Boomer-Soli: Reiche Rentner sollen für Stabilität im Rentensystem zahlen
Der Vorschlag eines sogenannten "Boomer-Soli" sorgt in Deutschland für hitzige Diskussionen. Dabei geht es um eine Solidaritätsabgabe, mit der wohlhabende Rentner ärmere Rentner unterstützen sollen – und das Rentensystem entlastet werden könnte. Die Wirtschaftsweise Monika Schnitzer unterstützt die Idee und geht sogar noch einen Schritt weiter.
Die Grundlage der Debatte ist der demografische Wandel. Die geburtenstarken Jahrgänge von 1954 bis 1969 – die sogenannten Babyboomer – gehen nun nach und nach in den Ruhestand. Gleichzeitig schrumpft die Zahl der Erwerbstätigen, die in das Umlagesystem der Rentenversicherung einzahlen. Diese Entwicklung setzt das Rentensystem zunehmend unter Druck. Im Bundeshaushalt 2026 ist der Zuschuss an die Rentenversicherung mit rund 127,8 Milliarden Euro der größte Einzelposten. Das zeigt: Der Staat muss immer mehr Geld aufbringen, um das System stabil zu halten. Ökonomen schlagen daher vor, neue Wege zu gehen – wie etwa mit dem "Boomer-Soli".
Solidarität innerhalb einer Generation?
Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat den "Boomer-Soli" als Sonderabgabe auf Alterseinkünfte ins Spiel gebracht. Wer mehr als 1.048 Euro monatlich an Rente erhält, soll zehn Prozent seiner darüberliegenden Einkünfte abgeben. Ziel ist es, einkommensschwache Rentner zu entlasten und Altersarmut zu verringern.
Wirtschaftsweise Monika Schnitzer zeigt Verständnis für diesen Vorschlag. Gegenüber Focus Money erklärte sie: „Ich kann der Idee einer Solidaritäts-Sonderabgabe auf Alterseinkünfte einiges abgewinnen.“ Denn das Rentensystem gerate an seine Grenzen – nicht zuletzt, weil die Babyboomer-Generation „seit den 70er-Jahren nicht genügend Kinder bekommen“ habe. Dadurch fehlten heute Beitragszahler.
Maßnahmenpaket statt Einzelmaßnahme
Schnitzer betont jedoch, dass ein "Boomer-Soli" allein nicht ausreiche. Der Sachverständigenrat Wirtschaft, dem sie vorsitzt, schlägt ein umfassenderes Reformpaket vor: Länger arbeiten, mehr Eigenvorsorge betreiben und den Anstieg der Renten dämpfen. Dabei solle es keine Rentenkürzungen geben, aber die Renten sollten langsamer steigen als bisher.
Für Geringverdiener könne dies bedeuten, dass ihre Rente künftig nicht mehr zum Leben reiche. Deshalb sei ein Umverteilungselement nötig – und genau hier könne der "Boomer-Soli" helfen. Schnitzer fragt rhetorisch: „Warum sollten die Babyboomer das nicht unter sich ausmachen?“ Schließlich hätten sie einen Teil des Generationenvertrags nicht erfüllt – durch zu niedrige Geburtenraten.
Generationengerechtigkeit auf dem Prüfstand
DIW-Präsident Marcel Fratzscher kritisiert die aktuelle Entwicklung scharf: „Unser Sozialstaat wird derzeit von Jahr zu Jahr ein Stück weniger generationengerecht.“ Die Umverteilung von Jung zu Alt nehme zu, während politische Parteien notwendige Zumutungen scheuten. Statt langfristiger Lösungen gäbe es teure Versprechungen wie die Mütterrente.
Der "Boomer-Soli" greift damit nicht nur in die Renten, sondern auch in das Selbstverständnis einer Generation ein. Für die einen ist es ein Ausdruck solidarischer Verantwortung, für die anderen ein Angriff auf ihre Lebensleistung. Sicher ist nur: Die Debatte über die Rentner-Abgabe wird weitergehen – denn das Rentensystem braucht Antworten auf den demografischen Wandel.
Der Boomer-Soli und die Altersarmut in Deutschland
Die Diskussion über den „Boomer-Soli“ hat ein zentrales Thema wieder auf die Agenda gebracht: Altersarmut in Deutschland. Fast 20 Prozent der über 65-Jährigen gelten laut EU-SILC-Daten mittlerweile als armutsgefährdet – Tendenz steigend. Zum Vergleich: 2013 lag diese Quote noch bei 14,9 Prozent. Deutschland liegt damit auch im europäischen Vergleich über dem Durchschnitt. Als armutsgefährdet gilt, wessen Einkommen unter 60 Prozent des mittleren Einkommens liegt.
Doch Experten wie Maximilian Stockhausen vom Institut der deutschen Wirtschaft warnen: Die Zahlen sind mit Vorsicht zu genießen, da etwa methodische Änderungen oder pandemiebedingte Erhebungsprobleme Verzerrungen verursacht haben könnten. Zudem weisen unterschiedliche Datenquellen teilweise abweichende Entwicklungen auf. Ursachen für den Anstieg der Altersarmut sieht Martin Brussig vom Institut Arbeit und Qualifikation vor allem in gebrochenen Erwerbsbiografien vieler heutiger Rentner: Zeiten hoher Arbeitslosigkeit in den 80er- bis 2000er-Jahren haben Lücken in der Rentenversicherung hinterlassen. Auch soziale Polarisierung verstärkt die Ungleichheit im Alter. Hinzu kommt laut IW, dass auch ältere Geflüchtete mit geringer Rente aufgenommen wurden, etwa aus der Ukraine. Ein weiteres Problem: Seniorinnen und Senioren haben begrenzte Möglichkeiten, ihre Einkommenslage zu verbessern – nur etwa 13 Prozent sind noch erwerbstätig.
Bei der Bewertung von Armut wird zudem oft das Vermögen übersehen: Während die obere Hälfte der Senioren-Haushalte über Rücklagen von 172.000 Euro verfügt, besitzen die unteren 30 Prozent kaum mehr als 1.900 Euro. Lösungen gegen Altersarmut gibt es viele: Der Paritätische Wohlfahrtsverband fordert etwa eine Mindestrente für langjährig Versicherte. Wichtig sei aber auch die Stabilisierung der gesetzlichen Rente, so Brussig. IW-Experte Stockhausen warnt indes vor steigenden Sozialbeiträgen, die vor allem Geringverdiener belasten würden.