Politik

Kerstin Andreae (BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN)

Lesezeit: 2 min
16.09.2013 01:51
Kerstin Andreae (Bündnis 90 / Die Grünen) ist Bundestagsabgeordnete. Sie ist Mitglied im Finanzausschuss, im Ausschuss für Wirtschaft und Technologie, im Unterausschuss "Regionale Wirtschaftspolitik" (Unterausschuss des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie) und im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.
Kerstin Andreae (BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN)

Mehr zum Thema:  
Europa >
Benachrichtigung über neue Artikel:  
Europa  

Welchen Weg soll die EU einschlagen: Mehr Abgabe von Souveränität an Brüssel oder Rückgabe von Souveränität an die Nationalstaaten, wie von den Briten gefordert?

Die Eurokrise führt uns eins deutlich vor Augen: eine Währungsunion ohne eine gemeinsame – oder wenigstens abgestimmte - Wirtschafts-, Finanz-, Steuer- und Sozialpolitik kann auf Dauer nicht funktionieren. Durch die starke wirtschaftliche Verflechtung der EU-Staaten untereinander bleiben Entwicklungen in einem Mitgliedsstaat nicht ohne Auswirkungen auf andere Staaten. Gefährliche finanzielle und wirtschaftliche Ungleichgewichte zwischen den EU-Mitgliedsstaaten können immer wieder zu Krisen führen. Daher sind jetzt alle EU- und insbesondere Euro-Staaten in der Pflicht Reformen durchzuführen. Defizitländer, aber auch die Europäische Union als Ganzes, müssen ihre Wettbewerbsfähigkeit verbessern. Hierfür sind z.B. gemeinsame Investitionen hin zu einer nachhaltigen und sozialen Ökonomie besonders wichtig. Ich betrachte das aber nicht als einen Verzicht auf Souveränität. Wir müssen der Tatsache ins Auge sehen, dass Europa im globalen Maßstab nur gemeinsam ein wichtiger Spieler bleiben wird. Es geht also um die Bewahrung von Souveränität in einer sich dynamisch entwickelnden Welt.

Soll es eine gemeinsame Haftung für die Schulden geben, oder soll jeder Nationalstaat für seine eigenen Schulden haften?

Die Vergemeinschaftung von Schulden findet durch das Handeln der EZB längst statt. Zwar war es richtig, dass die EZB eingegriffen hat, als sich die Eurokrise dramatisch zuspitzte. Die EZB musste das Nicht-Handeln der Politik ausbügeln. Die Risiken, die dadurch auf die Bilanz der EZB verschoben wurden, werden jedoch zu einem großen Teil von Deutschland getragen. Ohne das Handeln der EZB zu kritisieren, sollte dies kein Dauerzustand bleiben. Die öffentlichen Haushalte müssen konsolidiert und neue Investitionen ermöglicht werden. Daneben halte ich einen geordneten Abbau der Staatschulden im Euro-Raum für unverzichtbar, um die überhöhte Verschuldung zurückzuführen. Ein möglicher Weg wäre der vom Sachverständigenrat vorgeschlagene Schuldentilgungsfonds. Die Idee stammt vom Sachverständigenrat der Bundesregierung. Dabei bietet der Schuldentilgungspakt eine transparente und wirtschaftlich sinnvolle Lösung, die gemeinsame Haftung an klare Bedingungen knüpft: Die teilnehmenden Staaten vereinbaren miteinander, ihre Schulden in verbindlich definierten Raten und Zeiträumen zurückzuführen. Im Gegenzug wird für den Zeitraum dieser Tilgungen ein Teil der Altschulden gemeinsam garantiert. Gleichzeitig würde der Zinsdruck und somit die Zinskosten für die Staaten sinken.

Sparen geht am besten durch effizienten Einsatz von Steuergeldern. Sind Sie dafür oder dagegen, dass Behörden und Politiker, die nachweislich Steuergelder verschwendet haben, dafür auch bestraft werden sollen, etwa durch ein Bußgeld?

Bei nachgewiesener grober Fahrlässigkeit, z.B. wenn Ergebnisse von Ausschreibungsverfahren ignoriert werden, könnte ich mir das vorstellen. Was die Ausgaben des Bundes betrifft: Wir Grünen haben Einsparvorschläge im Bundeshaushalt in Milliardenhöhe vorgelegt. Zum Beispiel wollen wir auf teure und unsinnige Rüstungsprojekte verzichten und die Bundeswehr weiter verkleinern. Bei politischen Entscheidungen ist es eine Strafbarkeit aber grundsätzlich schwierig. Nehmen wir das Betreuungsgeld. Aus meiner Sicht ist das eine Verschwendung von 1,2 Mrd. Euro Steuern pro Jahr. Damit sind wir Grünen nicht allein, denn wiederholt haben die EU-Kommission, die OECD und wissenschaftliche ExpertInnen Deutschland aufgefordert, Regelungen abzuschaffen, die die Nichterwerbstätigkeit von Frauen fördern. Die Koalition tut mit dem Betreuungsgeld das Gegenteil. Trotzdem wäre eine Strafbarkeit im juristischen Sinne hier unangebracht. Dafür gibt es im September die Bundestagswahl!


Mehr zum Thema:  
Europa >

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Kostenloses Experten-Webinar: Die Zukunft der personalisierten Medizin aus der Cloud - und wie Sie davon profitieren

Eine individuelle Behandlung für jeden einzelnen Menschen - dieser Traum könnte nun Wirklichkeit werden. Bei der personalisierten Medizin...

DWN
Politik
Politik DWN-Kommentar: Eine Welt ohne Europa?
04.05.2024

Der Krieg in der Ukraine und die Spannungen im Nahen Osten gefährden die Zukunftsfähigkeit der EU. Nun steht sie an einem Scheideweg:...

DWN
Finanzen
Finanzen Platzt die ETF-Blase – was dafür, was dagegen spricht
04.05.2024

Kaum eine Investmentform konnte in den zurückliegenden Jahren die Gunst der Anleger derart erlangen wie dies bei Exchange Traded Funds,...

DWN
Immobilien
Immobilien Streikwelle auf Baustellen droht: Gewerkschaft kündigt Massenstreiks an
04.05.2024

Die Bauindustrie steht vor Massenstreiks: Gewerkschaft kündigt flächendeckende Arbeitsniederlegungen mit rund 930.000 Beschäftigten an.

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Chinas Einfluss in Südostasien: Herausforderung für deutsche Firmen
04.05.2024

Deutsche Unternehmen suchen verstärkt nach Alternativen zum chinesischen Markt und richten ihr Augenmerk auf die aufstrebenden...

DWN
Technologie
Technologie CO2-Speicherung: Vom Nischenthema zum Wachstumsmarkt
04.05.2024

Anreize durch die Politik, eine neue Infrastruktur und sinkende Kosten: CO2-Speicherung entwickelt sich zusehends vom regionalen...

DWN
Politik
Politik Wahljahr-Turbulenzen: Biden im Kreuzfeuer der Gaza-Proteste
04.05.2024

Seit Monaten sind bei fast jedem öffentlichen Auftritt von Präsident Joe Biden propalästinensische Demonstrationen zu sehen, die sich im...

DWN
Politik
Politik Mindestlohn: Neues Streitthema köchelt seit dem Tag der Arbeit
04.05.2024

Im Oktober 2022 wurde das gesetzliche Lohn-Minimum auf zwölf Euro die Stunde erhöht. Seit Jahresanfang liegt es bei 12,41 Euro, die von...

DWN
Technologie
Technologie Deutsches Start-up startet erfolgreich Rakete
04.05.2024

Ein deutsches Start-up hat eine Rakete von zwölf Metern Länge entwickelt, die kürzlich in Australien getestet wurde. Seit Jahrzehnten...