Auf dem Tempelberg in Jerusalem ist es zu schweren Zusammenstößen zwischen Palästinensern und israelischen Soldaten gekommen. Nach dem Freitagsgebet, hatten palästinensische Demonstranten Steine gegen israelische Sicherheitskräfte geworfen. Es sollen nach palästinensischen Angaben auch Gummigeschosse seitens der Israelis zum Einsatz gekommen sein. Über die Anzahl der Verletzten gibt es zunächst widersprüchliche Angaben. Die israelische Polizei erklärte in einer Mitteilung, dass die 100 Angreifer vermummt waren und Brandsätze einsetzten.
Es ist dies eine fast schon alltägliche Meldung aus dem Nahen Osten. Wenn man den Vorfall genauer betrachtet, erkennt man, wie Flächenbrände entstehen, wenn der Islam für die Politik instrumentalisiert wird.
Wie kam es dazu?
Anfang der Woche fanden sich zunächst vereinzelt, dann immer massiver, Meldungen in den arabischen und den türkischen Zeitungen, dass es im Innenhof der Al-Aqsa Moschee zu einer verheerenden Beleidigung der Muslime in aller Welt gekommen sei. Die „Al-Aqsa Foundation“ – die spirituelle Betreiber-Gesellschaft des drittwichtigsten Heiligtums im Islam, empörte sich: Ein israelischer Polizeioffizier soll mehrere palästinensische Mädchen im Innenhof der Al-Aqsa Moschee tätlich angegriffen haben. Bei den Handgreiflichkeiten sei der Koran auf den Boden gefallen. Der Soldat sei dann auf dem Koran herumgetreten und habe ihn durch die Gegend geworfen – und ihn damit geschändet, erklärte Mahmud Abu Atta, Chef der Medienabteilung der „Al-Aqsa Foundation“.
Der Assistent des Generalsekretärs der Arabischen Liga, Mohamed Sobeih, sah in der Aktion der israelischen Polizei eine Aggression gegen alle Muslime. „Die Muslime müssen nun geschlossen auftreten“, zitierte die palästinensische Nachrichtenagentur WAFA den den Assistenten. Der Generalsekretär der Organisation für islamische Zusammenarbeit (OIC), Ekmeleddin Ihsanoglu, verurteilte die „brutale kriminelle Attacke“ und „Entweihung der heiligen Stätte“. Er sieht das Recht auf freie Ausübung der Religion verletzt, berichtete die Nachrichtenagentur Bahrain. In einer Mitteilung am vergangenen Montag, meldete sich auch der jordanische Minister für religiöse Angelegenheiten, Abdul Salam Abadi, zu Wort. Die „abscheuliche Untat gegen den heiligen Koran“ müsse Folgen haben. Er rief alle islamischen Staaten und die UN zum Handeln auf.
Wenn man jedoch bei der Polizei in Jerusalem nachfragt, stellt sich der Fall ganz anders dar. Es habe, ein Handgemenge am Eingang zum Tempelberg gegeben. Bei dem Versuch diese Krawalle aufzulösen „fiel ein Koran zu Boden, welcher aus der Tasche einer in die Krawalle involvierten Frau stammt“. Die Polizei habe niemanden provoziert, so die Jerusalemer Polizei in einer Mitteilung in der israelischen Zeitung Maariv.
Der Sprecher der israelischen Polizei, Micky Rosenfeld, schildete den Deutsch Türkischen Nachrichten den Vorfall einen Tag nach dem Geschehen. Rosenfeld sagte, dass die Polizei die Vorwürfe sofort überprüft habe, weil man wisse, wie gefährlich solche Auseinandersetzungen werden können.
Wörtlich schriebt Rosenfeld:
„Am vergangenen Sonntag besuchte eine Gruppe von jüdischen Frauen den Tempelberg. Derartige Besuche sind nicht ungewöhnlich, da der Tempelberg auch als Touristenattraktion dient. Einige arabische Frauen saßen auf einer Bank und versperrten damit den Zugang zum Tempel. Sie sind darauf aus gewesen, die jüdischen Frauen davon abzuhalten, den Tempelberg zu betreten. Ein israelischer Polizeibeamter schob die Bank und die arabischen Frauen zur Seite. Dabei ist ein Koran zu Boden gefallen, der sich in einer der Taschen der Frauen befand. Der Polizist hat den Koran umgehend aufgehoben und den arabischen Frauen gegeben. Es hat weder eine Schmähung noch eine Geringschätzung der Bücher gegeben. Alle anderen Behauptungen sind falsch und unkorrekt.“
Der Fall wurde dennoch in den arabischen Medien zwei Tage lang hochgekocht. Eine unrühmliche Rolle spielten die türkischen Zeitungen, die in der Sache munter mitmischten. Die Sabah titelte „Hässlicher Angriff gegen die Al-Aqsa Moschee“. „Proteste gegen Schmähung des Koran durch israelischen Soldaten hören nicht auf“, schrieb die Zaman. Stellungnahmen der israelischen Polizei waren in den Berichten nicht zu finden.
Die westlichen Medien berichteten nicht über den Vorfall. Es schien, als würde es bei einem verbalen Strohfeuer bleiben.
Am Freitag begannen die Ausschreitungen. Beobachter sehen hinter den vermummten Gewalttätern eine organisierte Bewegung. Sie will das Feuer am Lodern halten.
Israel hat sich in den besetzten Gebieten nie besonders geschickt verhalten. Viele Gewaltaktionen gegen die Palästinenser stoßen auf Abscheu bei einer klaren Mehrheit der israelischen Bevölkerung. Auch administrative Maßnahmen werden sofort in alle Richtungen gedeutet, wie jüngst bei der Einführung von getrennten Bussen für Palästinenser und Israelis (mehr hier)
In Jerusalem selbst sind die Behörden viel vorsichtiger: Denn hier leben Israelis und Palästinenser zusammen. Die Stadt ist wie ein Pfannkuchen: Es versuche einer einmal, das Gelbe vom Weißen zu trennen. Um den Frieden einigermaßen zu wahren, gibt es sogar für die ultra-orthodoxen Juden ein modernes Ghetto: Sie leben im Stadtteil Mea Sharim, freiwillig wie im Mittelalter, nach ihren archaischen Regeln.
Wie schon beim dänischen „Karikaturen-Streit“ zeigt sich auch hier dasselbe Muster: Ein kleiner Zwischenfall, wie er in jedem Dorf passieren kann, wird zum Funken für einen Flächenbrand. Was wirklich genau geschehen ist, weiß am Ende keiner mehr. Die Globalisierung der Nachrichten durch das Internet wird nicht dazu genutzt, nachzufragen, was genau passiert ist. Sie wird genutzt, um eine Geschichte aufzublasen. In gut orientalischer Art werden Motive ausgeschmückt und blumig überhöht. Am Ende starrt die Fratze der Religions-Schänder die Welt an. Israelische, amerikanische und, wenn nötig, auch dänische Fahnen brennen.
Und ehe man sich versehen hat, haben die Ideologen jede Menge Geiseln genommen: Bei den islamisch-politischen Organisationen sind das die Juden und die Westler. Bei den genervten Westlern sind es die harmlosen Muslime in Bochum oder Nantes, die von dem Vorfall überhaupt nichts mitbekommen haben.
Wir kennen auch keine Lösung für diesen Irrsinn.