Finanzen

Hanjin-Pleite: US-Einzelhändler fordern Bailout durch die Steuerzahler

Die Logistik-Branche in den USA ist wegen der Hanjin-Pleite in Aufruhr: Arbeiter haben die Arbeit niedergelegt, Schlepper arbeiten nur noch gegen Bar-Zahlung. Viele Lieferungen sind verspätet. Um einen Crash der US-Wirtschaft zu verhindern, fordern die Einzelhändler einen staatlichen Bailout.
05.09.2016 02:57
Lesezeit: 2 min

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US-Einzelhändler befürchten für die kommende Feiertagssaison leere Regale. Nun soll die Regierung einspringen und die Krise eindämmen, die der Insolvenzantrag der Hanjin Shipping Co., einer der weltweit größten Reedereien, ausgelöst hat.

Ein Ende sei noch nicht absehbar, doch der Schaden erheblich, sagte Sandra Kennedy, Präsidentin der Retail Leaders Association dem WSJ. Die Insolvenz der Großreederei stelle eine „enorme Herausforderung für US-Speditionen dar (…)“ und habe „erhebliche Auswirkungen auf die Konsumenten und die Wirtschaft im Allgemeinen“. Die Handelsgruppe drängt die US-Regierung, Verhandlungen mit den Häfen, Frachthändlern und der Regierung Süd-Koreas aufzunehmen, um die weitreichende Krise des Containerhandels schnellstmöglich zu lösen. Denn nur Südkorea selbst könne Klarheit in dem Konkursverfahren bieten und dieses, falls nötig, beschleunigen.

Hanjin Shipping bedient etwa 7,8 Prozent des transpazifischen Handels für den US-Markt, so Kennedy weiter. Wegen des Insolvenzantrags in Seoul habe Hanjin aus rechtlichen Gründen in Deutschland den Zahlungsverkehr stoppen müssen. Das wiederum habe dazu geführt, dass beispielsweise die Hafenschlepper nur noch gegen Bargeld ihre Arbeit aufnehmen wollten. Aus Angst, nicht bezahlt zu werden, haben auch andere logistische Einheiten ihre Arbeit niedergelegt, was weltweit Konsequenzen nach sich zieht.

Vor allem in den USA kommt es zu verspäteten Lieferungen, Schiffe von Hanjin dürfen nicht einlaufen, Ware wird in den Häfen festgehalten, benötigte Container werden nicht ausgehändigt. Einige Schiffe wurden sogar von den Reedern beschlagnahmt, weil Hanjin weder sie noch die Gebühren noch die Arbeiter bezahlen konnte. Kunden würde zwar mitgeteilt, dass ihr Frachtgut in den Häfen sei, aber „wie es von dort weitergehe, wisse niemand“, so Jeff Bergmann, Geschäftsführer der Toy Shippers Association. Zudem säßen die Matrosen auf den Schiffen fest. Nahrung und Wasser reiche zwar für einige Wochen, aber danach könnte ihnen nur gegen bares Geld geholfen werden. Ob die Verantwortlichen es jedoch rein menschlich wirklich so weit kommen lassen, bleibt abzuwarten.

Da Hanjin Shipping Teil einer großen Kooperative ist, gehen die Probleme noch weiter. Ein Zwischenhändler verriet, dass etwa 540.000 Container verspätet geliefert würden. Die Verspätung könne sich dabei von einigen Tagen bis hin zu einem Monat oder sogar noch mehr ziehen. Die Frachtpreise erhöhen sich dadurch dramatisch. Ein US-Importeur musste Preise von 2000 US-Dollar pro Container zahlen – im Vergleich: 700 US-Dollar vor der Hanjin-Krise.

Die Konsequenzen treffen vor allem Großhändler und das aufstrebende E-Commerce zu einem sehr schlechten Zeitpunkt in Hinblick auf die anstehende Verkaufszeit bis zum Weihnachtsgeschäft, die hauptsächlich Kunden der Großreederei sind. Die nächsten Feiertage in den USA stehen an. Diese Zeit, die bis in das Weihnachtsgeschäft reicht, macht etwa 50 Prozent des Jahresumsatzes aus.

Die Unternehmen müssen nun andere Wege finden, um ihr Frachtgut auslösen zu können. Leicht werde das jedoch nicht, meinen Analysten des WSJ. Kunden könnten unter Umständen Monate auf ihre Ware warten müssen. Als im Jahr 2001 eine viel kleinere Reederei, Cho Yang, bankrott gegangen war, habe es sechs Monate gedauert, bis die „nur“ 200 Container ausgeliefert werden konnten, sagt Lars Jensen von SeaIntelligence Consulting. „Es würde mich nicht wundern, wenn Teile des gestrandeten Hanjin-Guts niemals er Ziel erreichten“, so Jensen weiter.

Hanjin muss also schnellstmöglich die Insolvenz in Europa und den USA anmelden, damit die Schiffe wieder fahren dürfen, fordert Jensen. Die Großreederei hat zwar eine einstweilige Verfügung erhalten, dass die eigenen Schiffe nicht beschlagnahmt werden dürfen – allerdings nur in Korea. „Die meisten Schiffe sind jedoch auf See oder im Ausland. Das Beschlagnehmen wird weltweit anhalten, wenn das Konkursverfahren nicht schnellstmöglich abgeschlossen wird“, mahnt Jensen. Wie schnell diese Verfahren jedoch im Ausland bearbeitet werden, kann das Unternehmen nicht kontrollieren.

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