Nach wochenlangem Streit über die Ausrichtung der Union treffen sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer zu einem Krisengespräch. Wie die Nachrichtenagentur AFP aus informierten Kreisen erfuhr, wollen Merkel und Seehofer am Dienstagabend im Kanzleramt in Berlin zusammenkommen. Das Treffen findet vor den Beratungen der Kanzlerin mit den Ministerpräsidenten der Länder über die Zukunft der Energiewende statt. Zuletzt hatte es geheißen, die beiden könnten sich nicht einmal darauf einigen, wo sich die Parteispitzen zu einem „Friedensgipfel“ treffen könnten, berichtet die dpa.
Vor allem die Flüchtlingspolitik von Merkel hat die Schwesterparteien entzweit. Angesichts der Wahlerfolge der rechtspopulistischen AfD werfen Seehofer und andere ranghohe CSU-Politiker der Kanzlerin vor, mit ihrem Kurs die Union nach links zu verschieben und konservative Stammwähler zu verprellen. Auch einen eigenständigen Bundestagswahlkampf im kommenden Jahr schlossen CSU-Vertreter nicht aus.
Nach einer aktuellen Umfrage des Instituts Insa für die Bild-Zeitung verliert die große Koalition weiter an Zustimmung und ist erstmals unter die Marke von 50 Prozent gerutscht. Wäre am Sonntag Bundestagswahl, kämen CDU/CSU demnach auf 30 Prozent – ein halber Punkt weniger als in der Vorwoche. Die SPD verliert der Umfrage zufolge ebenfalls einen halben Punkt und liegt nur noch auf 19 Prozent. Die AfD wird bundesweit bei 15 Prozent gesehen – vor den Grünen, der Linken und der FDP.
Unmittelbar vor dem Unions-Treffen blieben die Fronten verhärtet. CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer warf der CDU in der Bild-Zeitung vor, sie habe kein Profil. „Wenn sich CDU und SPD immer mehr angleichen, schadet es allen.“ Außerdem schreibt Bild, Seehofer vermute einen Komplott im Kanzleramt. „Bis hinein ins Kanzleramt“ gebe es Kräfte, die die CSU als „Fehlkonstruktion“ betrachteten und beseitigen wollten.
Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) mahnte ein Ende des unionsinternen Streits an. Unterschiedliche Auffassungen seien zwar Teil der Geschichte der Schwesterparteien. „Aber jetzt ist ein Zustand erreicht, der der Union im Ganzen schadet“, sagte der Minister den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Meinungsunterschiede sollten hinter verschlossenen Türen ausgetragen und nicht immer wieder öffentlich angefeuert werden. Auch weil die Zahl der Flüchtlinge erheblich zurückgegangen sei, „könnte die Dezibelstärke der Interviews ebenfalls zurückgeführt werden“.