Deutschland

Studie: Akademische Bildung verhindert sozialen Abstieg nicht

Lesezeit: 2 min
13.12.2012 15:44
Während in Deutschland viele Menschen in die unteren Schichten absinken und auch einige in die Oberschicht aufsteigen, wird die Mittelschicht immer kleiner, so eine Studie der Bertelsmann Stiftung. Bemerkenswert: Ein Universitätsstudium kann heute nicht mehr vorm sozialen Abstieg schützen.
Studie: Akademische Bildung verhindert sozialen Abstieg nicht

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

„Die Mittelschicht in Deutschland schrumpft“, ist das Fazit einer Studie der Bertelsmann Stiftung, des DIW und der Universität Bremen. Die Polarisierung innerhalb der Gesellschaft nimmt zu. In der Mittelschicht macht sich heute jeder Vierte Sorgen, seinen aktuellen Status zu verlieren – viel mehr als noch vor zehn Jahren, so die Studie.

Als Mittelschicht wird die Bevölkerungsgruppe bezeichnet, die 70 bis 150 Prozent des mittleren Einkommens zur Verfügung hat. Seit 1997 ist ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung von 65 auf 58 Prozent zurückgegangen, sie umfasst heute mit 47,3 Millionen Personen 5,5 Millionen Menschen weniger als 1997. Die „unteren und untersten Einkommensschichten“ (mit weniger als 70 Prozent des Durchschnittseinkommens) sind hingegen um 4 Millionen Menschen gewachsen. Und auch die Zahl der Spitzenverdiener (mit mehr als 200 Prozent des Durchschnittseinkommens) ist leicht angestiegen.

Trotz immenser Bildungsausgaben gelinge immer weniger Menschen der soziale Aufstieg aus der Unterschicht. Dadurch wächst die Mitte nicht mehr von unten. Gleichzeitig verfügt die Mittelschicht heute über bessere Bildung und höhere berufliche Positionen, sodass der Aufstieg in die Oberschicht gelingen kann. Aus diesen beiden Gründen schrumpft die Schicht in der Mitte. Allerdings verliert die Mittelschicht mehr nach unten als nach oben.

Insgesamt gibt es heute weniger Bewegung zwischen den Schichten. Wer einmal aus der Mittelschicht abgestiegen ist, hat heute kaum noch Chancen, wieder aufzusteigen.70 Prozent der unteren Einkommen finden sich nach drei Jahren immer noch in der gleichen Schicht wieder. Das Risiko hingegen, aus einer hohen Einkommensschicht wieder abzusinken, hat sich in den letzten Jahren verringert.

Auch die Entwicklung der Vermögen verläuft ähnlich. Die mittleren Vermögensgruppen verzeichneten zwischen 1995 und 2010 einen Rückgang um knapp 6 Prozent. Diese Entwicklung ist in Westdeutschland stärker ausgeprägt als in Ostdeutschland, wobei aber die Vermögen in Ostdeutschland ein deutlich niedrigeres Niveau aufweisen.

Die Einkommens- und Vermögensentwicklung spiegelt sich auch im Bewusstsein der Menschen wider. Die Sorgen der Mittelschicht um die eigene wirtschaftliche Situation sind in den letzten 10 Jahren angestiegen. Große materielle Sorgen machen sich heute etwa 25 Prozent der Mittelschicht, im Jahr 2000 waren es nur 15 Prozent. Zugleich ist der Anteil derer, die sich keine Sorgen machen, von 37 auf 25 Prozent gesunken. Dazu trägt bei, dass mittlere Bildungsabschlüsse ihre Schutzfunktion vor ökonomischen Risiken eingebüßt haben. Dass Bildungsausgaben nicht zu höheren Einkommen führen müssen, wurde gerade erst in Großbritannien gezeigt, wo ein Studium die Chancen auf dem Arbeitsmarkt verringert (mehr hier).

Die Studie nennt drei Ursachen für das Schrumpfen der Mittelschicht. Zum einen habe die Zunahme der Einpersonenhaushalte zu größerer Ungleichheit geführt, da keine Ersparnisse durch gemeinsames Wirtschaften erzielt werden können. Eine weitere Ursache seien die Steuerreformen seit Mitte der 1990er Jahre, die zu einer Senkung des Spitzensteuersatzes führten. Davon profitierten einkommensstarke Personen überproportional. Die Mittelschicht wurde dagegen deutlich weniger von den geänderten Steuertarifen entlastet. Als dritte Ursache werden die Arbeitsmarktreformen und der Nachfragerückgang bei den gering qualifiziert Beschäftigten genannt.


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Kostenloses Experten-Webinar: Die Zukunft der personalisierten Medizin aus der Cloud - und wie Sie davon profitieren

Eine individuelle Behandlung für jeden einzelnen Menschen - dieser Traum könnte nun Wirklichkeit werden. Bei der personalisierten Medizin...

DWN
Finanzen
Finanzen Der komplette Guide zur Bankvollmacht: Sicherheit und Flexibilität im Finanzmanagement
03.05.2024

Eine Bankvollmacht kann entscheidend dafür sein, Sicherheit und Flexibilität in Ihren finanziellen Angelegenheiten zu gewährleisten....

DWN
Unternehmen
Unternehmen Fleischersatz auf dem Vormarsch: Deutschland erlebt Produktionsboom
03.05.2024

Vegetarische und vegane Fleischersatzprodukte gewinnen in Deutschland an Beliebtheit: Produktion verdoppelt sich seit 2019. Fleischkonsum...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft OWZE-Prognose 2024: Minimales Wirtschaftswachstum für Deutschland erwartet
02.05.2024

Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OWZE) geht von einem minimalen Wirtschaftswachstum für Deutschland...

DWN
Finanzen
Finanzen Deutschland im Investitionstief: Rückgang setzt Wirtschaft unter Druck
02.05.2024

Deutschlands Attraktivität für ausländische Investitionen schwindet weiter: 2023 markiert den niedrigsten Stand seit 2013. Manche...

DWN
Politik
Politik 1.-Mai-Demonstrationen: Gewerkschaften fordern dringend Gerechtigkeit
02.05.2024

Am Tag der Arbeit kämpfen Gewerkschaften für bessere Arbeitsbedingungen. Ihre Spitzenvertreter betonten die Notwendigkeit von...

DWN
Politik
Politik Militärhistoriker Lothar Schröter im DWN-Interview: Die Folgen des Massenmords von Odessa 2014
02.05.2024

Der Militärhistoriker Lothar Schröter ordnet im DWN-Interview den Massenmord in Odessa vom 2. Mai 2014 ein. Dabei geht er auch auf die...

DWN
Politik
Politik DWN-Interview: Ukraine-Krieg - Zehn Jahre nach dem Massenmord von Odessa
02.05.2024

Am 2. Mai 2014 ist es in der ukrainischen Stadt Odessa zu einem Massenmord gekommen, bei dem fast fünfzig Menschen qualvoll ums Leben...

DWN
Technologie
Technologie Infineon vor herausforderndem Quartal: Augenmerk auf Zukunftsaussichten
02.05.2024

Der Chiphersteller Infineon sieht schwieriges Quartal voraus, mit moderaten Rückgängen und angespanntem Automobilmarkt. Wie geht es...