Politik

Türkei: Erdogan lässt 27 Wissenschaftler nach Regierungs-Kritik verhaften

Der türkische Präsident Erdogan geht mit Härte gegen Kritiker seiner Politik vor. Am Freitag wurden 27 Wissenschaftler verhaftet, die eine Petition für einen Frieden mit den Kurden unterzeichnet hatten. Erdogan schmähte die Forscher und sagte, „sie sollen in die Berge gehen und Gräben ausheben“.
15.01.2016 22:49
Lesezeit: 2 min

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Türkische Sicherheitskräfte haben Medienberichten zufolge 27 Wissenschaftler wegen Unterzeichnung einer Petition zur Wiederaufnahme des Friedensprozesses mit den Kurden festgenommen. In der am Montag veröffentlichten Erklärung wird die Regierung für ihr Vorgehen im überwiegend von Kurden bewohnten Südosten der Türkei kritisiert. Nach den Freitagsgebeten tadelte Präsident Recep Tayyip Erdogan die insgesamt 1000 Unterzeichner, zu denen auch der prominente US-Intellektuelle Noam Chomsky gehört: Wer außerhalb des Parlaments Politik betreiben wolle, "soll Gräben ausheben oder in die Berge gehen", ein Anspielung auf die kurdische Arbeiterpartei PKK, die für zahlreiche Anschläge verantwortlich ist.

Erdogan und Ministerpräsident Ahmet Davutoglu hatten den Unterzeichnern bereits am Donnerstag vorgeworfen, Terrorismus zu unterstützen. Daraufhin leiteten die Behörden Ermittlungen im Zusammenhang mit der Petition ein. Die Oppositionspartei CHP nannte die Festnahmen am Freitag "komplett gesetzeswidrig". Mehr als 2000 Anwälte haben in einer eigenen Petition angeboten, den Wissenschaftlern kostenlosen Rechtsbeistand angeboten.

Nach dem Scheitern einer Waffenruhe zwischen der Regierung und der verbotenen PKK im vergangenen Juli ist die Gewalt zwischen beiden Seiten wieder voll aufgeflammt. Hunderte Menschen wurden getötet. Über mehrere Städte in den Kurdengebieten hat die Regierung im Zuge einer großangelegten Militäraktion Ausgangssperren verhängt.

Die zum Gülen-Imperium gehörende Zeitung Zaman hatte bereits im Lauf der Woche von Repressalien gegen Wissenschaftler berichtet. Viele Akademiker sind Gülen-Anhänger. Erdogan hält den Prediger Fettulah Gülen, dessen Unterstützung ihn erst an die Macht gebracht hat und mit dem er sich überworfen hat, für einen Agenten der CIA.

Laut Zaman haben sich nach der Verhaftung auch zahlreiche Künstler, Schauspieler und Filmschaffende der Petition angeschlossen und diese ebenfalls unterzeichnet.

Doch Erdogan hat offenbar genügend Unterstützer auch im Film-Milieu: Sein Aufstieg aus einfachen Verhältnissen an die Macht wird nun verfilmt: Der Streifen "Reis" (Der Chef) soll mit dem Schauspieler Reha Beyoglu in der Hauptrolle in wenigen Wochen abgedreht und am 25. März erstmals vorgeführt werden, wie die Produzenten am Freitag mitteilten. Das Skript reiche von Erdogans Kindheit im Istanbuler Hafenviertel Kasimpasa bis ins Jahr 1999. "Wir sehen im globalen Kino Helden wie Spiderman und Superman, die nie gelebt haben", sagte der Produzent Ali Avci. "Aber wir haben doch unser eigenen, lebenden Helden!" Die Zuschauer des Films sollten nicht den heutigen Präsidenten Erdogan gezeigt bekommen, sondern den Heranwachsenden aus Kasimpasa.

Regisseur des Erdogan-Films ist Hüdaverdi Yavuz. Laut türkischen Medienberichten verkörpert die Schauspielerin Ozlem Balci Erdogans Frau Emine. Erdogan drückt der Türkei seit 2003 seinen Stempel auf, zunächst als langjähriger Regierungschef, seit 2014 als Präsident. Zwischen 1994 und 1998 war er Bürgermeister von Istanbul. 1999 wurde er vier Monate inhaftiert, nachdem er ein religiöses Gedicht vorgetragen hatte. Mit der Haftzeit 1999 soll der Film enden.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Politik
Politik Ukraine Krieg: Trump macht Selenskyj für Eskalation mitverantwortlich - bröckelt die westliche Unterstützung für Kiew?
16.04.2025

Inmitten der Eskalation des Ukraine-Krieges meldet Russland einen massiven ukrainischen Angriff auf die Region Kursk – nach dem...

DWN
Politik
Politik Digitalministerium: Verpflichtende digitale Identität in Koalitionsvertrag – Hacker bemängeln „Überwachungskatalog“
16.04.2025

Im Koalitionsvertrags setzen CDU, CSU und SPD auf eine konsequente Digitalisierung, eine neue Behörde und eine verpflichtende digitale...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft US-Ökonom warnt: Ab diesem Zinsniveau wird die Fed eingreifen
16.04.2025

Trotz der jüngsten Zollsenkungen bleiben die von den USA verhängten Handelsbarrieren ein massiver wirtschaftlicher Schock. Das sagt der...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Goldman Sachs: Goldpreis auf dem Weg zu 4.000 Dollar – Zentralbanken treiben Rekordrally
16.04.2025

Goldman Sachs erwartet einen historischen Anstieg des Goldpreises: Bis Ende 2025 könnte die Unze 3.700 Dollar kosten, 2026 sogar 4.000....

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Wie Apple Donald Trumps Zölle umgehen kann
16.04.2025

Der Technologieriese Apple plant, mehr iPhones aus Indien in die USA zu liefern, um den Schaden durch mögliche Zölle zu mildern. Dies...

DWN
Politik
Politik Ministerposten: Spahn statt Linnemann? CDU-Politiker Linnemann wird nicht Wirtschaftsminister
15.04.2025

Nachdem Union und SPD ihren Koalitionsvertrag vereinbart haben, geht das Geschachere um die Ministerposten los: CDU-Politiker Carsten...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Steuerfreie Überstunden ab 2025? – Das plant die neue Koalition
15.04.2025

Überstunden steuerfrei ab 2025? Wenn diese Pläne Wirklichkeit werden, könnten Arbeitnehmer von einer höheren Auszahlung ihrer...

DWN
Politik
Politik Beamtenstaat: fragwürdige Last-Minute-Beförderungen - vor allem in SPD geführten Ministerien
15.04.2025

Beförderungswelle nach Ampel-Bruch: Die Parteien der Ampel-Regierung konnten in einem Punkt produktiv und schnell sein – teure...