Berliner Startups waren bei Investoren im ersten Halbjahr 2015 erstmals beliebter als ihre Konkurrenten aus London. Die jungen Unternehmen aus der deutschen Hauptstadt erhielten 2015 bereits 1,4 Milliarden Euro an Risikokapital und damit erstmals mehr als die Firmen in der Stadt an der Themse. Diese erhielten knapp 1,1 Milliarden Euro, wie aus einer aktuellen Studie von Ernst & Young (EY) hervorgeht. Damit hatte Berlin europaweit die Nase vorn. Mit großen Finanzierungsrunden fiel in diesem Jahr unter anderem der Essens-Lieferdienst Delivery Hero auf, an dem auch die Berliner Firmenschmiede Rocket Internet beteiligt ist.
Besonders beliebt sind in Berlin Start-ups für Apps und Online-Werbung, jüngstes Beispiel für eine erfolgreiche Finanzierungsrunde ist etwa die Mobile App Marketing-Plattform Remerge: Das Berliner Jungunternhemen hat jüngst 3 Millionen Dollar bei Investoren für eine Expansion auf den US-Markt eingesammelt und eröffnet demnächst eine Zweistelle in Kalifornien, berichtet Tech Crunch.
Insgesamt wurden der Erhebung zufolge von Januar bis Juni rund 1,9 Milliarden Euro in deutsche Unternehmen investiert, die nicht älter als zehn Jahre sind. Das sind schon jetzt 300 Millionen Euro mehr als im ganzen letzten Jahr. Und allein 1,4 Milliarden Euro davon entfielen auf Risikokapitalinvestitionen in Berlin.
Auch in Deutschland gebe es inzwischen erfolgreiche Exits, also Ausstiege von Investoren durch gewinnbringenden Verkauf, was deutsche Start-ups zu attraktiven Investitionszielen mache. „Immer mehr junge Unternehmen treten den Beweis an, dass sie die vor allem mit der Digitalisierung verbundenen Umbrüche aktiv und erfolgreich mitgestalten können – das schafft Vertrauen auf Seiten der Investoren“.
In Berlin tummeln sich seit ein paar Jahren immer mehr Startups. Gute Infrastruktur und vergleichsweise günstige Büroimmobilien und ebenso vergleichsweise günstige gut ausgebildete junge Mitarbeiter aus aller Welt sind dabei mit ausschlaggebend. Die Ideen der Start-ups in Berlin und anderen deutschen Städten sind zunehmend auch für die Investoren überzeugend: „In der Hauptstadt hat sich ein funktionierendes Ökosystem für Start-ups etabliert, das international absolut wettbewerbsfähig ist“ sagt Peter Lennartz von EY. Es werde Englisch gesprochen und die Zahl der internationalen Konferenzen, der Investoren und der ‚Co-Working Spaces‘ sei ebenso gestiegen wie die Anzahl der Acceleratoren-Programme – sowohl unabhängige als auch von Corporates aufgelegte. Das spiegele sich nun eben auch in der Höhe der Investitionen in diese Start-ups.
Laut der Studie deutet sich auch europaweit ein Rekord an: Im ersten Halbjahr flossen den Startups 6,5 Milliarden Euro Risikokapital zu. 2014 waren es insgesamt 7,6 Milliarden Euro. Europas Start-ups finden also generell in diesem Jahr einen guten Zugang zu Investoren. „Die drei größten Start-up-Märkte Europas – Großbritannien, Deutschland und Frankreich – liegen alle auf Kurs, die Summe von 2014 zu übertreffen“, so EY.
Der Anstieg liegt aber auch an der gesteigerten Risikobereitschaft der Investoren durch die aktuelle Niedrigzinspolitik: Auf der Suche nach höheren Renditen in der Niedrigzinsphase nehmen Kapitalgeber derzeit höhere Risiken in Kauf und stecken damit auch mehr Geld in junge Firmen. „Die Risikobereitschaft der nationalen und insbesondere der internationalen Investoren ist so groß wie lange nicht mehr“, sagt Peter Lennartz von EY. „Sie sind auf der Suche nach renditeträchtigen Anlagemöglichkeiten. Mit der derzeitigen Volatilität der Märkte und der andauernden Niedrigzinsphase bieten junge, dynamische Unternehmen eine reizvolle Alternative für Investoren.“
Unter den europäischen Top-Start-up-Standorten finden sich neben Hamburg und München noch zwei weitere deutsche Städte. In neun Finanzierungsrunden kamen in Hamburg bisher 195 Millionen Euro zusammen, in München waren es bei 13 Finanzierungsrunden im bisherigen Jahresverlauf 119 Millionen Euro. Das reicht für Platz fünf und sechs hinter Paris und Stockholm.