Politik

Merkel: Offene Grenzen sind lebenswichtig für Deutschland

Angela Merkel lehnt die Rückkehr zu nationalen Grenzen innerhalb der EU ab. Kein Land brauche offene Grenzen so sehr wie Deutschland. Daher müssten offene Grenzen auch innerhalb der EU durchgesetzt werden. Man werde die „europäischen Mühlen“ dementsprechend zum Mahlen bringen, sagte Merkel. Von 1.000 Delegierten stimmten nur zwei gegen den Leitantrag zum Thema.
14.12.2015 23:52
Lesezeit: 2 min

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat ihren Kurs in der Flüchtlingspolitik vehement verteidigt - und dafür auf dem CDU-Parteitag in Karlsruhe minutenlange stehende Ovationen erhalten. "Deutschland ist ein starkes Land. Wir schaffen das - für Deutschland und Europa", sagte Merkel in ihrer mehr als einstündigen Rede. Mit Blick auf parteiintern geäußerte Kritik an ihrer Flüchtlingspolitik sprach sich Merkel für eine Reduzierung der Zahl einreisender Menschen aus, was aber nur mit europäischen und internationalen Absprachen möglich sei. "Abschottung im 21. Jahrhundert ist keine vernünftige Option."

Schon am Sonntagabend hatten Merkel und ihre Kritiker einen Kompromiss gefunden und den Leitantrag für den Parteitag etwas verschärft. Darin sind "Obergrenzen" oder die Möglichkeit, Flüchtlinge an der deutschen Grenze zurückzuweisen, zwar nicht enthalten. Hinzugefügt wurde aber die Formulierung, dass die Zahl der Flüchtlinge "spürbar" reduziert werden müsse. Über den Antrag soll der Parteitag noch am Montag abstimmen. "Auch ein starkes Land wie Deutschland ist auf Dauer überfordert mit einer so großen Zahl an Flüchtlingen", sagte Merkel. "Deshalb wollen und werden wir die Zahl der Flüchtlinge spürbar reduzieren."

Die sogenannte Karlsruher Erklärung zu Terror, Sicherheit, Flucht und Integration nahmen die etwa 1.000 Delegierten bei nur zwei Gegenstimmen und wenigen Enthaltungen an.

Deutschland müsse aber immer die Folgen seines Handelns auch für die EU bedenken. Statt eines Ausstiegs aus dem passfreien Schengen-Raum oder dem Dublin-System über Asylverfahren sei es gerade für Deutschland deshalb viel besser, daran zu arbeiten, dass die EU-Regeln eingehalten würden. Sie forderte zugleich europäische Solidarität etwa bei der Verteilung von Flüchtlingen ein. "Ich weiß, die europäischen Mühlen mahlen langsam. Aber wir werden sie zum Mahlen kriegen", sagte sie und bat erneut um Geduld.

Merkel wies damit Forderungen auch aus der Union zurück, notfalls die deutschen Grenzen zu schließen. "Kein Land ist so sehr auf Schengen angewiesen wie Deutschland", sagte sie. Die offenen Grenzen innerhalb von Europa seien für die Bundesrepublik "lebenswichtig". Deshalb müsse dafür gekämpft werden, das System zu erhalten. "Es lohnt sich, den Kampf um ein einheitliches europäisches Vorgehen zu gehen."

Aber auch innerhalb Deutschlands müsse daran gearbeitet werden, den Flüchtlingszustrom zu bewältigen - mit klaren Ansagen an die Neuankömmlinge. Flüchtlinge müssten Deutsch lernen, wenn sie dauerhaft Zuflucht suchten und sich an die Regeln des Grundgesetzes halten. Die Bundesregierung habe an etlichen Stellen zudem Fehlanreize für Flüchtlinge abgebaut und Länder und Kommunen stark unterstützt. Viele Reformen wie die Ausweitung der Liste sicherer Herkunftsländer habe die Union dabei erst gegen SPD und Grünen durchkämpfen müssen.

Kritik rot-grüner Landesregierungen am Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) wies Merkel zurück: "Das sind Ablenkungsmanöver, weil man seine Hausaufgaben, zum Beispiel bei der Rückführung von Flüchtlingen nicht richtig macht", kritisierte sie. Viele rot-grüne Landesregierungen würden verabredete Reformen wie den Übergang zu Sachleistungen nicht umsetzen und Bundesmittel nicht an Kommunen weitergeben.

Differenzen zwischen CDU und CSU spielte Merkel dagegen herunter. Die Einheit der Schwesterparteien sei "die" Erfolgsgeschichte Deutschlands. CSU-Chef Horst Seehofer wird am Dienstag auf dem Bundesparteitag sprechen. Er hatte Merkel auf dem CSU-Parteitag vor wenigen Wochen noch scharf wegen ihrer Ablehnung von Obergrenzen bei der Aufnahme kritisiert, sich aber in den vergangenen Tagen moderater geäußert.

Merkel skizzierte zudem die Anforderungen an ein Deutschland in 25 Jahren. Dazu gehöre neben dem Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit auch, dass das Land seinen Beitrag zur Globalisierung, und der Stärkung von EU, Nato und UN leiste. "Deutschland soll in 25 Jahren ein Land sei, das offen, neugierig, tolerant und spannend ist - mit einer starken eigenen Identität." Diese basiere auf dem Grundgesetz und der unantastbaren Würde jedes Einzelnen. Weder Antisemitismus, Zweifel am Existenzrecht Israels oder Homophobie dürften akzeptiert werden.

Immer wieder warb die Kanzlerin um Vertrauen in die Stärke des Landes. Es gehöre zur Identität Deutschlands, "Großes zu leisten". Sie verwies etwa auf den Wiederaufbau des Landes nach dem Zweiten Weltkrieg und die Wiedervereinigung. Aber auch frühere CDU-Kanzler hätten immer betont, dass Deutschland nur in einem starken Europa eine Zukunft habe.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Ukraine-Krieg: Frieden zwischen Ukraine und Russland kann neue Aktienrallye in Europa auslösen
20.04.2025

Deutschland als größte Volkswirtschaft Europas leidet in besonderem Maße unter den wirtschaftlichen Folgen des Ukraine-Kriegs. Hohe...

DWN
Politik
Politik Was sich im Mai ändert: Neue Namensregeln, schärferer Biomüll-Kurs und Abschied von Skype
20.04.2025

Im Mai 2025 kommen wichtige Änderungen auf Bürger zu: Neue Nachnamensregeln für Familien, strengere Biomüll-Kontrollen, digitale...

DWN
Finanzen
Finanzen Ride Them Out: Den richtigen Moment in der Börsen-Blasen-Strategie finden
20.04.2025

Die Finanzwelt steht immer wieder vor der Frage, wie man in turbulenten Zeiten richtig handelt. Dieser Artikel beleuchtet, warum es oft...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Abschottung statt Gastfreundschaft: Trumps zweite Amtszeit trifft Amerikas Tourismusindustrie
20.04.2025

Internationale Reisende meiden die USA – Fälle willkürlicher Festnahmen an den Grenzen häufen sich. Europas Touristen ziehen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Shell: Asien als Haupttreiber des LNG-Wachstums bis 2040
20.04.2025

Shell prognostiziert einen Anstieg des globalen LNG-Verbrauchs um 60 Prozent bis 2040, vor allem getrieben durch die steigende Nachfrage in...

DWN
Politik
Politik Asien-Investor: „Jetzt beginnt Trumps Schicksalsvierteljahr“
20.04.2025

Ein schwedischer Analyst in Vietnam sieht das Weiße Haus vor einem Finanzbeben – und erkennt zugleich geopolitische Chancen für...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Deutschlands Brücken sind marode – reicht eine Finanzspritze aus?
20.04.2025

Deutschlands Brücken sind in einem kritischen Zustand – ein aktuelles Beispiel ist die A100-Brücke in Berlin. Die sogenannte...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft De-minimis-Ausnahme: Trump hat europäischen Unternehmen bisher ein Geschenk im Wert von 800 Dollar hinterlassen
19.04.2025

Trumps Zollpolitik ermöglicht es europäischen Unternehmen, Waren bis 800 Dollar zollfrei in die USA zu versenden. Doch Experten warnen,...