Die EZB trägt nach Einschätzung des Chefvolkswirts der Deutschen Bank mit ihrer ultralockeren Geldpolitik auch zum Erstarken euroskeptischer Kräfte bei. Indem sich die Europäische Zentralbank (EZB) zum Retter der Euro-Zone aufschwinge, erlaube sie Politikern die Hände in den Schoss zu legen statt durch Reformen Wachstum und die Staatshaushalte auf Vordermann zu bringen, erklärte David Folkerts-Landau in einem am Mittwoch veröffentlichten Bericht. Je länger die EZB mit ihrer Politik eine Umkehr verzögere, "desto stärker trägt sie zum Erfolg der Populisten und anti-europäischer Parteien bei und gefährdet so das gesamte europäische Projekt".
Anfänglich sei eine aggressive Lockerung der Geldpolitik richtig gewesen, so der Volkswirt. Doch mittlerweile wirkten die Schritte immer verzweifelter und es würden die Nachteile überwiegen. Verlierer seien die Sparer, "während sich Aktien- und Immobilienbesitzer die Hände reiben". Die EZB riskiert aus Sicht von Folkerts-Landau die langfristige Stabilität der Euro-Zone, wenn sie weiter auf breit angelegte Anleihenkäufe und negative Zinsen setzt.
"Wir sind deshalb überzeugt, dass sie beginnen sollte, einen geldpolitischen Kurswechsel einzuleiten", so der Ökonom. Der erwartete Anstieg der Inflation auf mehr als ein Prozent im ersten Quartal 2017 biete der EZB die Gelegenheit dazu. Die Notenbank habe trotz massiver Anleihenkäufe und Strafzinsen für die Geldhäuser Wachstum und Inflation nicht anheizen können. "Bislang zeigen die Daten nicht, dass dies besser werden wird."
Die Geldpolitik der EZB wird in Deutschland seit längerem kritisiert. Sparer leiden unter den Mini-Zinsen. Banken beklagen, es werde wegen des Zinsumfelds zunehmend schwerer, im angestammten Zinsgeschäft auskömmliche Gewinne zu erzielen. Lebensversicherer haben zudem Probleme, ihren Kunden zugesagte Renditeversprechen einzulösen. Mehrere Unionspolitiker hatten im April die Bundesregierung aufgefordert, auf eine Änderung der Geldpolitik zu dringen.