Junge Biolandwirte entdecken ein so einfaches wie zeitgemäßes Finanzierungsmodell für sich: die Beteiligung von Menschen aus der Region. Die bekommen statt Zinszahlungen auf ihr verliehenes Geld Naturalien geliefert. Ein Vorteil sowohl für den Betrieb als auch für seine Kunden.
Gregor Scholz und Helene Scholz-von Bonin sind erst seit kurzem Biobauern. Ihren gepachteten Hof in der nordrhein-westfälischen Gemeinde Welver haben sie ganz der biologisch-dynamischen Landwirtschaft gewidmet. Noch befindet er sich aber in der Entstehungsphase. Momentan wird an einem neuen Kuhstall geplant. Knapp 700.000 Euro Investitionssumme sei für den Aufbau der nach Demeter-Richtlinien geführten Betriebes nötig. Etwa 140.000 Euro davon seien nicht durch Eigenkapital, Kredite oder Investitionsfördermittel aufzubringen gewesen. Wie die Lücke geschlossen werden könnte, darüber gab es verschiedene Überlegungen. Ein gemeinnütziger Verein oder die Gründung einer Stiftung kamen aber nicht in Frage. Vorgegeben war schließlich ein relativ kurzfristiger Finanzbedarf bei langfristiger Rückzahlungs-Orientierung. Also wagte man eine noch sehr junge Form der Finanzierung: die Ausstellung von Genussrechten.
„Im Prinzip sind Genussrechte ein Privatdarlehen von ganz normalen Personen an uns“, so Gregor Scholz im Gespräch mit den Deutschen Wirtschafts Nachrichten. 1.000 Euro beträgt die Standard-Investitionssumme, nach fünf bis 15 Jahren erhält man die Grundsumme zurück. Im Gegenzug erhält man jährlich Lebensmittel im Wert von 30 Euro. Wenn der Bio-Betrieb dann schwarze Zahlen schreibt, werden zusätzlich 5 Prozent des Gewinns auf die Besitzer der Genussrechte aufgeteilt.
Nur eine Handvoll Landwirtschaftsbetriebe in Deutschland gibt es, die bereits Genussscheine als Beteiligungsform ausgeben. Das Prinzip fußt auf Transparenz und Vertrauen zwischen Betrieb und Beteiligten. „Beide Seiten profitieren: Die Leute bekommen regionale und nachhaltig produzierte Lebensmittel. Wir bekommen die Möglichkeit, unsere Investitionen zu finanzieren“, so der Landwirt. Naturalien seien schließlich immer genug vorhanden.
Seit einem Jahr nutzt Familie Scholz das Finanzierungsinstrument mittlerweile – und konnte damit seine Finanzierungslücke schon beinahe komplett abdecken. „Wenn das Modell zur Ausrichtung des Betriebs passt, kann ich es nur empfehlen“, sagt Gregor Scholz. In Frage kommen Genussscheine in erster Linie für Biolandwirte, die ihre Produkte mittels Direktvermarktung in der Region vertreiben wollen. Eine gute Beziehung zur Kundschaft und ein gewisser Bekanntheitsgrad in der Gegend helfen dabei. Die Bio-Landwirtschaft für den Großhandel hingegen ist nicht für das Modell geeignet. Beide Strukturen hätten jedenfalls ihre Berechtigung, so Scholz. Die Chancen für Bio-Produkte stünden nicht schlecht, man müsse sich aber was einfallen lassen, denn einfach nur Bio zu sein sei heute zu wenig.
Erst unlängst bestätigte eine aktuelle Studie, dass der Aufbau oder Erhalt eines Bio-Hofes in Deutschland nur schwer möglich ist (hier). Von der Förderpolitik der EU profitieren in erster Linie die großstrukturierte Landwirtschaft und Unternehmen. Nachhaltigere Formen des Landbaus und der Viehzucht werden nach wie vor vernachlässigt.