China fördert rund 70 Prozent der weltweit abgebauten Seltenerdmetalle
Das sind 17 chemische Elemente, die für zivile und militärische Hochtechnologien, insbesondere für Magnetanwendungen, unverzichtbar sind. Noch beunruhigender als diese Vormachtstellung ist jedoch der Umstand, dass etwa 90 Prozent der globalen Raffinierungskapazitäten in der Volksrepublik angesiedelt sind – ein strategisches Risiko für die westlichen Staaten.
„China ist ein gefährlicher Konkurrent“, sagt Ramon Barua, CEO des kanadischen Unternehmens Aclara Resources, im Gespräch mit dem Wall Street Journal. Aclara eröffnet derzeit eine Mine für Seltene Erden in Brasilien, um künftig seine geplante Verarbeitungsanlage in den USA mit Rohstoffen zu beliefern. Bereits im vergangenen Jahr hatte Aclara ein Lieferabkommen mit dem deutschen Unternehmen VAC abgeschlossen. Dieses errichtet derzeit mit 94 Millionen US-Dollar aus US-Verteidigungsmitteln ein Magnetwerk im Bundesstaat South Carolina – unter anderem für Kunden wie General Motors.
„Wir erleben einen Tsunami der Nachfrage“, so Barua. Dass Länder wie die USA und Brasilien derzeit massiv in die Förderung und Verarbeitung dieser kritischen Rohstoffe für Elektrofahrzeuge, Smartphones und Rüstungsgüter investieren, ist wenig überraschend: Die Abhängigkeit von China soll reduziert werden.
Die neue Rohstoffmacht Brasilien?
Laut der US-Geologischen Behörde verfügt Brasilien über die zweitgrößten Reserven an Seltenerdmetallen weltweit – rund 21 Millionen Tonnen. Das entspricht mehr als einem Fünftel der bekannten globalen Vorräte und ist zehnmal so viel wie in den USA. Brasilien verfügt insbesondere über Vorkommen der schweren Seltenerdmetalle Dysprosium und Terbium, die entscheidend sind, damit Magnete auch bei hohen Temperaturen funktionsfähig bleiben – etwa in Elektromotoren von E-Autos.
Trotz dieser enormen Ressourcen spielt Brasilien bislang nur eine untergeordnete Rolle am Weltmarkt. Der Grund: komplizierte Förderregularien und Schwierigkeiten, Investoren für Projekte außerhalb des chinesisch dominierten Marktes zu gewinnen. Die Produktionskosten in Brasilien liegen laut Schätzungen etwa drei Mal so hoch wie in China – westliche Abnehmer müssten einen entsprechenden Preisaufschlag in Kauf nehmen. Zudem verfügen nur wenige Unternehmen außerhalb Chinas über das Know-how zur Verarbeitung dieser Rohstoffe – der Aufbau entsprechender Kompetenzen ist zeit- und kapitalintensiv.
„Brasilien kartiert derzeit neue Lagerstätten und untersucht sogar Abraumhalden auf Spuren von Seltenen Erden“, so Energieminister Alexandre Silveira. Erst im vergangenen Jahr wurde die erste große Seltenerd-Mine des Landes eröffnet – ein Projekt von Aclara, finanziert durch die in Boston ansässige Private-Equity-Gesellschaft Denham Capital. Gefördert werden dort unter anderem Neodym, Praseodym, Dysprosium und Terbium – allesamt essenziell für Hochleistungsmagnete. Ironischerweise geht ein Großteil der Produktion jedoch weiterhin nach China.
Ökologisch gegen Chinas Preisvorteil
Aclara kann mit China zwar nicht preislich konkurrieren, setzt dafür aber auf umweltschonendere Verfahren. Während in China üblicherweise mit Ammoniumsulfat – einem günstigen Düngemittel – aus porösem Gestein herausgelaugt wird, was Böden und Wasser belastet, will Aclara das Gestein abtragen und in speziell ausgestatteten Anlagen reinigen lassen.
Boom-Markt mit politischem Risiko
Die globale Marktnachfrage nach Seltenerdmetallen dürfte von derzeit 6,2 Milliarden US-Dollar (2024) auf 16,1 Milliarden US-Dollar im Jahr 2034 steigen – getrieben vom grünen Umbau der Industrie und dem Wachstum der Hochtechnologie-Sektoren. Für Brasilien eröffnet sich damit ein strategisches Zeitfenster. Das Unternehmen Serra Verde erhielt im vergangenen Jahr 150 Millionen US-Dollar von Investoren aus den USA und Großbritannien. Doch auch hier zeigt sich das strukturelle Dilemma: Der Hauptabnehmer ist ein chinesisches Unternehmen.
„Es war der einzige Kunde, der die technischen Kapazitäten hatte, das Material zu verarbeiten“, sagt Thras Moraitis, CEO von Serra Verde, gegenüber der New York Times. China habe über Jahrzehnte gezielt aufgebaut und kontrolliere nun weite Teile der Veredelungskapazitäten. Die brasilianische Regierung strebt laut der Rio Times an, unter die Top-5-Produzenten weltweit aufzusteigen. Gelingt das, könnte dies die geopolitische Machtverteilung auf dem Rohstoffmarkt neu ordnen. Eine stärkere Marktdiversifizierung könnte die Preise stabilisieren und das Angebot erhöhen.
Brasilien als Alternative zu China?
Doch der Weg ist steinig: Brasilien muss Umweltauflagen effizient umsetzen und bürokratische Hürden beim Genehmigungsverfahren abbauen. Die bisherige Unfallbilanz im Bergbau wirft zudem Fragen zur Sicherheit und zum regulatorischen Rahmen auf. Dennoch: Wenn Brasilien auf nachhaltige Praktiken setzt und regulatorische Standards neu definiert, könnte es nicht nur eine Alternative zu China schaffen – sondern selbst Maßstäbe für die Zukunft setzen.