Politik

USA kündigen neue Sanktionen gegen Russland an

Die US-Regierung hat am Freitag offiziell Russland für Hackerangriffe verantwortlich gemacht. Nach geltendem US-Recht würde eine solche Erkenntnis die verhängung von Sanktionen rechtfertigen. Interessant: Angela Merkel ist mit ihrer Forderung nach Sanktionen sogar schneller gewesen als die USA selbst. US-Politiker haben angekündigt, dass sich auch die EU an den Sanktionen wird beteiligen müssen.
08.10.2016 01:48
Lesezeit: 3 min

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Die USA haben die Regierung in Moskau offiziell beschuldigt, hinter den Hackerangriffen auf US-Bürger und politische Organisationen zu stecken. Die amerikanischen Geheimdienste seien "überzeugt davon, dass die russische Regierung die jüngsten Angriffe auf E-Mails von US-Personen und -Institutionen gesteuert hat", hieß es in einer am Freitag veröffentlichten gemeinsamen Erklärung des Heimatschutzministeriums und des Direktors der Nationalen Geheimdienste. Die Veröffentlichung der gehackten Botschaften auf Websites wie WikiLeaks stimme "mit den Methoden und Motivationen bei von Russland geleiteten Vorgängen überein", hieß es weiter. "Diese Diebstähle und Enthüllungen sollen die US-Wahl beeinflussen."

Unmittelbar nach der Mitteilung sagte der für Cybersecurity zuständige Senator Cory Gardner, er werde ein Gesetz vorlegen, um gegen Russland neue Sanktionen zu verhängen. Gardner sagte, dass sich auch die Europäer diesen Sanktionen anschließen müssten, berichtet CNBC.

Die Nachrichtenagentur Interfax meldete, ein Sprecher des russischen Präsidialamts habe die Vorwürfe als "Unsinn" zurückgewiesen. Dimiri Peskow sagte, es gäbe täglich zahlreiche Hacker-Attacken gegen Putins Seiten, deren Urheber sich auf US-Territorium lokalisieren ließen. Moskau habe allerdings noch nicht daran gedacht, die US-Regierung für solche Attacken verantwortlich zu machen.

Das Heimatschutzministerium hatte Anfang des Monats erklärt, die elektronischen Wahlsysteme von zahlreichen Bundesstaaten seien von Hackern ausgespäht worden. Die Nachrichtenagentur Reuters berichtete Ende August unter Berufung auf Unterlagen der Bundespolizei FBI von Angriffen auf Wählerverzeichnisse. In den US-Geheimdiensten wächst die Sorge, dass von Russland unterstützte Hacker versuchen könnten, die Abstimmung Anfang November zu beeinflussen.

Die Geheimdienste haben keine Belege für ihre Behauptungen vorgelegt. Interessant ist in diesem Zusammenhang allerdings, dass in dieser Woche die Washington post davon berichtete, dass es in der US-Regierung Diskussionen über eine "verdeckte" Operation gegen Syrien gäbe. Die Post schrieb, dass die CIA und Teile des Generalstabs eine solche Strategie befürworten. Die Operation sollte "kinetisch" erfolgen, also mit großer Wirkung. Zugleich sollte die Regierung abstreiten, hinter dem Angriff zu stecken.

Die von der US-Koalition und den Golfstaaten finanzierten und unterstützten islamistischen und internationalen Söldner sind jedoch gegen die massierte Militärmacht von Russland und Syrien ins Hintertreffen geraten. Weil sich US-Präsident Barack Obama weigert, einen offiziellen Krieg gegen Syrien oder gar Russland anzuzetteln, wollen die Hardliner bei den Geheimdiensten und im Pentagon die Russen wirtschaftlich weiter schädigen: Denn die Erklärung der Verantwortung für einen HAcker-Angriff ermächtigt die US-Regierung zur Verhängung von Sanktionen.

Die Executive Order vom 1. April 2015 gibt den USA eine rechtliche Grundlage für eine Militär-Operation gegen Russland: Obama hatte darin die zunehmende Zahl der Hackerangriffe auf die USA als "nationalen Notfall" eingestuft. Mit einem Exekutiverlass verfügt er, die Verantwortlichen für Cyberattacken mit Sanktionen zu belegen. Die Bedrohungen durch Hacker gehörten zu den größten Herausforderungen für die Wirtschaft und nationale Sicherheit des Landes. Gezielte Strafmaßnahmen seien für die US-Regierung "ein neues und mächtiges Werkzeug, gegen die Schlimmsten der Schlimmsten vorzugehen", schreibt Obama in der Begründung.

Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel in der Forderung nach Sanktionen diesmal nicht erst von den Amerikaner motiviert werden musste: Die Kanzlerin hatte über Norbert Röttgen und dann durch ihren Sprecher bereits Stunden vor der Verlautbarung der US-Regierung gefordert, dass Russland mit neuen Sanktionen zu belegen sei.  Zuvor hatten die Grünen Sanktionen gegen Russland gefordert.

Russland droht nun vor allem die Kappung aller Kontakte zum westlichen Finanzsystem. Die US-Regierung hatte bereits vor einigen Jahre erfolglos versucht, die Russen illegal vom internationalen Zahlungssystem SWIFT auszuschließen. Die in Belgien ansässige Behörde bestand jedoch auf ihrer Unabhängigkeit und verweigerte den US-Agitatoren die Gefolgschaft.

Das Ansinnen ist allerdings auch für die USA ein gefährliches Spiel: Russland, China und zahlreiche andere Staaten lehnen sich seit Jahren gegen den Dollar auf, weil die US-Regierung die Weltwährung immer wieder als Waffe gegen andere Staaten einsetzt. Es ist unklar, ob Russland und China im Falle einer Eskalation des Finanzkrieges die Notbremse ziehen können.

Besonders treffen würden neue Sanktionen Deutschland, das in Russland einen wichtigen Handelspartner hat. Bereits gegen die ersten Russland-Sanktionen lief die deutsche Wirtschaft Sturm und musste Milliarden-Verluste einstecken. Allerdings ebbte der Widerstand ab, weil die Bundesregierung der Wirtschaft immer wieder Signale sandte, die auf ein mögliches Ende der Sanktionen hindeuteten. Zuletzt hatte Bundeswirtschaftsminister Gabriel in diese Richtung anlässlich seinen Moskau-Besuchs argumentiert. Wenn der Konflikt mit Russland jedoch nun auf eine prä-militärische Ebene gehoben werden sollte, hat die Wirtschaft keine Argumente. Sie würde von der Regierung auf nationale Loyalität verpflichtet.

Der Russland-Beauftragte der Bundesregierung, Gernot Erler (SPD), warnt dagegen vor neuen Sanktionen gegen Moskau wegen des Kriegs in Syrien. Erler sagte den Zeitungen der Funke-Mediengruppe, dass Sanktionen die Lage in keiner Weise entspannen würden: «Es bleibt nur das Einwirken auf Russland im direkten Gespräch, wie es der deutsche Außenminister derzeit erneut versucht. Es wäre wichtig, dass Washington den Dialog auch bald wieder aufnimmt.»

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