Politik

Bundesregierung spielt Wehrpflicht und Rationierung von Lebensmitteln durch

Die Bundesregierung beschäftigt sich in ihrem neuen Krisen-Plan für Deutschland überraschend ausführlich mit der Wiedereinführung der Wehrpflicht. In einem Kriegs-Szenario wird außerdem durchgespielt, wie die Bundeswehr logistisch an ihre Einsatzorte kommt. Die Lebensmittel für die Bevölkerung würden im Kriegsfall per Gesetz rationiert werden.
24.08.2016 01:20
Lesezeit: 3 min

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Die Bundesregierung spielt überraschend konkret Schritte für ein mögliches Wiederaufleben der vor fünf Jahren ausgesetzten Wehrpflicht durch. Das geht aus einem Unterpunkt des Konzepts des Innenministeriums hervor, in dem es um zivile «Unterstützung der Streitkräfte» für den Fall geht, dass Deutschland etwa im Rahmen von Nato-Einsätzen das Bündnisgebiet an dessen Außengrenzen verteidigen muss. Dies berichtet die dpa, die den Entwurf gesehen hat.

Die Möglichkeit der Wiedereinführung der Wehrpflicht findet sich demnach in dem Papier in versteckter Form. In dem Streitkräfte-Passus heißt es unter dem Stichpunkt Post: «Die schnelle und sichere Zustellung von Postsendungen mit besonderer Bedeutung für die Bundeswehr (beispielsweise Einberufungs- und Leistungsbescheide bei Wiederaufleben der Wehrpflicht) wird im Rahmen des Post- und Telekommunikationssicherstellungsgesetzes gewährleistet».

Offenkundig wird auch in Betracht gezogen, dass die neuen Rekruten Wohnraum brauchen: Es entstehe dann ziviler «Unterstützungsbedarf der Bundeswehr bei Heranziehungsorganisation und Unterbringungsinfrastruktur».Das bedeutet: Zivile Firmen müssten wohl im Rahmen der Musterung und dem Bau oder der Instandsetzung von Kasernen beteiligt werden.

Sehr detailreich wird das Problem der Verpflegung der Soldaten behandelt: So gebe es bei den Streitkräften «lediglich eine begrenzte Vorhaltung von Verpflegung für die Durchführung von Einsätzen, die eine durchhaltefähige Versorgung der Kräfte der Bundeswehr insgesamt nicht sicherstellt». Zusätzlicher Bedarf sei bei den Planungen zu berücksichtigen «und über die privatwirtschaftlich organisierte Lebensmittelwirtschaft über den freien Markt zu organisieren».

Für den Fall, dass eine Versorgung der Soldaten über den freien Markt nicht mehr gewährleistet werden könne, verweisen die Autoren auf einen anderen Punkt des Konzepts. Darin wird festgehalten, dass die Bundesregierung eine Ernährungs-Notfallvorsorge im Krisenfall per Rechtsverordnung sicherstellen können soll. Dabei gehe es unter anderem um «Verfügungsbeschränkungen und Abgabepflichten hinsichtlich des Anbaus, der Verarbeitung, Verteilung und des Verkaufs von Lebensmitteln». Die dpa spricht in diesem Zusammenhang ungewöhnlich klar von einer «Rationierung» der Lebensmittel.

Die Wehrpflicht war zum 1. Juli 2011 nach 55 Jahren ausgesetzt worden, weil die Bundesregierung keine sicherheitspolitische und militärische Begründung dafür mehr sah. Der Pflichtdienst ist aber weiterhin im Grundgesetz verankert und könnte mit einem einfachen Gesetz wieder eingeführt werden. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen hatte erst Ende Juni betont, trotz der Spannungen mit Russland und des islamistischen Terrors sehe sie keinen Grund, die Wehrpflicht wieder einzuführen.

Der Triersche Volksfreund hält die Wiedereinführung allerdings für keineswegs abwegig: «Nach geltender Rechtslage lebt die Wehrpflicht nur im Spannungs- und Verteidigungsfall wieder auf. So gesehen enthält das Zivilschutzkonzept an dieser Stelle also keineswegs eine Neuigkeit...Eine Möglichkeit, von der Deutschland hoffentlich nie wieder Gebrauch machen muss, wofür es aber angesichts einer konfliktreichen Welt keine Garantie geben kann.» Das Konzept konkretisiert allerdings überraschend deutlich den Modus der Wiedereinführung der Wehrpflicht. Interessant ist der Hinweis auf den Verteidigungsfall: Dieser wird wesentlich durch die Nato definiert und steht im Zusammenhang mit der Bündnisverpflichtung. Erst vor wenigen Monaten hatte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg gesagt, «dass ein Angriff gegen ein Nato-Mitglied von Truppen» beantwortet werde, «die aus allen Ländern der Allianz stammen».

Die konkrete Form der konfliktreichen Welt hat die Bundesregierung mit der Definition Russlands als Feind Deutschlands gefunden: Nach der Nato-Doktrin hat Bundeskanzlerin Merkel auch die deutsche Militär-Doktrin dahingehend geändert, dass ein Angriff Russlands für möglich gehalten wird. Vor wenigen Tagen war durchgesickert, dass die Bundesregierung der Bevölkerung empfiehlt, Wasser, Lebensmittel und Bargeld zu horten.

Der Bonner Generalanzeiger hatte bereits im Juni ausgemacht, dass die Deutschen offenbar die Wiedereinführung der Wehrpflicht wünschen: «Gäbe es einen Weg, die Richtigen zu verpflichten, könnte man angesichts von Demografie und Krisenherde inzwischen überlegen: Reaktivierung der Wehrpflicht – warum denn nicht? Möglich wäre es jedenfalls. Jeder dritte Deutsche plädiert sogar für die Wiedereinführung. Um Wehrpflicht zeitgemäß zu gestalten, muss sie sich jedoch ändern.»

In ihrer neuen «Konzeption Zivile Verteidigung» (KZV) schreiben die Experten, die zivile Seite unterstütze die deutschen Streitkräfte und ihre Verbündeten bei der Herstellung und Aufrechterhaltung der Verteidigungsbereitschaft. Besonderen Bedarf an ziviler Unterstützung sehen die Planer in mehreren Bereichen.

Vor dem Hintergrund einer möglichen Cyber-Attacke auf Telekommunikationsunternehmen heißt es etwa, um den Austausch von Informationen abzusichern, seien «geeignete Maßnahmen in Verfügung zu halten, welche die elektronische Kommunikation ersetzen können». Details werden nicht genannt.

In einem weiteren Unterpunkt heißt es außerdem, im Rahmen bestehender Gesetze sei zivile Unterstützung für die Bundeswehr vorzubereiten, damit die Soldaten ihre Einsatzgebiete erreichen könnten. Als Einzelpunkte möglicher ziviler Hilfe werden die Mitwirkung bei der Lenkung des zivilen und militärischen Straßenverkehrs genannt oder die Bereitstellung von Treibstoffen. Zudem könne es darum gehen, zivile Verkehrsmittel, -leistungen und einrichtungen zur Verlegung der Truppen zur Verfügung zu stellen.

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