Politik

Flüchtlinge kommen trotz EU-Pakt mit der Türkei weiter über das Mittelmeer

Trotz des zwischen der EU und der Türkei beschlossenen Pakts zur Abschiebung aller Flüchtlinge in die Türkei kommen weiter Flüchtlinge und Migranten über das Mittelmeer. Am Sonntag kamen 837 Menschen auf den griechischen Inseln an. Die Regierung in Athen weiß noch nicht, wie sie die Vereinbarung umsetzen soll.
20.03.2016 16:43
Lesezeit: 2 min

Die Umsetzung des Flüchtlingspaktes stellt die griechischen Behörden vor große Probleme. «Wir tappen in Zusammenhang mit den Modalitäten im Dunkeln», sagte ein Offizier der griechischen Küstenwache am Sonntag der Deutschen Presse-Agentur. Es fehle an Experten wie Asylentscheidern und Sicherheitspersonal, berichteten Medien. Der Sprecher des nationalen Krisenstabes für die Flüchtlingskrise, Giorgos Kyritsis, betonte im griechischen Fernsehen: «So ein Plan lässt sich nicht in 24 Stunden in die Tat umsetzen.»

Seit Mitternacht sind die Vereinbarungen zum Flüchtlingspakt der EU mit der Türkei in Kraft. Die Übereinkunft sieht vor, dass alle Flüchtlinge, die ab Sonntag illegal von der Türkei nach Griechenland übersetzen, ab 4. April zwangsweise in die Türkei zurückgebracht werden können. Vorher haben die Migranten jedoch das Recht auf eine Einzelfallprüfung im EU-Land Griechenland. Nur wer nachweisen kann, dass er in der Türkei verfolgt wird, darf bleiben.

Nach Angaben des Krisenstabes in Athen setzten in der Nacht zum Sonntag 875 Menschen von der türkischen Küste auf griechische Inseln über. Zum Vergleich: Am Samstag waren es 1498 Flüchtlinge, am Freitag 670 und am Donnerstag 239.

Am Sonntag kamen zwei Kleinkinder vor der Insel Ro ums Leben, als ihr Boot kenterte. Zwei weitere Migranten starben Medienberichten zufolge auf Lesbos.

CNN Turk meldet, dass etwa 3.000 Flüchtlinge und Migranten an der Überfahrt gehindert worden seien. Sie sollen in Polizei-Gewahrsam genommen und in eine Sporthalle verbracht worden sein. Einige Personen hätten sich dem widersetzt und Scheiben eingeschlagen.

In Griechenland waren am Stichtag Sonntag insgesamt 48 141 Flüchtlinge registriert. Auf den Inseln der Ostägäis harrten 7316 Menschen aus, im Raum Athen-Piräus 13 000. Der Rest lebt in Lagern in Mittel und Nordgriechenland. Ob sie im EU-Land Griechenland bleiben oder in andere Länder der Gemeinschaft umgesiedelt werden, ist derzeit unklar.

Im provisorischen Auffanglager von Idomeni an der Grenze zu Mazedonien halten sich nach Angaben des Krisenstabes, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegen, rund 12 000 Menschen auf. Sie stecken dort fest, nachdem die Balkanstaaten die so genannte Balkanroute am 9. März für Migranten ohne gültige Reisepapiere und Visa faktisch geschlossen hatten. Eine Umsiedlung in besser ausgestattete Flüchtlingsunterkünfte lehnen sie bislang ab.

Mit Blick auf den Flüchtlingspakt zwischen der EU und der Türkei sind noch mehrere Fragen offen, vor allem im Umgang mit Neuankömmlingen. In Gesprächen mit Reportern auf den Inseln Chios, Lesbos und Samos wiesen Offiziere der Küstenwachse darauf hin, dass etwa unklar sei, wer die Menschen an einem möglichen Verlassen der Lager hindern solle. Auch sei ungeklärt, was geschehe, wenn sich eine Menge von 500 oder 1000 Menschen weigern sollte, an Bord von Schiffen zu gehen, die sie zurück in die Türkei bringen sollen.

Die Regierung in Athen versucht, auf den Inseln Raum in den Aufnahmelagern für die Flüchtlinge zu schaffen, die unter den Flüchtlingspakt fallen. Am späten Samstagabend wurden 640 Menschen auf das Festland in die Hafenstadt Piräus gebracht. Weitere 1170 kamen in der kleinen Hafenstadt Elefsina an. Rund 1400 Menschen wurden am Sonntagabend im nordgriechischen Hafen von Kavala erwartet.

Ministerpräsident Alexis Tsipras übernahm nach Regierungsangaben die Aufsicht über den nationalen Krisenstab. Er hatte bereits beim EU-Gipfel am Ende der Woche von zu erwartenden kurzfristigen Engpässen gesprochen. So sagte er, dass 2300 Experten in den kommenden Tagen nach Griechenland kommen sollen, um dabei zu helfen, im Schnellverfahren Asylanträge zu bearbeiten.

Die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl bezeichnet den Pakt als illegal. Er werde in seiner aktuellen Form vor allem den Schleppern nützen. Auch das UNHCR warnt die EU vor einer Aushöhlung des Asylrechts.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Technologie
Technologie Arbeitsmarkt: Top-Berufe, die es vor 20 Jahren noch nicht gab
31.03.2025

Eine Studie von LinkedIn zeigt, wie Künstliche Intelligenz (KI) neue Jobs und Fähigkeiten schafft, Karrieren und Arbeitswelt verändert:...

DWN
Finanzen
Finanzen Commerzbank-Aktie: Kurs knickt nach Orcel-Aussage deutlich ein
31.03.2025

Die Commerzbank-Aktie muss nach einer starken Rallye einen Rückschlag hinnehmen. Unicredit-Chef Andrea Orcel hatte zuvor einen möglichen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft EU vor Herausforderungen: Handelskriege könnten die Wirtschaft belasten – der Ausweg heißt Binnenmarkt
31.03.2025

Die protektionistischen Maßnahmen der USA und mögliche Handelskonflikte belasten die EU-Wirtschaft. Experten wie Mario Draghi fordern...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Betonblock: Lego verklagt Hersteller von Anti-Terror-Betonklötzen
31.03.2025

Lego verklagt das niederländische Unternehmen Betonblock. Die Anti-Terror-Blöcke des Herstellers erinnerten zu sehr an die...

DWN
Technologie
Technologie Neue EU-Vorschriften: Plug-in-Hybriden drohen deutlich höhere CO2-Emissionen
31.03.2025

Mit der Einführung neuer, verschärfter Emissionsmessungen für Plug-in-Hybride (PHEVs) wird die Umweltbilanz dieser Fahrzeuge erheblich...

DWN
Politik
Politik Marine Le Pen wegen Veruntreuung zu Fußfesseln verurteilt - FN-Chef Bardella: "Hinrichtung der französischen Demokratie"
31.03.2025

Marine Le Pen wurde in Paris wegen der mutmaßlichen Scheinbeschäftigung von Mitarbeitern im Europaparlament schuldig gesprochen - das...

DWN
Technologie
Technologie Balkonkraftwerk mit Speicher: Für wen sich die Investition wirklich lohnt
31.03.2025

Balkonkraftwerk mit Speicher: eigenen Strom gewinnen, speichern und so Geld sparen. Doch so einfach ist es leider nicht, zumindest nicht...

DWN
Finanzen
Finanzen US-Börsen: Der Handelskrieg gefährdet die US-Ausnahmestellung
31.03.2025

Da Investitionen nach neuen Möglichkeiten abseits der zuletzt florierenden US-Finanzmärkte suchen, wird an der Wall Street diskutiert, ob...