Wegen der Blockade von Raffinerien und Treibstofflagern aus Protest gegen die umstrittene Arbeitsrechtsreform spitzt sich die Lage in Frankreich zu: Die Regierung greift inzwischen auf strategische Reserven zurück, um eine Versorgung des Landes mit Treibstoff sicherzustellen, wie Verkehrsstaatssekretär Alain Vidalies am Mittwoch in Paris sagte. Während die Regierung weitere Blockaden räumen ließ, ist inzwischen auch die Stromversorgung durch die Proteste betroffen - sogar ein Atomkraftwerk.
Der Rückgriff auf die im ganzen Land verteilten strategischen Treibstoffreserven erlaube die schnelle Belieferung bestimmter Regionen, die von der Blockade von Depots betroffen seien, sagte Vidalies. Genutzt wurden seinen Angaben zufolge bislang die Reserven für drei Tage - insgesamt gibt es Reserven für 115 Tage. Der Präsident des Erdöl-Industrieverbandes Ufip, Francis Duseux, sagte dem Sender RMC, aus den strategischen Reserven würde seit „zwei Tagen“ geschöpft. „Die Lage ist angespannt.“ Schuld seien aber auch die Verbraucher: „Wir füllen alle unsere Tanks, weil wir Angst haben.“ In manchen Gegenden werde derzeit drei- bis fünfmal mehr Benzin und Diesel gekauft als sonst.
Aus Protest gegen die geplante Arbeitsrechtsreform in Frankreich blockieren Gewerkschaftsaktivisten schon seit Tagen Erdölraffinerien und Treibstoffdepots und streiken in den Anlagen. Sechs der acht Raffinerien des Landes stehen wegen der Proteste still oder arbeiten nur mit verminderter Leistung. Das hat zu Engpässen bei der Versorgung mit Diesel und Benzin geführt. Vielen Tankstellen geht der Sprit aus, an den Zapfsäulen bilden sich seit Tagen lange Schlangen. Verkehrsstaatssekretär Vidalies sagte, allein im Großraum Paris seien inzwischen „etwas mehr als 40 Prozent aller Tankstellen in Schwierigkeiten“.
Staatschef François Hollande versicherte am Mittwoch nach Angaben von Regierungssprecher Stéphane Le Foll, es werde alles unternommen, „um eine Versorgung der Franzosen und der Wirtschaft sicherzustellen“. Bislang seien bereits „elf Lager befreit worden“. So räumte die Polizei am frühen Mittwochmorgen die Blockaden vor einem Treibstoffdepot im nordfranzösischen Douchy-les-Mines, dabei kam auch ein Wasserwerfer zum Einsatz.
Neben der Benzinversorgung droht auch die Stromversorgung unter den Protesten zu leiden. Die Gewerkschaft CGT, die an der Spitze der Protestbewegung steht, hat zu Streiks in Atomkraftwerken aufgerufen. Erste Stromausfälle gab es bereits in Nantes und Marseille.
Im Atomkraftwerk im rund 100 Kilometer südöstlich von Paris gelegenen Nogent-sur-Seine beschlossen die Mitarbeiter eine Blockade und eine Drosselung der Stromproduktion, wie ein CGT-Vertreter sagte. Ein am Dienstag wegen eines technischen Problems heruntergefahrener Reaktor solle nicht wieder hochgefahren werden. Gegen die geplante Arbeitsrechtsreform, mit der Hollande im Kampf gegen die hohe Arbeitslosigkeit unter anderem die 35-Stunden-Woche lockern und betriebsbedingte Kündigungen erleichtern will, gibt es schon seit Wochen teils heftige Proteste. Am Donnerstag ist ein erneuter landesweiter Protesttag geplant.
Bei der Staatsbahn SNCF wurde am Mittwoch gegen die Reformpläne und für eine Bewahrung der derzeitigen Arbeitsbedingungen im Unternehmen gestreikt. Die Auswirkungen des Streiks blieben aber begrenzt. Die anhaltenden Proteste lassen auch Befürchtungen mit Blick auf die am 10. Juni in Frankreich startende Fußball-EM wach werden. Laut einer in der Tageszeitung Le Parisien veröffentlichten