Deutschland

Griechenland: Nach der Bundestagswahl wird der Steuerzahler rasiert

Die Anzeichen sind nicht mehr zu übersehen: Nach der Bundestagswahl werden die europäischen Steuerzahler erstmals mit realem Geld für das Griechenland-Abenteuer zahlen. Sogar in der Koalition wird darüber bereits hinter verschlossenen Türen geredet.
20.07.2013 01:10
Lesezeit: 2 min

Noch am Donnerstag hatte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble einen erneuten Schuldenschnitt für Griechenland ausgeschlossen. Doch am Freitag sagte der EU-Abgeordnete Jorgo Chatzimarkakis (FDP), der Schuldenschnitt werde nach der Bundestagswahl kommen.

Bis zum 22. September werde sich in der Frage eines Schuldenschnitts für Griechenland nichts bewegen, sagte Chatzimarkakis dem DLF. Doch hinter den Kulissen werde bereits darüber verhandelt:

„Es gibt ernsthafte Stimmen vom IWF, dem Internationalen Währungsfonds, die sagen, der Schuldenschnitt sei nötig, weil sonst der Schuldenstand Griechenlands einfach nicht tragfähig sei. Das ist auch ein Grund, warum der IWF und die beiden anderen Partner der sogenannten Troika, die Europäische Zentralbank und die Europäische Kommission, sich in die Haare bekommen haben, was die zukünftige Rettung Griechenlands angeht.“

Der IWF werde in dieser Frage nicht mit sich reden lassen, so Chatzimarkakis:

„Denn der IWF sagt knallhart und eindeutig: Ohne eine Überlebensfähigkeit Griechenlands bei diesem Schuldenstand bleiben wir nicht drin, und die ist nur gewährleistet, wenn es einen Schuldenschnitt gibt.“

Während einer Pressekonferenz am Donnerstag in Athen hatte der Bundesfinanzminister gesagt, es werde keinen weiteren Schuldenschnitt für private Gläubiger geben (hier). Doch Chatzimarkakis sagt: „Schuldenschnitt jetzt: nein, Schuldenschnitt nach der Bundestagswahl: wahrscheinlich.

Der Grund für dieses Hinauszögern: Schäubles Besuch in Griechenland sei eine „Beruhigungspille für die Griechen [gewesen], die die Zeit bis zur Bundestagswahl bitte stillhalten mögen, denn eins kann sich die Kanzlerin und kann sich auch Wolfgang Schäuble nicht erlauben: ein weiteres Problemkind Griechenland. Das würde die Wahlkampfstrategie natürlich über den Haufen werfen.“

Anders als 2012 werden von dem kommenden Schuldenschnitt die privaten Gläubiger betroffen sein. „Die öffentlichen Gläubiger mussten ja sozusagen schon dran glauben“, so Chatzimarkakis. Beim Schuldenschnitt des letzten Jahres mussten auch deutsche Steuerzahler Verluste hinnehmen, weil die verstaatlichte HRE dort engagiert und somit vom Schuldenschnitt betroffen war.

Der FDP-Mann ist für den Schuldenschnitt, auch wenn diese negative Konsequenzen für deutsche Steuerzahler und Gläubiger mit sich bringen wird. Die jetzige Sparpolitik dürfe nicht weitergeführt werden, denn die Auswirkungen seien fatal: Die Wirtschaft schrumpft rapide, die Arbeitslosigkeit steigt.

Die Arbeitsmigration sei da keine Lösung, so Chatzimarkakis.

„Im Moment läuft ja genau dies: Junge Spanier, junge Portugiesen und vor allem junge Griechen stürmen nach Deutschland, weil sie dort Lehrstellen besetzen, weil sie dort an die Unis wollen. Das ist über kurz oder lang kein guter Tausch. Besser wäre es, wenn man deswegen ein ausgeglichenes Wachstum überall in Europa ermöglicht, und das geht nicht ohne einen Schuldenschnitt, der mit Sicherheit nach der Bundestagswahl kommen wird.“

Das Hauptproblem für die Euro-Retter liegt jedoch anderswo: Auch ohne Schulden würde Griechenland im Moment keinen ausgeglichenen Haushalt vorlegen können. Alle Beobachter sind sich einig, dass die griechische Wirtschaft nicht dieselbe Währung verträgt wie die deutsche oder die niederländische.

Erst wenn man sich in der Euro-Zone diesen Struktur-Fehler eingesteht, hat Griechenland wieder eine souveräne Zukunft.

Bis dahin müssen die Nordeuropäer die Banken in Griechenland retten, deren Kreditgeschäft natürlich blüht, wenn es mit dem Steueraufkommen aus ganz Europa abgesichert ist.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Unternehmensporträt
Unternehmensporträt Kunstmarkt: Familienangelegenheiten im Auktionshaus Lempertz - und was Unternehmer davon lernen können
09.05.2025

Lempertz in Köln ist das älteste Auktionshaus der Welt in Familienbesitz. Isabel Apiarius-Hanstein leitet es in sechster Generation. Erst...

DWN
Immobilien
Immobilien Soziale Brennpunkte: Armut, Migration und Überalterung – Wohnquartiere überfordert
09.05.2025

Armut, Migration, Wohnungsmangel, Überalterung und Einsamkeit: Immer mehr Wohnquartiere in Deutschland sind überfordert. Eine neue Studie...

DWN
Finanzen
Finanzen Commerzbank-Aktie auf Rekordkurs nach starkem Quartalsgewinn – und nun?
09.05.2025

Die Commerzbank-Aktie hat zum Start in den Börsenhandel am Freitag zugelegt – und im Handelsverlauf ein neues Jahreshoch erreicht. Das...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft EU schlägt zurück: Diese US-Produkte stehen nun im Visier von Brüssel
09.05.2025

Die Europäische Kommission hat eine umfassende Liste von US-Produkten veröffentlicht, auf die im Falle eines Scheiterns der Verhandlungen...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Daimler-Sparprogramm: Was plant Daimler Truck in Deutschland?
09.05.2025

Der Nutzfahrzeughersteller Daimler Truck strebt an, seine Wettbewerbsfähigkeit in Europa zu erhöhen und hat sich mit dem...

DWN
Panorama
Panorama Endlos-Hitze droht im Sommer: Wetterextreme betreffen jüngere Generationen erheblich stärker
09.05.2025

Endlos-Hitze droht im Sommer - diese Schlagzeile geistert an diesem Freitag durch die Medien. Klar ist, dass die Folgen der globalen...

DWN
Technologie
Technologie Datenfalle USA: Warum viele Unternehmen in Gefahr sind - ohne es zu merken
09.05.2025

Viele Unternehmen übertragen täglich Daten in die USA – und merken nicht, dass sie damit in eine rechtliche Falle tappen könnten. Das...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Chinas Exporte überraschen - Fokus auf die USA
09.05.2025

Trotz des anhaltenden Handelskonflikts mit den Vereinigten Staaten sind Chinas Exporte überraschend robust geblieben. Der Außenhandel mit...