wichtiger Gremien den Interessen von Unternehmen eine größere Priorität eingeräumt wird als dem öffentlichen Interesse“, schlussfolgert ALTER-EU in ihrer Studie. „Die Generaldirektion
Unternehmen und Industrie macht sich damit zum Anführer in der Zusammenarbeit mit den Großkonzernen“, so der Autor der Studie, Yiorgos Vassalos. „Das Ergebnis ist eine reale Gefahr, dass Unternehmenslobbyisten ganze Bereiche der Politikgestaltung auf europäischer Ebene dominieren, zu Lasten des Rests der Gesellschaft."