Politik

Wegen Mohammed-Karikatur: Türkische Journalisten müssen ins Gefängnis

Lesezeit: 1 min
29.04.2016 00:31
Aus Solidarität nach dem Angriff auf die «Charlie Hebdo»-Redaktion veröffentlichten zwei türkische Journalisten eine Mohammed-Karikatur der Pariser Satire-Zeitung. Jetzt hat ein Gericht Gefängnisstrafen gegen sie verhängt. Nebenkläger brechen in «Gott ist Groß»-Rufe aus.

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Wegen des Abdrucks einer umstrittenen Mohammed-Karikatur des französischen Satire-Magazins «Charlie Hebdo» sind zwei Journalisten in der Türkei zu Haftstrafen verurteilt worden. Ein Gericht in Istanbul habe am Donnerstag je zwei Jahre Gefängnis gegen die Kolumnisten Ceyda Karan und Hikmet Cetinkaya verhängt, berichtete die Zeitung «Cumhuriyet». Karan und Cetinkaya schreiben beide für das regierungskritische Blatt und hatten die Karikatur in ihren jeweiligen Kolumnen dort verkleinert abgedruckt.

«Cumhuriyet» berichtete, nach dem Urteil vom Donnerstag seien Nebenkläger im Gerichtssaal in «Gott ist Groß»-Rufe ausgebrochen. Die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu meldete, das Strafgericht habe die Angeklagten unter anderem für schuldig befunden, über Medien zu Hass angestiftet zu haben. Vom Vorwurf, religiöse Werte öffentlich beleidigt zu haben, seien sie dagegen freigesprochen worden.

Anadolu meldete weiter, 1280 Nebenkläger hätten Beschwerden gegen die Kolumnisten eingereicht. Darunter seien zwei Kinder von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan, Bilal and Sümeyye Erdogan, sowie Sümeyye Erdogans Ehemann Berat Albayrak. Bei Albayrak handelt es sich um den türkischen Energieminister.

«Cumhuriyet» hatte im Januar vergangenen Jahres Teile der ersten Ausgabe von «Charlie Hebdo» nach dem Terroranschlag auf die Redaktion in Paris in einer eigenen Beilage nachgedruckt, so die dpa. Die umstrittene Karikatur – auf der ein weinender Prophet Mohammed unter der Überschrift «Alles ist vergeben» ein «Je suis Charlie»-Schild hält – fand sich nicht in der Beilage, dafür aber in den Kommentarspalten im Blatt. Ministerpräsident Ahmet Davutoglu hatte kritisiert, Meinungsfreiheit sei nicht die Freiheit zur Beleidigung.

«Cumhuriyet»-Chefredakteur Can Dündar war erst am Montag wegen Beleidigung von Erdogan und mehreren seiner Gefolgsleute zu umgerechnet rund 9000 Euro Geldstrafe verurteilt worden. Dündar und «Cumhuriyet»-Hauptstadtbüroleiter Erdem Gül droht in einem anderen Verfahren lebenslange Haft unter anderem wegen angeblicher Unterstützung einer Terrororganisation.

Auf der in der vergangenen Woche veröffentlichten Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen (ROG) liegt die Türkei nur noch auf Rang 151 von 180 Staaten. Sogar Russland schneidet in diesem Jahr besser ab. ROG begründete den schlechten Platz der Türkei unter anderem damit, dass «kritische Journalisten mit Klagen überzogen» würden. Erdogan weist Kritik am Zustand der Pressefreiheit in seinem Land regelmäßig als unbegründet zurück.


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Bildung für die Zukunft SOS-Kinderdorf Thüringen im Einsatz für die Demokratie

In einer Zeit, in der die Unzufriedenheit mit der Politik wächst, engagiert sich das SOS-Kinderdorf Thüringen mit einem Demokratieprojekt...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Händler setzen auf Apps und Bonusprogramme: So sparen Verbraucher mit digitalen Treueangeboten
23.12.2024

Die großen Handelsketten wie Lidl, Rewe und Penny gehen neue Wege, um Kunden langfristig an sich zu binden. Mit Apps und Treueprogrammen...

DWN
Politik
Politik Wahljahr 2025: Neue Regierung bis Ostern?
23.12.2024

Kurz, kalt und knackig: So wird der Wahlkampf 2025. Wie lange es danach dauert, bis Deutschland wieder gut regiert wird, ist schwer...

DWN
Politik
Politik Steuerverschwendung: Regierung verschleudert massiv Steuergelder auch ans Ausland - ohne jede Prüfung
23.12.2024

Angeblich muss die Politik künftig unbegrenzt Schulden machen, weil der Staat zu wenig Geld hat: Doch Deutschland hat kein...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Stromnetz als Supergau - Dunkelflaute macht Wahnsinnspreise kurzfristig real
23.12.2024

Der Strompreis an der Pariser Strombörse erreichte letzte Woche einen außergewöhnlich hohen Stand. Wie Energieexperten dies erklären -...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Ex-VW-Chef Winterkorn lehnt Richter als befangen ab
23.12.2024

Im Strafverfahren zur Dieselaffäre hat der frühere VW-Chef Martin Winterkorn den Vorsitzenden Richter für befangen erklärt. Er...

DWN
Panorama
Panorama Russland: Ölkatastrophe könnte 200.000 Tonnen Boden verseuchen
23.12.2024

Zwei Tanker sind vor mehr als einer Woche im Schwarzen Meer verunglückt, seither läuft Öl aus. Die Folgen für die Umwelt zeigen sich...

DWN
Finanzen
Finanzen EU: 13,5 Milliarden Euro für Deutschland
23.12.2024

Mehr saubere Energie und Digitalisierung: Deutschland erhält 13,5 Milliarden Euro aus Brüssel – und weitere Finanzhilfen könnten...

DWN
Panorama
Panorama Privater Gebrauchtwagenmarkt: Diese Vorteile bieten Privatkäufe für Käufer und Verkäufer
23.12.2024

In einer aktuellen Analyse haben die Experten des Internetportals AutoScout24 den Privatmarkt für Gebrauchtwagen untersucht. Laut einer...