Politik

Mit deutschen Steuergeldern: Adenauer-Stiftung mischt in der Ukraine kräftig mit

Vitali Klitschko gilt als politischer Ziehsohn der Konrad-Adenauer-Stiftung. Die CDU-nahe Organisation spielte beim Sturz der Regierung Janukowitsch eine Schlüsselrolle. Finanziert wird die Adenauer-Stiftung größtenteils durch den Steuerzahler. Über die Zuteilung der Mittel entscheidet der Bundestag. Was genau mit den Steuergeldern der Deutschen in der Ukraine geschieht, ist nicht klar.
03.05.2015 01:47
Lesezeit: 4 min

Der amtierende Bürgermeister von Kiew, Vitali Klitschko, wurde in Köln mit dem Adenauer-Preis geehrt. Klitschko werde für sein „beispielloses Engagement für Frieden und Demokratie in der Ukraine“ ausgezeichnet, hieß es vom Kuratorium. Dabei waren sowohl die Verleihung des Preises als auch die anschließende Eintragung ins Goldene Buch der Stadt Köln keineswegs unumstritten, wie der Kölner Stadtanzeiger berichtet.

„Herr Klitschko hat sich keineswegs für die europäische Einigung eingesetzt. Er hat sich mit Ultranationalisten und Faschisten verbündet und verharmlost dies bis heute“, zitiert der Kölner Stadtanzeiger die Linken-Politikerin Tanja Groß.

Ähnlich heftige Kritik schlug Klitschko bei den „Osnabrücker Friedensgesprächen“ entgegen, wie Telepolis berichtet. Dort versuchte die örtliche SPD seine Eintragung ins Goldene Buch der „Friedensstadt“ zu verhindern. Der SPD-Verband warf Klitschko vor, sich während der Maidan-Proteste mit der rechtsextremen Swoboda-Partei verbündet zu haben und die Rolle der Ultra-Nationalisten in der Ukraine zu verharmlosen.

Bei der „Friedensgesprächen“ spielte Klitschko den Einfluss rechtsextremer Kräfte in der Ukraine dann erneut herunter. Nazis auf dem Maidan seien ein russisches Propagandamärchen, so der Kiewer Bürgermeister. Faschisten hätten keine Bedeutung oder Macht in der Ukraine. Auch auf Nachfrage des Osnabrücker Publikums wollte Klitschko den ehemaligen Vize-Kommandeur des rechtsradikalen Asow-Batallions und neuen Chef der Polizeikräfte in Kiew, Vadim Troyan, nicht kennen.

Neben Klitschko war auch der Chef der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS), Hans-Gert Pöttering, in Osnabrück und leistete dem Kiewer Bürgermeister Rückendeckung. Der ehemalige Präsident des Europaparlaments warnte vor einem „deutschen Sonderweg“ bei der Lösung der Ukraine-Krise. Die Bundesrepublik müsse fest an der Seite ihrer transatlantischen Partner stehen. Die Ukraine müsse sich nun „entschlossen den westlichen Werten nähern“. Sie solle zwar auf „absehbare Zeit“ nicht in die Nato eintreten, langfristig solle die Ukraine aber EU-Mitglied werden, so Pöttering.

Die Konrad-Adenauer-Stiftung gehört mit weltweit mehr als 70 Büros und Projekten in über 120 Ländern zu den einflussreichsten politischen Organisationen der Welt. Auf der Liste der mächtigsten Think Tanks der Welt, die jährlich von der Pennsylvania Universität erstellt wird, rangiert die KAS auf Platz 29, dicht gefolgt von der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung (FES).

Die Rolle der politischen Stiftungen ist es „politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Eliten, denen eine besonders wichtige Rolle bei der Etablierung demokratischer und marktwirtschaftlicher Strukturen zukommt, zu fördern“, zitiert das Politmagazin Hintergrund aus einem Dossier der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP). Dieses Ziel könne „die regierungsoffizielle Außenpolitik aufgrund einer auch durch fundamentale völkerrechtliche Normen gebotenen Zurückhaltung kaum in vergleichbar direkter Weise“ verfolgen. Die politischen Stiftungen, die der Rechtsform nach eingetragene Vereine sind, operieren dagegen in einer rechtlichen Grauzone, wie der Spiegel bereits 1986 anmerkte.

Finanziert wird die Adenauer-Stiftung größtenteils durch den Steuerzahler. Über die Zuteilung der Mittel entscheidet der Bundestag. Demnach bestimmen die dort vertretenen Parteien über die Budgets der mit ihnen verbundenen Stiftungen – eine Praktik, die als „Selbstbedienung“ angeprangert wird und gegen die der Verfassungsrechtler von Arnim eine Klage in Karlsruhe betreibt. Im Jahr 2014 erhielt die KAS etwa 130 Millionen Euro der knapp 140 Millionen Euro Einnahmen von Bund und Ländern, wie aus dem Jahresbericht hervorgeht. Rund 70 Millionen Euro davon wurden für „internationale Zusammenarbeit“ ausgegeben.

Ein erheblicher Teil dieser Summe dürfte auch in die Ukraine geflossen sein. Die Konrad-Adenauer-Stiftung ist eigenen Angaben zufolge seit 1994 in der Ukraine aktiv und hat dort mehr als 500 Projekte begleitet. Sie baute auch Klitschkos Partei, die „Ukrainische Demokratische Allianz für Reformen“ (UDAR), durch gezielte „logistische Hilfe“ und Schulungen mit auf. Die pro-europäische Partei hat es sich zum Ziel gesetzt, die Ukraine schnellstmöglich in die EU zu integrieren. Eine direkte Finanzierung durch die CDU-Stiftung streitet Klitschko jedoch ab. Er finanziere seine Partei vorwiegend durch Einnahmen aus Boxkämpfen.

Am Sturz der Regierung Janukowitsch war die CDU-nahe Organisation maßgeblich beteiligt. Als Janukowitsch seine Unterschrift unter das EU-Assoziierungsabkommen verweigerte, forderte die Konrad-Adenauer-Stiftung, „eine klare Botschaft aus Deutschland und Brüssel an Kiew“ zu senden. Sie unterstützte folglich alle Oppositionsparteien, die sich zu dem Abkommen mit der EU bekannten. Neben Klitschkos UDAR und Jazenjuks Vaterlands-Partei zählte die Adenauer-Stiftung im Juli 2013 auch die rechtsextreme Swoboda-Partei zu den drei „demokratischen Oppositionsfraktionen“, obwohl diese „ihre Anlehnung an die nationalsozialistische Ideologie der NSDAP nie verborgen hat“.

Es ist nicht das erste Mal, dass die KAS rechtsnationale oder rechtsextreme Parteien unterstützt, wenn es der Durchsetzung der eigenen politischen Ziele dient. So berichtete die Junge Welt, dass die Adenauer-Stiftung mit den rechtsradikalen „Grauen Wölfe“ in der Türkei kooperierte. Und auch in Honduras bildete sie die rechtskonservativen Unterstützer des Militärputsches aus.

Vor diesem Hintergrund erschien der KAS ein Bündnis mit den Rechtsradikalen in der Ukraine vielleicht notwendig, um Janukowitsch zu stürzen und ihren Favoriten Vitali Klitschko zu installieren. Doch entgegen dieser Bestrebungen erhielt Klitschko nach dem Umsturz keinen nennenswerten Posten in der Übergangsregierung. Die USA, die selbst über politische Think Tanks wie die National Endowment for Democracy (NED) rund 5 Milliarden Dollar in die „Demokratisierung“ der Ukraine investierten, konnten sich am Ende mit ihrem Favoriten Arseni Jazenjuk durchsetzen.

Nachdem Janukowitsch gestürzt und ein neuer Präsident im Mai 2014 gewählt wurde, trafen sich KAS-Deligierte aus Berlin mit den Parteispitzen der UDAR- und der Vaterlands-Partei - darunter auch die umstrittene Julia Timoschenko. Sie konnten sich dabei von der „nachhaltigen Wirkung der Arbeit des Auslandsbüros in der Ukraine“ überzeugen. So hat die Adenauer-Stiftung mit Altstipendiat Mykola Mowtschan, der heute stellvertretender Sportminister ist, einen direkten Draht zur Kiewer Regierung. Zudem ist die ehemalige KAS-Medienexpertin Zoya Kazanzhy inzwischen „Beraterin des Gouverneurs von Odessa“, wie die Organisation mitteilt.

Die Adenauer-Stiftung konzentriert sich in der Ukraine nun vor allem darauf, die westliche Reformagenda voranzutreiben. Analog zu den vom IWF verordneten „Strukturreformen“ sollen Schlüsselindustrien wie der Energiesektor privatisiert und Bereiche wie das Bankwesen modernisiert werden. Die ausländischen Berater - wie der ehemalige Präsident Georgiens Mikhail Saakashvilli oder SPD-Politiker Peer Steinbrück - sollen dabei „wichtige Impulse für den Reformprozess geben“.

Daneben versorgt die KAS die Öffentlichkeit mit „Argumenten“ im Propagandakrieg mit Russland, um die "Mythen der Rechtfertigung russischer Politik in der Ukraine-Krise" zu entkräften. Wie Telepolis berichtet, wurde dieser „Realitätscheck“ - in dem rechtsradikale Kräfte in der ukrainischen Regierung erneut marginalisiert werden - eins zu eins vom Auswärtigem Amt übernommen, das es dann an die Leitmedien verteilte.

Welche Projekte die KAS in der Ukraine in den letzten Jahren konkret unterstützt hat, ist ungewiss. Auch die Frage, welche Parteien dort finanzielle Zuwendungen erhalten und welche Rolle die Organisation bei den Maidan-Protesten einnahm, ist weiterhin unklar. Auch auf mehrfache Anfragen wollte sich die Konrad-Adenauer-Stiftung zu diesen Fragen nicht äußern. Fest steht wohl nur, dass sie trotz aller Kritik an Vitali Klitschko festhalten wird. Der ehemalige Schwergewichts-Champion will auch in der Politik hoch hinaus, räumte auf einer Schulung der Adenauer-Stiftung aber ein: „Die ukrainische Politik ist im Vergleich zum Boxen ein Kampf ohne Regeln.“

 

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Technologie
Technologie ChatGPT-5: So verwenden Sie das neue ChatGPT-Modell
08.08.2025

Open AI erlaubt erstmals tiefe Einblicke in die Denkweise von ChatGPT. Wer die neue Erweiterung nutzt, kontrolliert nicht nur Daten –...

DWN
Unternehmensporträt
Unternehmensporträt "Aufstehen, hingehen, machen": Thomas Hintsche verkauft seit 30 Jahren gegrillte Würstchen auf dem Markt
08.08.2025

Seit 30 Jahren verkauft Thomas Hintsche Bratwurst, Steak, Buletten und mehr auf dem Markt. Seine Grillskills hat er perfektioniert, kennt...

DWN
Finanzen
Finanzen Goldpreis bleibt stabil: USA verhängen Zölle auf Goldimporte – Schweiz im Fokus
08.08.2025

US-Zölle auf Goldimporte versetzen den Markt in Aufruhr. Besonders die Schweiz könnte hart getroffen werden. Während der Goldpreis in...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Kreditprogramme für den Mittelstand: Neue KfW-Digitalförderung für KMU, Kritik an „Made for Germany“
08.08.2025

Zwei neue KfW-Kreditprogramme unterstützen KMU seit Juli gezielt bei Digitalisierung und Innovation. Unterdessen sorgt die fehlende...

DWN
Finanzen
Finanzen Munich Re-Aktie fällt: Rückversicherer spürt Preisdruck trotz Rekordgewinn
08.08.2025

Die Munich Re-Aktie erlebt nach einem Rekordgewinn überraschend Gegenwind. Trotz starker Halbjahreszahlen dämpfen sinkende Preise und...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Verhandeln lernen: Mit Strategie zum Erfolg – jeder kann es mit den richtigen Methoden
08.08.2025

Erfolgreich verhandeln kann jeder – mit den richtigen Methoden. Erfahren Sie, wie Sie mit Strategie, Künstlicher Intelligenz und...

DWN
Finanzen
Finanzen Bechtle-Aktie hebt ab: Starker Quartalsverlauf beflügelt Anleger
08.08.2025

Die Bechtle-Aktie überrascht Anleger im Börsenhandel am Freitag mit einem kräftigen Kurssprung. Nach Monaten der Flaute deutet vieles...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Ifo: Auftragsmangel hemmt deutsche Wirtschaft weiterhin
08.08.2025

Das Ifo-Institut meldet: Der Auftragsmangel bleibt eine Bremse für die deutsche Wirtschaft. Trotz vereinzelter Lichtblicke in einigen...