Politik

Triumph für Erdogan: US-Regierung buhlt um die Gunst der Türkei

Lesezeit: 3 min
25.08.2016 03:26
Der türkische Präsident Erdogan hat am Mittwoch erste Früchte seiner Kooperation mit Russland geerntet: US-Vizepräsident Biden hofierte Erdogan und zeigte volle Solidarität mit den Maßnahmen Erdogans nach dem Putsch. Der Grund dürfte darin liegen, dass die US-Regierung kein gesondertes Interesse am Bekanntwerden aller Hintergründe des Putschs hat.
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US-Vizepräsident Joe Biden hat bei seinem Türkei-Besuch am Mittwoch den Putschversuch als „Verrat“ eingestuft. Im Zusammenhang mit der Auslieferung des Predigers Fethullah Gülen, der in der Türkei als Drahtzieher des Putschversuchs, ausgemacht wird, sagte Biden: „Wir haben nicht die Absicht, einen Menschen zu schützen, der unserem Verbündeten schadet.“

Der Besuch von Biden verlief ungewöhnlich herzlich. Der Grund dürfte darin bestehen, dass die Türkei sehr deutliche Hinweise zu besitzen glaubt, dass die CIA hinter dem Putschversuch stehe. Biden wurde daher auch von einer ungewöhnlich großen Gruppe von Geheimdienstlern begleitet. Es ist unbekannt, ob die Geheimdienstler mit der türkischen Regierung über den Umgang mit möglichen Putschisten aus dem CIA-Umfeld gesprochen haben.

Biden sang bei seinem Auftritt auffallend laut das Hohelied vom türkischen Volk und deutete an, dass die USA nicht abgeneigt seien, den islamischen Predigers Fethullah Gülen auszuliefern. Gülen wird beschuldigt, hinter dem Putsch zu stehen. Allerdings hat Gülen keine paramilitärische Organisation, die den Putsch hätte ausführen können. Auch ist nicht klar, wieviele Menschen wirklich hinter Gülen stehen. Sein Aufruf zum KAmpf gegen Erdogan nach dem gescheiterten Putsch verhallte vollkommen ungehört. Der frühere US-Botschafter im Jemen sagte neulich, dass Gülen von der CIA gestützt werde.

Bei der Pressekonferenz am Mittwoch stellte sich Biden vollständig hinter Erdogan. Haberturk zitiert Biden:

„Wir, als die Verbündeten des türkischen Volks, möchten sagen, dass wir die Türkei voll und ganz unterstützen. Wenn die türkisches Bevölkerung und die Regierung unsere Hilfe will, werden wir dies weiterhin tun. Obama war einer der ersten Staatsoberhäupter, die die Türkei nach dem Putschversuch öffentlich unterstützt hat. Als die Ereignisse stattfanden, waren wir uns nicht sicher, ob sie auch wirklich so stattfanden. Wir waren erstaunt. Dieser Verrat hat nicht nur das Gebäude des türkischen Parlaments getroffen, sondern hat das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung nachhaltig geschädigt. Die Bomben sind in das Herz der türkischen Demokratie gefallen. Wir bewundern den Mut der türkischen Bevölkerung. Sie sind auf die Panzer gegangen und haben sich wie Schutzschilde vor die Demokratie gestellt. Sie nennen sie in dieser Region Märtyrer. Wir nennen sie Helden und Heimattreue. Es gibt Gerüchte, wonach die USA Kenntnis von diesem Putschversuch gehabt haben soll. Dem ist nicht so. Wir würden dies unter keinen Umständen unterstützen. Diese hinterhältige Aktion würden wir niemals unterstützen.

Wir stehen auf der Seite der Türkei. Das türkische Volk hat keinen besseren Freund als die USA. Wir stehen für unsere gemeinsamen Werte und für unsere gemeinsamen Interessen beieinander. Wir verstehen die starken Gefühle der Regierung und des türkischen Volks. Wir arbeiten mit den türkischen Vertretern zusammen. Es werden die Dokumente und Beweise überprüft. Diese werden den US-Gerichten überreicht. Vertraglich gesehen mussten diese Dokumente formal aufbereitet werden, damit wir Gülen ausliefern. Wir haben nicht die Absicht, einen Menschen zu schützen, der unserem Verbündeten schadet. Wir werden unter Berücksichtigung aller Beweise einen Antrag am US-Gericht stellen. Das wird etwas Zeit in Anspruch nehmen. Ich kann völlig nachvollziehen, dass die türkische Bevölkerung wütend ist, doch wir bleiben dran. Wir werden mit der türkischen Regierung zusammenarbeiten. Es ist nachvollziehbar, dass keine Regierung so etwas tolerieren kann.“

Die Washington Post berichtet etwas säuerlich über die ostentative Freundlichkeit der Amerikaner und sagt voraus, dass die freundlichen Worte Bidens US-Präsident Barack Obama in die Kritik bringen werde, weil er zu freundlich mit autokratischen Herrschern umgehe. Allerdings räumt eine Begleiterin von Biden im Gespräch mit der Zeitung ein, die USA hätten gar keine andere Wahl, als mit der Türkei intensiv zu kooperieren. Die USA müssen sich bemühen, die Türkei nicht in Richtung Moskau abdriften zu lassen. Das Land ist als Nato-Staat und wegen der geographischen Lage für die USA ein unverzichtbarer Partner.

Der türkische Premier Binali Yildirim sagte daraufhin, dass die Aussagen der US-Regierung und Präsident Obama maßgeblich seien für die Türkei. Ankara macht den in den USA im Exil lebenden Gülen für den gescheiterten Putschversuch von Mitte Juli verantwortlich und verlangt dessen Auslieferung.

Nach türkischen Medienberichten könnte Gülen seinen Sitz von den USA nach Südafrika verlegen. Einer der wichtigsten finanziellen „Gönner“ der Bewegung, Ali Katircioglu, soll in Johannesburg ein Areal aufgekauft haben, das derzeit bebaut wird. Auf dem Areal sollen sich mittlerweile eine Moschee, eine Schule, ein Jugendheim, ein Einkaufszentrum und ein Grab befinden, berichtet CNN Turk. Der Name des Sitzes soll „Nizamiye Külliyesi“ lauten. Külliye ist ein Begriff für eine sozio-religiöse Stiftung mit einem karitativen Charakter.

Ali Katircioglu soll eine freundschaftliche Beziehung zum südafrikanischen Präsidenten Jacob Zuma pflegen. Das Areal wurde bereits im Jahr 2012 feierlich gemeinsam mit Zuma und dem türkischen Wirtschaftsminister Zafer Caglayan eröffnet, berichtet Haberler.

Weiteren türkischen Medienberichten zufolge könnte Gülen seinen Sitz auch nach Kanada verlegen.

Noch wichtiger als die Abkehr von Gülen dürfte jedoch sein, dass Biden eine scharfe Warnung gegen die kurdische YPG aussandte - und damit eines der wichtigsten sicherheitspolitischen Anliegen Erdogans unterstützt. Diese Kehrtwende könnte der Preis dafür sein, dass die Türkei darauf verzichtet, allzu viele Hintergründe eds Putschversuchs an die Öffentlichkeit kommen zu lassen.

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