Politik

USA: Kandidatur von Hillary Clinton gerät ins Wanken

Ein Schwächeanfall von Hillary Clinton bei der 9/11-Gedenkfeier hat die US-Demokraten in Unruhe versetzt: Erstmals stellen auch ihre ausgewiesenen Unterstützer wie die Washington Post die Frage, ob Clintons Gesundheit für eine Präsidentin reicht. Planspiele über einen Last-Minute-Einsatz von Joe Biden gibt es schon seit einiger Zeit.
12.09.2016 01:40
Lesezeit: 3 min

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Noch vor fünf Tagen hatte der angesehene Kolumnist Chris Cillizza gefordert, die Debatte um den Gesundheitszustand von Hillary Clinton zu beenden. Der Anlass war ein minutenlanger Husten-Anfall Clintons bei einer Wahlkampfrede. Doch am Sonntag schrieb Cillizza „Die Gesundheit von Hillary Clinton ist soeben ein wirkliches Thema im Präsidentschaftswahlkampf geworden. Der Anlass für diese Meinungsänderung: Clinton musste die Gedenkfeier zu 9/11 am Ground Zero früher verlassen, weil sie sich „überhitzt“ gefühlt habe, wie die offizielle Erklärung lautete. Ein Video, das von einem Feuerwehrmann aus nächster Nähe aufgenommen worden war, zeigt, wie Clinton, an eine Säule gelehnt, kaum stehen kann. Sie wird dann von ihren Mitarbeitern und einem Leibwächter in eine schwarze Limousine gehoben. Clinton wirkt kaum bewegungsfähig.

Cillizza, der jahrelange Erfahrung in der Berichterstattung aus dem Weißen Haus hat, schreibt in seiner Kolumne, dass verschiedene Aspekte Anlass zu Sorge gäben: So habe es erst 90 Minuten nach dem Vorfall ein Statement ihrer Kampagne gegeben. Allen Reportern sei es verboten worden, Clinton zu folgen. Die Temperaturen in New York seien nicht so hoch gewesen, dass man einen Hitzeschlag annehmen müsste.

Cillizza setzt sich in seiner Analyse mit den verschiedenen, teilweise wüsten Spekulationen der Republikaner auseinander, die sich seit Wochen mit der angeblich angeschlagenen Gesundheit Clintons beschäftigen. Bis jetzt, so Cillizza, hätten diese Spekulationen keinen einzigen faktischen Hinweis ergeben, dass Clinton tatsächlich gesundheitliche Probleme habe. Doch die zeitliche Nähe zwischen dem Schwächeanfall in New York und dem Husten-Anfall seien so gravierend, „dass die Diskussion von Clintons Gesundheit nicht mehr länger in das Reich der Verschwörungstheorien verwiesen werden können“. Angesichts der Tatsache, dass die Amerikaner in „58 Tagen entscheiden werden, wer das Land für die nächsten vier Jahre führen wird und weil sei eine Kandidatin mit einer realen Siegeschance ist, reicht es nicht mehr aus, auf das Wort des Clinton-Teams zu vertrauen, dass sie gesund ist“. Clinton müsse ihre Gesundheitsakte vollständig offenlegen.

Einer der ersten, der sich für Clintons Gesundheit verbürgte, war interessanterweise der frühere CIA-Direktor und Clinton-Unterstützer Michael Morell: Er sagte CNN, dass er Clinton am Freitag getroffen habe, und sie habe einen "fantastischen" Eindruck gemacht. Auch er habe nach 9/11 "einige Meetings versäumt, weil er sich schlecht gefühlt habe".

Tatsächlich scheint der Zwischenfall gravierend gewesen zu sein. Ihre Ärztin Lisa Bardack erklärte am Sonntag in einer von Clintons Wahlkampfteam veröffentlichten Mitteilung, Clinton leide seit einigen Tagen unter einer Lungenentzündung. Bei der Gedenkveranstaltung sei sie "überhitzt und dehydriert" gewesen, erklärte

Clinton habe unter starkem Husten im Zusammenhang mit Allergien gelitten, erklärte die Ärztin. Am Freitag sei schließlich eine Lungenentzündung diagnostiziert worden. Clinton habe Antibiotika erhalten, außerdem sei ihr zu Ruhe und einem eingeschränkten Terminplan geraten worden.

Bardack erklärte, sie habe Clinton nach der Veranstaltung am Ground Zero in deren Haus in Chappaqua im Bundesstaat New York untersucht. Die 68-Jährige sei versorgt worden und erhole sich nun gut. In der Nacht wurde schließlich bekannt, dass Clinton ihre Wahlkampfauftritte in Kalifornien absagen muss. Die Besuche waren für Montag und Dienstag geplant.

Ob Clinton wieder voll in den Wahlkampf einsteigen kann – und ob sie aus Sicht der demokratischen Partei unter diesen Umständen wirklich geeignet ist, den anstrengenden Job einer US-Präsidentin durchzuhalten, dürfte in den kommenden Wochen intensiv diskutiert werden. Bereits vor drei Jahren war Clinton wegen eines Blutgerinnsels behandelt worden, in einer Form, die von Ärzten als "lebensbedrohlich" beurteilt worden war, wie aus einer Email von Clintons Mitarbeiterin Abedin Huma hervorgeht, die Wikileaks veröffentlicht hat.

Schon während des Aufkommens des Email-Skandals und im Zuge der schweren Vorwürfe gegen die Clinton-Foundation hatte es bei den Demokraten immer wieder Überlegungen gegeben, Clinton in letzter Minute aus dem Rennen zu nehmen und durch Vizepräsident Joe Biden zu ersetzen. Biden werden bessere Chancen eingeräumt als Clinton. Sollte Clinton tatsächlich von ihrer Kandidatur zurücktreten, könnte der eigentliche Verlierer dieser Entwicklung Donald Trump heißen. Trump hatte sich persönlich auf Clinton eingeschossen und damit die Anti-Establishment-Gefühle vieler Amerikaner bedient. Zuletzt hatte Trump Clinton sogar bei der wichtigen Reuters/Ipsos-Umfrage überholt.

Trump hatte vor einigen Tagen gesagt, er werde seine vollständige Gesundheitsakte veröffentlichen, wenn Clinton dies auch mache, berichtet The Hill. Nach dem Vorfall in New York hielt sich Trump bedeckt: Er sagte einer NBC-Reporterin, er habe keine Kenntnis über den Zwischenfall.

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