Politik

Russland-Bank zu Rubel-Absturz: „Wir haben eine ausgewachsene Panik“

Russland ist offenbar ins Visier der Spekulanten geraten: Der Rubel stürzt weiter ab, die Kapitalflucht dürfte die schlimmsten Befürchtungen der russischen Regierung übertreffen. Die russische Zentralbank musste die Währung am Freitag massiv stützen. Ein Banker der ING Bank sprach von einer "ausgewachsenen Panik, mit Anzeichen einer sich verselbstständigenden Währungskrise".
07.11.2014 13:52
Lesezeit: 2 min

Der drastische Verfall des russischen Rubel setzt die Moskauer Zentralbank zunehmend unter Druck. Am Freitag rutschte die Landeswährung den dritten Tag in Folge auf ein Rekordtief ab: Ein Dollar verteuerte sich zeitweise um bis zu 3,8 Prozent auf 48,6495 Rubel. Erst Spekulationen auf weitere Hilfen der Notenbank gaben dem Rubel-Kurs anschließend wieder etwas Auftrieb. Die Notenbank erklärte, jederzeit ohne Vorwarnung zu einer Aufstockung ihrer Interventionen zur Verteidigung des Rubel bereit zu sein. Die Landeswährung sei unterbewertet und notfalls werde sie auch andere Finanzinstrumente zu ihrer Stützung einsetzen.

Auch die russischen Aktienwerte gerieten zwischenzeitlich ins Rutschen. Der Moskauer Leitindex RTS, dessen Werte in Dollar notiert werden, fiel um bis zu 3,7 Prozent auf ein Fünf-Jahres-Tief von 979,49 Punkten, bevor er sich wieder knapp in die Gewinnzone rettete. Auslöser der Kursverluste waren die mangelnden Stützungskaufe der Währungshüter.

Die Notenbanker hatten am Mittwoch mitgeteilt, dass sie die täglichen Rubel-Ankäufe auf 350 Millionen Dollar begrenzen wollen - das ist nur noch ein Bruchteil dessen, was sie in den vergangenen Wochen in die Hand genommen hatte, um die Talfahrt abzubremsen. Die russische Zentralbank interveniert automatisch am Devisenmarkt, sobald der Kurs eines Währungskorbs aus Euro und Dollar eine bestimmte Spanne überschreitet.

Vor der Stellungnahme der Notenbank hatten bereits Spekulationen über weitere Maßnahmen am Finanzmarkt die Runde gemacht, als Reuters unter Berufung auf Insider über eine Krisensitzung der Zentralbank berichtete. Der Rubel-Kurs vollführte daraufhin eine Kehrtwende - der Dollar verlor 1,9 Prozent auf 45,94 Rubel. "Wir haben eine ausgewachsene Panik, mit Anzeichen einer sich verselbstständigenden Währungskrise", sagte Dmitry Polevoy, Chefökonom Russland bei der ING Bank in Moskau. "In solchen Zeiten sollte die Zentralbank intervenieren - wenn das kein Risiko für die Finanzstabilität ist, was dann?"

Seit Jahresbeginn haben der Rubel und der RTS-Index jeweils mehr als 30 Prozent verloren. Die russische Wirtschaft leidet unter den Folgen von Sanktionen, die der Westen gegen das Land wegen dessen Rolle im Ukraine-Konflikt verhängt hat. Russische Unternehmen müssen verstärkt Dollar kaufen, weil sie vom direkten Zugang zu den internationalen Finanzmärkten abgeschnitten sind. Außerdem leidet die Wirtschaft unter dem Preisverfall des wichtigsten Exportguts Rohöl.

Die Kapitalflucht aus Russland könnte in diesem Jahr alle bisherigen Negativrekorde brechen, berichtet die Nesawissimaja Gaseta am Freitag. Allein im Oktober sollen 25 Milliarden Dollar aus Russland abgezogen worden sein. Seit Januar wurden insgesamt 110 Milliarden Dollar außer Landes gebracht. Von der Zeitung befragte Experten gehen davon aus, dass es bis Jahresende 150 Milliarden sein könnten. Die Regierung hatte zuletzt mit 110 Milliarden gerechnet - für das ganze Jahr.

Finanzminister Anton Siluanow vermutet Spekulanten hinter dem Absturz und versucht, eine positive Stimmung zu verbreiten: Der Kurs werde sich wieder fangen, sagte Siluanow einem Bericht von Ria Novosti zufolge:

„Ich denke, dass der jetzige Rubel-Kurs unterbewertet ist.“, sagte Siluanow am Freitag bei einem Besuch in der Kaukasus-Republik Tschetschenien. „Die Schwankungen der letzten Tage haben einen spekulativen Charakter und entsprechen den Basisbedingungen des Rubels nicht.“ Schon in der nächsten Zeit werde klar, dass die russische Zahlungsbilanz stabil sei. „Ich zweifle nicht daran, dass sich der Rubel in der nächsten Zeit verstärken wird.“

Ob dies wirklich so kommen wird, steht auf einem anderen Blatt. Die Folgen der Sanktionen bringen daher immer spürbarere Folgen für die Bevölkerung Russlands. Wenn die Inflation nicht gestoppt werden kann, könnte sich die Lage innerhalb weniger Monate erneut deutlich verschlechtern.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Unternehmen
Unternehmen Schuhhändler Görtz erneut in die Insolvenz gerutscht
22.01.2025

Einst gab es in fast jeder Fußgängerzone eine Görtz-Schuhfiliale. Doch das Traditionsunternehmen, das 1875 gegründet wurde, ist erneut...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft IWF-Prognose Weltwirtschaft: USA im Aufwind - Deutschland abgeschlagen
22.01.2025

Die neue IWF-Konjunkturprognose für die Weltwirtschaft zeichnet ein differenziertes Bild für das Wachstum der Industrienationen....

DWN
Finanzen
Finanzen Apple-Aktie rutscht ab: Jefferies-Analyst senkt Kursziel – jetzt Apple-Aktie kaufen?
21.01.2025

Die Apple-Aktie steht am Dienstag mächtig unter Druck. Ein skeptischer Analystenkommentar sowie schwächere Verkaufszahlen in China sorgen...

DWN
Immobilien
Immobilien Immobilienmarkt-Entwicklung 2025: Stimmung hellt sich auf, welche Segmente sind die Favoriten?
21.01.2025

Nachdem das Transaktionsvolumen auf dem Immobilienmarkt für zwei Jahre deutlich zurückgegangen war, hat er sich vergangenes Jahr...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Steigende Sozialabgaben pushen Schwarzarbeit: Handwerk wird unbezahlbar
21.01.2025

Steigende Sozialabgaben sorgen für steigende Preise: Das Handwerk fordert jetzt eine Sozialabgabenbremse, sonst werden Handwerksarbeiten...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft IfW Kiel zur Trump-Präsidentschaft: "Zeiten der immer schnelleren Globalisierung vorbei"
21.01.2025

Für die deutsche Wirtschaft ist die Präsidentschaft von Donald Trump laut dem Wirtschaftsinstitut IfW Kiel mit erheblichen Unsicherheiten...

DWN
Politik
Politik Gericht bestätigt: Sächsische AfD darf als rechtsextrem bezeichnet werden
21.01.2025

Der sächsische Landesverband der AfD hatte 2023 gegen die Einschätzung des Verfassungsschutzes Beschwerde eingelegt, die Partei als...

DWN
Finanzen
Finanzen Goldpreis und Ölpreis: Trumps zweite Amtszeit könnte turbulent für den Rohstoffmarkt werden
21.01.2025

Donald Trump ist zum zweiten Mal US-Präsident – turbulente Zeiten scheinen sicher. Unmittelbare Auswirkungen kommen auf den...