In rund 50 Städten in den USA sind Menschen für den Schutz ihrer Daten gegen die Justizbehörden auf die Straße gegangen. Sie sammelten sich vor Apple-Stores und Justizbehörden, aber auch vor dem FBI-Hauptquartier in Washington. Anlass ist ein Urteil gegen den Apple-Konzern, der die Verschlüsselung seiner iPhones aushebeln soll, um so den Ermittlern Zugriff auf die Nutzerdaten von Terror-Verdächtigen zu gewähren. Der Widerstand gegen die Forderung wächst - und gibt auch der Verschlüsselungsindustrie neuen Auftrieb.
Zudem hat der Widerstand Apples gegen die Behörden auch einen enorme symbolische Bedeutung für das Image des Konzerns, der mit dem Profil als Datenschützer Profit macht und sich so von Konkurrenten wie Microsoft abheben will, analysierte jüngst der Guardian.
Das US-Justizministerium wird im Streit mit Apple über das Entsperren von iPhones womöglich eine Initialzündung für mehr Datenschutz auslösen. Denn falls der IT-Riese vor Gericht verlieren sollte, dürfte die Branche alle Hebel in Bewegung setzen, ihre Schutzmechanismen zu verfeinern. Nicht nur Apple wird seine Sicherheitsmerkmale laut einem Insider dann wohl optimieren, um sie vor dem Zugriff des Staates zu schützen. Eine ganze Industrie von Verschlüsselungsfirmen steht in den Startlöchern, Handydaten für die Kunden absolut sicherzumachen. Selbst die eigenen Entwicklungsingenieure könnten diesen Abwehrriegel dann nicht mehr knacken.
Im konkreten Fall will das Justizministerium Apple per Gerichtsurteil zwingen lassen, das iPhone des Angreifers von San Bernardino für die Ermittler zu entschlüsseln. Apple wehrt sich dagegen und spricht von einem gefährlichen Präzedenzfall. Bei dem Anschlag im Dezember hatten zwei Islamisten 14 Menschen erschossen, bevor sie selbst von der Polizei getötet wurden. Die Bundespolizei FBI untersucht derzeit, ob die Attentäter mit der Extremisten-Miliz IS und anderen militanten Gruppen in Kontakt standen. Doch die Auseinandersetzung mit Apple ist kein Einzelfall: Aus Gerichtsunterlagen geht hervor, dass sich das Ministerium zuletzt landesweit in 15 Fällen um eine Umgehung der Schutzmechanismen bemüht hat.
Apple-Chef Tim Cook fürchtet, dass die Software, mit der die Ermittler das iPhone des Attentäters knacken wollen, in falsche Hände gerät. Dies könnte zur Folge haben, dass andere iPhone-Nutzer zu Hacker-Opfern werden. Und die Branche befürchtet einen Dammbruch, falls Apple vor Gericht unterliegen sollte. Viele Firmen haben Ende 2014 bereits deutlich umfangreichere Verschlüsselungssysteme eingeführt. Sie reagierten damit auch auf das Bekanntwerden der US-Ausspähprogramme, die der Ex-Geheimdienstmitarbeiter Edward Snowden öffentlich machte.
Beim Online-Speicherdienst-Anbieter Box sieht man der Gerichtsentscheidung gelassen entgegen. Denn sie könnte neue Geschäftsperspektiven eröffnen. Sein Unternehmen arbeite daran, Daten auch vor dem Zugriff des Staates zu schützen, sagte der Chef der Datenschutzsparte, Joel De la Garza. Dies bedeute für Kunden „totale Kontrolle über ihre Daten“. Zwei mit Sicherheitsfragen vertraute Apple-Mitarbeiter sagten hinter vorgehaltener Hand, der iPhone-Hersteller habe keine entsprechenden Pläne in der Schublade.
Ein weiterer Vertreter des Konzerns, der ebenfalls anonym bleiben wollte, bestätigte jedoch, dass Apple selbst bei einem Sieg vor Gericht seine Verschlüsselungstechnik weiter verbessern wolle. Mittlerweile haben spezialisierte Firmen Nischen besetzt, die den Nutzern noch mehr Schutz bieten wollen. Der Flugzeugbauer Boeing hat gemeinsam mit dem kanadischen Unternehmen BlackBerry das Smartphone Black entwickelt, das mit seinen Sicherheitsmerkmalen speziell auf Kunden der Regierung zugeschnitten ist. Damit bei Verlust des Handys die gespeicherten Daten nicht in die falschen Hände geraten, verfügt es über eine Selbstzerstörungsfunktion.
BlackBerry zielt mit seiner Codierungstechnik speziell auf Firmenkunden. Und Apps wie Signal und Wickr verschlüsseln Anrufe oder Textbotschaften für jedermann. Solche Spezialanbieter, die vielfach nicht in den USA beheimatet sind, dürften sich bei einer Apple-Niederlage vor Gericht die Hände reiben. Der Mitbegründer der Software-Sicherheitsfirma Veracode, Chris Wysopal, prophezeit der Branche eine glänzende Zukunft: „Es wird so geschehen.“