Trotz Ukraine-Krise und möglicher weiterer Sanktionen gegen Russland steigt der österreichische Erdöl- und Gaskonzerns OMV in das russische Pipeline-Projekt South Stream ein.
Österreich erhofft sich von dem Deal mit Gazprom eine größere Bedeutung als Handelszentrum für Gas in Mittel- und Osteuropa. „Das ist auch ein wichtiger Schritt, um Österreichs Versorgungssicherheit mit Gas beträchtlich zu erhöhen“, sagt OMV-Chef Gerhard Roiss.
Ähnlich der Pipeline Nord Stream, die russisches Gas durch die Ostsee nach Deutschland führt, will Russland mit South Stream die Ukraine als Transitland umgehen. Die Pipeline soll von Südrussland durch das Schwarze Meer über Bulgarien, Serbien und Ungarn bis nach Österreich führen.
Erstes Gas soll 2017 ankommen, die volle Liefermenge wird für 2018 erwartet. Der ursprünglich geplante Strang nach Italien wurde Reuters-Informationen zufolge verworfen.
Das Pipeline-Projekt kommt der OMV auch deshalb gelegen, weil die Wiener nach einem großen Gas-Fund im Schwarzen Meer auf der Suche nach Transportmöglichkeiten sind. Die Errichtung einer eigenen Leitung wäre für die Österreicher mit erheblich höheren Kosten verbunden.
Der Konzern war gemeinsam mit dem US-Partner Exxon vor der rumänischen Schwarzmeerküste auf ein Gasfeld gestoßen, das groß genug ist, um den Bedarf Österreichs für neun Jahre abzudecken. Erste Gaslieferungen erwartet die OMV ab 2020.
Die OMV hofft, die notwendigen Genehmigungen für die Kooperation mit Gazprom bis 2015 zu bekommen. Die EU-Kommission wollte den Deal nicht kommentieren. Grundsätzlich steht die Behörde jedoch South Stream und der Vormachtstellung Gazproms auf dem europäischen Markt kritisch gegenüber.
Der Zeitpunkt der Vertragsunterzeichnung zwischen OMV und Gazprom Ende April war aber brisant. Nur einen Tag zuvor hatte der Westen wegen der Ukraine-Krise weitere Sanktionen gegen Russland verhängt. OMV-Chef Roiss verteidigt den Einstieg: „Ich würde es wieder so machen. Gas ist keine Waffe und soll nie eine Waffe werden.“
Gazprom ist bisher nicht von Strafmaßnahmen betroffen. Dennoch fürchten die Russen, die mit South Stream ihre Gaslieferungen in die EU weiter erhöhen wollen, um ihre lukrativen Energie-Exporte. Eine weitere Verschärfung der Sanktionen würde aber nicht nur Russland treffen, sondern auch Europa. Die EU deckt gut ein Drittel ihres Verbrauchs mit russischem Gas. Etwa die Hälfte der Lieferungen wird über die Ukraine geleitet.
Österreich, traditionell eng mit Osteuropa und Russland verbandelt, war einst der erste westliche Staat, der langfristige Energie-Lieferverträge mit dem riesigen Land bekam. Die Verträge reichen bis 1968 zurück.
Der mehrheitlich von OMV betriebene Gasknotenpunkt Baumgarten nahe Wien ist seit 1970 eine Drehscheibe für russisches Erdgas nach Westeuropa. Heute zählt er zu den größten Plattformen für Gas aus Russland. Rund ein Drittel des russischen Exports nach Westeuropa läuft darüber und gelangt von hier nach Ungarn, Italien, Kroatien, Slowenien, Deutschland und Frankreich. Künftig ist Experten zufolge auch eine Beteiligung Gazproms an Baumgarten denkbar. Dazu halten sich die Konzerne aber noch bedeckt.
Ursprünglich hatte die OMV ganz andere Pläne: Über die Nabucco-Pipeline sollte Gas aus der kaspischen Region bis nach Baumgarten gebracht werden. Das Projekt unter der Federführung der OMV war allerdings im Vorjahr gescheitert, weil eine Konkurrenzröhre den Zuschlag für das Gas aus Aserbaidschan erhalten hatte.
Der Gazprom-Lobbyist Gerhard Schröder feierte einen späten Sieg über den Nabucco-Lobbyisten Joschka Fischer (mehr hier). Für die OMV war das ein schwerer Schlag.
Nabucco galt auch lange als Prestigeprojekt der EU: Sie hoffte, damit den Einfluss Russlands auf die Gasversorgung Europas zu begrenzen. Für OMV-Chef Roiss steht fest: „Europa hat versagt bei Nabucco, und wir können es uns nicht leisten, hier nicht zu agieren.“