Wirtschaft

USA vor Energieumbruch: Strom wird zum neuen Öl – und zur nächsten geopolitischen Baustelle

Ein fundamentaler Wandel zeichnet sich in der US-Wirtschaft ab: Elektrizität verdrängt Öl als Rückgrat der nationalen Energiesicherheit. Jahrzehntelang galten Ölpreise und Fördermengen als Barometer für Wohlstand und Stabilität – doch nun gerät Strom ins Zentrum der wirtschaftlichen und politischen Planung.
11.05.2025 10:58
Lesezeit: 2 min
USA vor Energieumbruch: Strom wird zum neuen Öl – und zur nächsten geopolitischen Baustelle
Die Amerikaner haben Energiesicherheit lange mit Öl gleichgesetzt, doch in den kommenden Jahren wird sie zunehmend von Elektrizität abhängen. (Foto: dpa | Charlie Riedel) Foto: Charlie Riedel

Strombedarf auf Jahrzehnthoch – das Netz ist nicht vorbereitet

Während der Ölverbrauch stagniert, explodiert die Nachfrage nach Strom. Verantwortlich dafür sind vor allem Rechenzentren, die das Rückgrat von Künstlicher Intelligenz, Cloud-Diensten und Kryptowährungen bilden. Hinzu kommen wachsende Elektromobilität, Wärmepumpen sowie die Dekarbonisierung industrieller Prozesse.

Nach Jahrzehnten des Stillstands steigt der US-Strombedarf erstmals seit den 1960er Jahren wieder rasant – um über 3 Prozent jährlich, so die Energieberatung Grid Strategies. Zum Vergleich: Noch vor wenigen Jahren lag das Wachstum unter 1 Prozent. Die Infrastruktur aber, die diesen Wandel tragen soll, steht unter enormem Druck.

„Wir brauchen dringend Transformatoren, Umspannwerke, Netzausbau – doch die Industrie hat zu lange im Energiesparmodus gearbeitet“, warnt Grid-Strategien-Chef Rob Gramlich. Genehmigungen für Netzanschlüsse dauern laut dem Lawrence Berkeley National Laboratory mittlerweile im Schnitt fünf Jahre.

Politischer Sprengstoff – Strom wird zur Machtfrage

Was einst die OPEC und der Ölpreis waren, könnte künftig die Regulierung des Stromnetzes werden. Investitionen in Milliardenhöhe sind nötig – doch die Bürokratie bremst, während sich demokratische und republikanische Bundesstaaten auf unterschiedliche Prioritäten konzentrieren: Erneuerbare Energien versus Rechenzentren, Dekarbonisierung versus Industrieansiedlung.

Die Regierung Joe Bidens hat mit einem Infrastrukturprogramm über 8 Milliarden US-Dollar erste Schritte unternommen, doch angesichts des enormen Bedarfs ist das nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Trumps Rückkehr ins politische Zentrum bringt zusätzliche Unsicherheit: Er will fossile Energien wieder stärken, Umweltauflagen kippen und den grünen Umbau bremsen.

Elektrizität – ein kapitalintensiver Machtfaktor

Anders als Öl, bei dem die Kosten vor allem im Brennstoff selbst liegen, ist Elektrizität ein infrastrukturgetriebenes Geschäft. Der Kapitalbedarf ist enorm – und zieht bereits Private Equity an. Zuletzt sicherten sich der Canada Pension Fund und Global Infrastructure Partners für 6,3 Milliarden Dollar den Energieversorger Allete, der Minnesota Power kontrolliert.

Die Aussicht auf garantierte Renditen durch staatlich regulierte Stromtarife macht den Sektor für Investoren attraktiv – doch das Risiko ist hoch. Sollte die Nachfrage hinter den Erwartungen zurückbleiben, etwa durch eine Überhitzung des Rechenzentrumsmarktes, drohen Fehlinvestitionen, deren Kosten letztlich beim Verbraucher landen.

Fazit: Strom ist das neue geopolitische Öl

Die USA stehen am Beginn eines historischen Wandels. Strom wird zur strategischen Ressource – mit allen politischen, wirtschaftlichen und sozialen Spannungen, die einst mit Öl verbunden waren. Die kommende Präsidentschaftswahl wird darüber entscheiden, ob der Energiesektor in die Zukunft investiert – oder ins fossile Gestern zurückkehrt.

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