Laut einer Prognose des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf) muss Deutschland aufgrund des Familiennachzugs mit Hunderttausenden weiteren Flüchtlingen rechnen. Sie würden vor allem als Ehegatten, Kinder oder Eltern unbegleiteter Minderjähriger aus Syrien in die Bundesrepublik kommen, heißt es in einem Dokument der Behörde, das der "Süddeutschen Zeitung" (SZ) vorliegt. Diese Entwicklung werde sich zwar über viele Monate hinziehen. Wenn man Faktoren wie Alter, Kinderzahl und bereits mitgereiste Angehörige aber berücksichtige, sei damit zu rechnen, dass im Durchschnitt für jeden anerkannten syrischen Flüchtling ein Angehöriger dazukommen werde.
Laut Ankunftsstatistik des Bamf kamen 2015 etwa 428.000 Syrer nach Deutschland; in den ersten fünf Monaten dieses Jahres waren es knapp 72.000. Entsprechend muss mit bis zu 500.000 Flüchtlingen zusätzlich gerechnet werden, schreibt das Blatt in seiner Mittwochausgabe.
Die Bamf-Experten widersprechen laut SZ zugleich jenen Prognosen, die in den vergangenen Monaten schon eine Verdreifachung oder Vervierfachung der Flüchtlingszahl durch den Familiennachzug vorausgesagt hatten. Gleichzeitig betonten sie, dass auf die Sozialkassen zusätzliche Aufgaben zukämen. Allerdings verwiesen die Autoren darauf, dass durch "eine erhebliche zeitliche Verzögerung beim Familiennachzug" die Wirkung nur schrittweise eintreten werde.
Der Berg unerledigter Asylanträge wächst weiter. Im Mai seien beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) mehr als 55.000 Anträge gestellt worden, was im Vergleich zum gleichen Monat im Vorjahr ein Anstieg um 113 Prozent sei, teilte das Bundesinnenministerium am Dienstag in Berlin mit. Entschieden worden sei über die Anträge von rund 36.500 Menschen. Bei der Behörde stapeln sich nun fast 460.000 Anträge. Dies sind noch einmal fast 30.000 mehr als im April.
Von Januar bis Mai stellten knapp 310.000 Migranten in Deutschland einen Asylantrag. Obwohl nach der Schließung der Balkanroute weniger Menschen ins Land kommen, ist dies ein Anstieg um 118 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Die weiter wachsende Zahl erklärt sich zum großen Teil dadurch, dass viele Migranten schon seit Monaten im Land leben und wegen der lange Zeit viel zu geringen Kapazitäten erst jetzt einen Antrag stellen können. Das BAMF hat inzwischen erheblich mehr Personal erhalten. Einem Sprecher zufolge soll bis Jahresende der Berg an Anträgen abgebaut werden.
Der BAMF-Sprecher verwies darauf, dass von Januar bis Mai mehr als 230.000 Anträge entschieden worden seien. Dies sind 147 Prozent mehr als in den ersten fünf Monaten 2015.
Auch bei den Registrierungen in den Erstaufnahmezentren der Länder hatte es im vergangenen Jahr einen Rückstau gegeben, der noch immer abgearbeitet wird. Daher liegen diese sogenannten Easy-Zahlen, wonach im Mai 16.281 Flüchtlinge registriert wurden, weiterhin deutlich über den durch die Bundespolizei festgestellten Einreisen. Nach deren Angaben kamen im Mai lediglich noch knapp 4500 Migranten bundesweit über die Grenze.
Die mit deutlichem Abstand meisten Asylantragsteller kamen in den ersten fünf Monaten aus Syrien (26.250), gefolgt von Irakern (6960) und Afghanen (5890). Stark abgenommen haben die Anträge von Menschen aus den sechs Westbalkanstaaten, von denen im Mai nur noch Albanien unter den zehn Top-Herkunftsländern war. Von Menschen aus den sechs Ländern, die Deutschland als sicher eingestuft hat, stammten im Mai 5,3 Prozent (2900) aller Asylanträge.
Das Bundeskriminalamt legte erstmals einen Bericht zu Straftaten von Flüchtlingen mit Daten aller 16 Bundesländer vor. Danach wurden von Asylsuchenden in den ersten drei Monaten knapp 70.000 Straften begangen oder versucht. Allerdings verringerte sich Zahl der Delikte von Januar bis zum März um 18 Prozent.
In mehr als der Hälfte der Fälle begingen Migranten Diebstähle (rund 29 Prozent) sowie Vermögens- und Fälschungsdelikte (28 Prozent). Dem Bericht zufolge traten Nordafrikaner, Georgier und Serben gemessen an ihrem Anteil an allen Flüchtlingen überproportional in Erscheinung.