Wirtschaft

Internationale Handelskonflikte: So schützen sich exportorientierte KMU

Ob Strafzölle, Exportverbote oder politische Sanktionen – internationale Handelskonflikte bedrohen zunehmend die Geschäftsmodelle exportorientierter kleiner und mittlerer Unternehmen. Dieser Ratgeber zeigt praxisnah, wie sich Betriebe strategisch absichern – und warum jetzt der richtige Zeitpunkt ist, Widerstandskraft aufzubauen.
06.06.2025 12:27
Lesezeit: 4 min
Internationale Handelskonflikte: So schützen sich exportorientierte KMU
So schützen exportierende KMU jetzt ihre Lieferketten (iStock/ Wavebreakmedia). Foto: Wavebreakmedia

Ein Streik, ein Zoll, ein Verbot – und Ihre Lieferkette steht still

Globale Produktionsketten sind auf Effizienz getrimmt – aber nicht auf Krisen. Ein politischer Beschluss, eine Sanktion, ein Exportstopp oder Strafzölle können ausreichen, um den Materialfluss zu unterbrechen und Aufträge zu gefährden. Für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) ohne Krisenstab oder Reserven wird das schnell zum Ernstfall.

Während Großkonzerne mit umfassendem Risikomanagement reagieren, müssen kleinere Betriebe vor allem eines: Vorbereitet sein. Wer Risiken frühzeitig erkennt, kann rechtzeitig gegensteuern – und sich sogar einen Wettbewerbsvorteil verschaffen. Wie das gelingt, zeigen die folgenden Strategien – beginnend mit einem der sensibelsten Punkte: Der Lieferkette.

Lieferketten und Logistik neu denken: Resilienz statt Risiko

Spätestens seit Pandemie, Ukrainekrieg und dem US-chinesischen Handelsstreit ist klar: Einseitige Lieferketten und Just-in-Time-Strategien stoßen an ihre Grenzen. Ein einziger Streik, ein gesperrter Seeweg oder neue Exportregeln – und schon fehlen zentrale Bauteile. Wer sich zu stark auf einen Partner verlässt, macht sich angreifbar – politisch wie logistisch.

Beispiel 1: Ein deutscher Automobilzulieferer exportierte Teile in die USA – stellte aber fest, dass er sich zu stark auf Aluminiumimporte aus China verlassen hatte. Mit den neuen US-Zöllen auf chinesisches Aluminium im März 2025 und den chinesischen Exportrestriktionen geriet die Materialversorgung ins Stocken. Die Folge: Produktionsverzögerungen im Inland und Lieferschwierigkeiten beim Export. Das Unternehmen sicherte sich neu ab – mit Lieferanten in der Türkei und Polen – und gewann dadurch wieder Planungssicherheit.

Beispiel 2: Ein norddeutscher Textilhersteller exportiert Spezialbekleidung nach Skandinavien – verarbeitet werden dafür Reißverschlüsse aus Südostasien. Die Bauteile wurden bislang just-in-time über den Hafen Singapur geliefert. Doch infolge der Überlastung durch Umroutungen nach den Huthi-Angriffen im Roten Meer kam es zu massiven Verzögerungen im Containerumschlag. Die Folge: Fehlende Komponenten und Stillstand in der Produktion – mit direkten Auswirkungen auf Exporttermine. Das Unternehmen reagierte: Es baute Pufferlager für kritische Teile auf, vereinbarte Luftfrachtlösungen für Notfälle – und führte einen digitalen Zwilling der Lieferkette ein, mit dem alternative Routen in Echtzeit simuliert werden können.

Tipp: Planen Sie mit doppeltem Boden. Streuen Sie Bezugsquellen, verkürzen Sie Transportwege und identifizieren Sie systemkritische Komponenten. Wer flexibel plant und digitale Werkzeuge nutzt, bleibt lieferfähig – auch wenn andere längst blockiert sind. Zudem kann es sinnvoll sein, mit lokalen Partnern zu kooperieren oder einzelne Produktionsschritte direkt vor Ort zu verlagern – etwa, um Transportkosten, Zölle oder regulatorische Hürden zu umgehen.

Lokale Partner einbinden: Produktion vor Ort – Markt im Blick

In einigen Schwellen- und Wachstumsmärkten, z.B. Indien, Brasilien und Indonesien, ist lokale Wertschöpfung teilweise sogar Voraussetzung für die Marktzulassung. Ohne Montage oder Teilproduktion im Zielland bleiben Unternehmen von Ausschreibungen, Förderprogrammen oder Genehmigungen ausgeschlossen. Die Absicht dahinter: Der Aufbau eigener Industrie im Inland. Wer nicht reagiert, verliert den Marktzugang.

Beispiel: Ein prominentes Beispiel ist Indonesien. Die indonesische Regierung verhängte zeitweise ein Verkaufsverbot für das iPhone 16, da Apple die geforderte lokale Fertigung von mindestens 40-Prozent nicht erfüllte. Dies zeigt, wie ernsthaft Länder wie Indonesien solche Vorgaben durchsetzen.

Tipp: Prüfen Sie in jedem Exportmarkt, ob regulatorische Anforderungen an lokale Produktion bestehen. Kooperationen mit ansässigen Unternehmen oder eigene Montagestandorte sichern nicht nur Ihre Marktpräsenz – sie stärken auch Kundenbindung und politische Akzeptanz.

Verträge absichern: Schutzschild gegen Sanktionen und Zahlungsausfälle

In geopolitisch unsicheren Zeiten ist eine sorgfältige Vertragsgestaltung entscheidend für die rechtliche und wirtschaftliche Sicherheit von KMU. Sanktionen, Exportverbote oder Währungskontrollen können dazu führen, dass Verträge nicht mehr erfüllt werden dürfen oder Zahlungen ausbleiben. Die Industrie- und Handelskammer Chemnitz erläutert, dass EU-Sanktionen erhebliche Auswirkungen auf grenzüberschreitende Lieferbeziehungen haben können und betont die Bedeutung von Force-Majeure-Klauseln in solchen Kontexten.

Beispiel: Ein Softwareanbieter hatte einen millionenschweren Lizenzvertrag mit einem Kunden in Belarus. Als die EU im März 2025 neue Sanktionen gegen Belarus verhängte, wurde die Lieferung verboten – der Kunde pochte dennoch auf Vertragserfüllung. Nur eine Force-Majeure-Klausel bewahrte das Unternehmen vor Schadenersatzforderungen.

Tipp: Integrieren Sie in Ihre Exportverträge Schutzmechanismen wie Exportkreditversicherungen und klare Regelungen zu Gerichtsstand und Rechtssystem. Dies schafft Rechtssicherheit und bietet Verhandlungsspielraum im Ernstfall. Lassen Sie sich dazu anwaltlich beraten, um optimal abgesichert zu sein.

Internationale Zahlungswege absichern: Nicht allein auf SWIFT vertrauen

Zahlungswege im internationalen Handel sind ebenfalls störanfällig: Der Ausschluss von weiteren 13 russischen Banken vom SWIFT-System im Februar 2025 zeigt, wie schnell Geldflüsse ins Stocken geraten können. Eine solide Zahlungsstrategie gehört daher zur Risikovorsorge.

Beispiel: Ein Exporteur technischer Ausrüstung hatte mehrere Kunden in Russland. Mit dem Ausschluss russischer Banken vom SWIFT-System konnten keine Zahlungen mehr empfangen werden – trotz gelieferter Ware. Heute arbeitet das Unternehmen mit besicherten Zahlungsformen wie Akkreditiven (Letter of Credit) und einer Außenhandelsbank, die länderspezifische Strategien entwickelt.

Tipp: Setzen Sie bei Geschäften mit Risikoländern auf bankenbesicherte Zahlungsformen – und klären Sie mit Ihrer Bank, welche Wege sicher und praktikabel sind. Vorbeugen ist günstiger als Verluste ausgleichen.

Frühwarnsystem und Krisentraining: Resilienz beginnt im Alltag

Und nicht zuletzt gilt: Resilienz ist kein Zustand, sondern ein Prozess. Wer geopolitische Entwicklungen regelmäßig im Blick behält, Frühindikatoren analysiert und mit seinem Team konkrete Szenarien durchspielt, reagiert im Ernstfall schneller – und entschlossener.

Beispiel: Ein deutscher Hersteller von Solarwechselrichtern verlor 2018 wichtige US-Kunden, als die US-Regierung Strafzölle auf importierte Solarmodule verhängte. Das Unternehmen hatte sich zu sehr auf stabile Handelsbedingungen verlassen und reagierte zu spät. Heute analysiert es quartalsweise politische Risiken, nutzt Newsletter der Auslandshandelskammern (AHK), Länderratings und simuliert regelmäßig Notfallszenarien mit dem Team.

Tipp: Bauen Sie ein internes Frühwarnsystem auf – mit AHK-Updates, Wirtschaftsnachrichten und Risikoanalysen von Anbietern wie Euler Hermes oder Coface. Trainieren Sie regelmäßig mit Ihrem Team: Was passiert, wenn ein Markt wegbricht? Welche Maßnahmen greifen zuerst? Wer übernimmt welche Rolle? Je klarer die Zuständigkeiten, desto souveräner agieren Sie im Ernstfall. Wer Lieferketten absichert, Verträge klug gestaltet und Zahlungswege schützt, bleibt auch in Krisenzeiten lieferfähig – und oft einen Schritt voraus.

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