Der schwedische Rüstungskonzern Saab lässt künstliche Intelligenz gegen erfahrene Kampfpiloten antreten – mit überraschendem Ausgang. Die Tests markieren den Beginn eines militärischen Paradigmenwechsels.
Am 28. Mai 2025 um 11:53 Uhr startete ein Gripen E-Kampfjet vom Saab-Testflugplatz im schwedischen Linköping zu einem außergewöhnlichen Einsatz: Im Cockpit saß kein Mensch, sondern ein KI-gesteuerter Flugagent mit dem Codenamen Centaur. In mehreren Gefechtssimulationen der Kategorie „Beyond Visual Range“ (BVR) – also über Distanzen von mehr als 100 Kilometern – setzte sich die KI mehrfach gegen einen erfahrenen menschlichen Piloten durch.
Der Mann, der der Maschine unterlag, ist Marcus Wandt, Leiter für Innovationen bei Saab, selbst Ex-Kampfpilot und ehemaliger Astronaut. Wandt bewertet den Ausgang nüchtern: „Aktuell liegt die Erfolgsquote bei etwa 50:50 – aber ich bin überzeugt, dass es bald sehr schwer sein wird, die KI zu schlagen.“
Militärische KI in der Praxis angekommen
Das Projekt wurde vom schwedischen Verteidigungsamt FMV gefördert und ist Teil eines Zukunftsprogramms, das das Kampfflugzeug der 2050er-Jahre vorbereiten soll. Es ist zugleich ein Testlauf für die Integration autonomer Systeme in bestehende Waffensysteme. Der KI-Agent „Centaur“ wurde vom Technologieunternehmen Helsing entwickelt, einem Rüstungskonsortium, an dem auch Spotify-Gründer Daniel Ek beteiligt ist.
Die künstliche Intelligenz konnte 30 Jahre simulierte Trainingszeit innerhalb weniger Tage verarbeiten. Innerhalb von nur sechs Monaten gelang Saab der Sprung vom Simulator zur realen Flugkampfumgebung.
Der technologische Taktgeber aus Schweden
Was Saab von anderen Programmen – etwa dem KI-Test der US Air Force mit F-16-Kampfflugzeugen – unterscheidet, ist die volle Integration in das operative System des Gripen E, ohne dass eine Neuzertifizierung erforderlich war. „Das ist weltweit einzigartig“, erklärt Johan Segertoft, Leiter der Gripen-Sparte bei Saab. Zudem sei der Gripen das einzige Kampfflugzeug, das unter anspruchsvollen Bedingungen – etwa über der Ostsee – operieren könne, ohne auf landbasierte Systeme angewiesen zu sein.
Saab-Manager Peter Nilsson bringt die strategische Relevanz der Entwicklung auf den Punkt: „Die technologische Entwicklung war noch nie so schnell wie heute – und wird auch nie wieder so langsam sein.“
Vom Schachbrett in die Luftverteidigung
Der historische Vergleich ist offensichtlich: Als IBMs Supercomputer Deep Blue 1996 den Schachweltmeister Garry Kasparov besiegte, leitete dies einen Wendepunkt ein. Heute gelten Mensch gegen Maschine im Schach als chancenlos. Auch im Luftkampf beginnt sich dieses Verhältnis zu verschieben. Noch trifft der Mensch in unvollständigen Datenlagen bessere Entscheidungen – aber die technologische Lücke wird kleiner.
„Das hier ist nur der Anfang“, sagt Marcus Wandt.